02-15-2016, 03:01 PM
07:05
"Tun die meisten", kam als knappe Antwort zurück. Der Neue erwiderte den festen Händedruck und nickte. "Bishop." Mehr sagte er nicht, bevor er sich wieder der Karte zuwandte, um den tragbaren, kleinen Computer seiner Hornisse mit deren Änderungen zu speisen. Er fühlte sich, da sie immerhin in einem Flügeltrio fliegen würden, trotz seiner ureigenen Brummeligkeit dazu genötigt, die Eile zu erklären.
"Keine Zeit zu plaudern." Er blickte kurz vom Bildschirm auf und stellte fest, dass Mendes noch immer neben ihm stand. "Ich muss wissen, was mit der Maschine nicht stimmt. Hab ein ganz mieses Bauchgefühl dabei und auf mein Bauchgefühl war bisher noch immer Verlass."
Tex warf Voss einen schwer deutbaren Blick zu und zuckte mit den Schultern.
"Wie du meinst", sagte sie wieder an Bishop gewandt. "Dann sehen wir uns nachher auf Startbahn D. Ach, äh und wundere dich nicht: Der Tech ist ein bisschen seltsam, aber das wirst du gleich selbst herausfinden."
11:52
Die Hornisse schnitt mit beruhigend monotonem Zischen der starken Strahlentriebwerke durch den verwaschenen Himmel über der Finne. Weiter unten konnte Bishop einige Nebelschwaden entlang der Küste ausmachen. Es nieselte nur noch leicht. Das Flügeltrio Proteus tauchte in V-Formation durch schier endlose Weiten eines windstillen, melancholischen Graus. Sie würden eine Patroillie bis hinunter zu den Ausläufen des Schwarzen Bandes fliegen, von wo aus sie die Von Quesen sehen können und schließlich wieder über einen kleinen Schlenker zur Basis zurückkehrten sollten.
Ein Knacken im Funk.
"Achten Sie auf jedes Signal Ihres Detektors, Bishop." Es war Voss' Stimme. "Du kennst das schon, Tex: Die Jungs haben in letzter Zeit ihre Tarntechnik aufgerüstet und warten in Chameleoline auf ihre Gelegenheit, uns runterzuholen. Also wachsam bleiben!
"Verstanden."
Bei Numinax handelte es sich, wie eigentlich bei allen Techpriestern, tatsächlich um einen wunderlichen Kerl, beschloss Bishop, als er die Begegnung des heutigen Vormittags Revue passieren ließ. Allerdings war er, und das traf ebenfalls auf alle Techpriester zu, wenn überhaupt nur zur Hälfte ein Mensch. Das erklärte so Einiges. Bishop waren die Anhänger dieses Kultes seit jeher suspekt gewesen, auch wenn er neidlos zugeben musste, dass sich der Mann mit den technischen und mechanischen Finessen der Hornisse auskannt wie kein Zweiter. So sehr sogar, dass er hatte nachfragen müssen, was zum Henker dieser nun eigentlich hatte sagen wollen.
07:30
"Mutwillige Manipulation." lautete das allgemeinverständliche Urteil. "Nach meinen Berechnungen vor 17 Stunden, 22 Minuten programmiert. Laienhaft, wenn mir diese Bemerkung gestattet ist. Ziel war offenbar Überbrückung der manuellen Steuereinheiten, sowie Abschaltung der Triebwerke."
"Heißt das... Ich sollte über dem Ozean abschmieren?"
"Es liegt mir fern, die Ereignisse zu interpretieren. Ich habe lediglich Fakten dargelegt. Der Logikverarbeiter wurde auf seinen Werkszustand zurückgesetzt. Meine Arbeit hier ist getan."
"Verdammt nochmal!", rief Bishop ungehalten. "Zu diesem Zeitpunkt waren wir auf der Kottos, wo unsere Maschinen aufgetankt und gecheckt werden sollten. Es ist unmöglich, dass dort jemand von Außerhalb Zugriff hatte. Das ist Sabotage in den eigenen Reihen!"
"Ich wiederhole: Es liegt mir fern, die Ereignisse zu interpretieren. Meine Arbeit hier ist getan. Wenden Sie sich mit Anliegen dieser Art an ihre Vorgesetzten."
11:58
Bishop hatte sich an Debris gewandt und nur an Debris. Dies war ein heikler Sachverhalt, den es bis zur genauen Aufklärung streng vertraulich zu behandeln galt, damit kein giftiges Misstrauen unter den Kameraden gesät wurde.
Zwar hatte er keinen Zweifel an Numinax' Urteil, doch konnte sich der Pilot beim besten Willen nicht erklären, weshalb jemand seine Hornisse hätte sabotieren sollen oder wer dafür überhaupt in Frage käme. Hatte es Voss treffen sollen und sie wurden verwechselt? Welchen Sinn hätte es überhaupt, den Geleitschutz zu eliminieren, wenn die Bomber ganz offensichtlich problemlos durchgekommen waren? War die Motivation am Ende gar privater Natur? Nicht jeder konnte Bishop leiden, aber Feinde unter den eigenen Leuten hatte er sich, soweit er es beurteilen konnte, keine gemacht. Vor allem keine, die einen solchen Anschlag begründen könnten.
Er verwarf die Gedanken und ließ den Blick erneut über die Instrumente schweifen. Bisher hatten die Detektoren nichts erfassen... Moment, was war das? Die Treibstoffanzeige hing schon verdächtig tief, dabei waren sie bei Weitem noch nicht so lange in der Luft. Bishop schaltete auf genaue Messmethode und beobachtete wie die Zahl auf dem Bildschirm immer rapider schrumpfte. Mendes, die neben ihm, aber ein wenig höher flog, bestätigte ihm soeben, dass es sich dabei nicht nur um einen Fehler in der Anzeige handelte:
"Hast du heute deine Spendierhosen an, Bishop? Du ziehst ne mächtige Spur hinter dir her. Gute Güte, du verlierst Unmengen an Sprit!"
Ein Knacken und Rauschen.
"Bishop, melden! Was ist da los? Wie viel Treibstoff haben Sie noch?"
"Geben Sie mir einen Augenblick..." Wieder ein Knacken. "Jetzt sitze ich auf dem Trockenen. Kann keinen Schadensbericht geben. Alle Instrumente funktionieren tadellos. Weiß der Warp, was hier geschehen ist, aber so viel ist klar: Ich werde mir die Gegend da unten mal etwas genauer anschauen müssen."
Nach einer halben Minute verlor die H-1, in deren Cockpit es mittlerweile aufgrund der fehlenden Triebwerkgeräusche ungewohnt still geworden war, bereits merklich an Geschwindigkeit.
Voss hatte sich unentwegt, aber vergeblich bemüht, einen Funkkontakt zu finden, doch das Trio befand sich außerhalb der Reichweite ihrer Basis in Alljähre und auch die Von Quesen war noch zu weit entfernt.
12:07
Angespannt presste sich Bishop in seinen Sitz und hatte so seine Probleme, die mittlerweile mehr stürzende als gleitende Hornisse durch den heftigen Wind der Küste zu manövrieren. Er war auf 190 Meter gesunken, durchschnitt gerade ein Nebelfeld und geriet durch die nächste Böe fast ins Trudeln. Herrschten auf ihrer eigentlichen Flughöhe noch optimale Bedingungen, peitschte es hier unten unbarmherzig gegen die Klippen der Finne.
Voss gab die Suche nach einer Funkfrequenz nicht auf. Auch Mendes, die zunächst Gelassenheit vorspielte, zeigte sich nun äußerst besorgt, als sie von Bishop erfahren hatte, dass sein Schleudersitz nicht reagierte und er sich eine andere Lösung einfallen lassen wollte.
Bishop konnte ohne Antrieb bisher nicht mehr tun, als zu reagieren und gegenzusteuern, war er doch bei seiner jetzigen Geschwindigkeit nicht mehr als ein Spielzeug der Naturgewalt, das schon bald ausgedient haben und an den Felsen zerschellen oder im Morast versinken würde. Der stetige Regen der letzten Tage hatte den Boden zu seiner Rechten sichtlich aufweichen lassen. Das weitläufige Plateau erinnerte an eine kahle Sumpflandschaft. Mit einer weichen Landung konnte der Leutnant dennoch nicht rechnen; dazu war sein Winkel zu steil und seine Geschwindigkeit noch zu hoch.
"Mendes, sehen Sie zu, dass sie vor meiner Nase verschwinden!", gab er über Funk an seine hilflose Kameradin durch.
"Machen Sie keine Mist, Bishop! Ich will nicht noch mal auf einen weiteren Ersatz warten müssen", antwortete sie mit einer deutlichen Beunruhigung in der Stimme, während ihre Maschine abdrehte. Bishop hingegen war die Ruhe selbst. Er konnte es sich nicht erklären, doch in den brenzligsten Situationen behielt er stets den Überblick, wägte sachlich Chancen ab, zögerte jedoch auch nicht, Risiken einzugehen. So manches Mal bekam er Stunden nach einem nervenaufreibenden Erlebnis erst nervöses Flattern, musste sich mit einen guten Schluck beruhigen oder sich gar hinlegen, doch im Eifer des Gefechts fürchtete er nichts und niemanden.
Er brauchte Schub. Die Ruder allein reichten nicht aus, um gegen den Wind anzukämpfen und die Hornisse in einen halbwegs vernünftigen Winkel zu bringen.
Bishop wählte auf dem flackernden Monitor die Sternernglanz-Rakten an, gab ihnen Bodenkoordinaten rund fünf Kilometer vor seiner aktuellen Position und ließ sie ausfahren.
Nur noch 85 Meter über dem Boden.
Auf 60 Meter zündete er beide Raketen, ohne sie auszuklinken. Das Manöver war äußerst riskant, denn er konnte nicht sagen, ob der kleine Schub ausreichen würde, die Maschine hochzuziehen, damit sie nicht mit der Nase voran abstürzte. Auch waren die Raketen freilich nicht dafür gedacht, die Maschine anzutreiben und für ein solches Vorhaben schlecht platziert. Sollte die Korrektur gelingen, der Wind ihn aber unerwartet herunterdrücken, würden die Dinger direkt unter seinem Hintern hochgehen.
30 Meter. Die Nase bewegte sich langsam nach oben. Unter ihm rauschten die Mantelstromtriebwerke der Sternenglanz-Raketen. Die Instrumente zeigten eine gefährliche Hitzeentwicklung am Rumpf.
Noch 15 Meter. Die Nase lag fast waagerecht. Eine weitere Windböe sorgte für leichte Seitenlage, doch es war keine Zeit mehr für weitere Korrekturen. Alles, was jetzt noch blieb, war die beiden Raketen auszuklinken und zum Imperator zu beten.
Bishop betätigte den Abzugsknopf auf seinem Joystick und schloss die Augen.
12:15
Der Schädel summte und fühlte sich seltsam taub an.
Im ganzen Körper spürte er sein Blut zirkulieren, als würde es verzweifelt mit voller Kraft durch alle Adern gejagt, um zu prüfen, ob diese noch vorhanden waren.
Er öffnete die Augen und musste mehrfach blinzeln, bis er klar sehen konnte.
Er saß in einem Cockpit, in seinem Cockpit, in dem Cockpit einer H-1. Er war am Leben.
Bishop blickte an sich hinunter und bewegte die Gliedmaßen. In den Beinen hatte er kein Gefühl, aber sie reagierten. Der heftige Ruck in den Gurt musste die Blutzufuhr eingeschränkt und dafür gesorgt haben, dass sie eingeschlafen waren. Ein paar Blutspritzer hatten seine Fliegerjacke benetzt. Er tastete sich ab und zuckte schließlich zusammen, als er sein Gesicht berührte. Die komplette linke Seite der Glaskanzel war zersprungen. Dabei musste ein Teil seine Stirn dort aufgeschnitten haben, wo der Helm verrutscht war, doch wenn das alle Blessuren waren, die er davongetragen hatte, konnte er sich glücklich schätzen... Wieder einmal. Einige Bildschirme flackerten unregelmäßig auf.
Langsam kehrte Bishops Gleichgewichtssinn zurück und er bemerkte, dass seine Hornisse mit einer Linksneigung tief im Morast der feindlichen Küste feststeckte. Ein wenig Wasser, das bereits den Boden des Cockpits bedeckte, plätscherte über die gesprungen Scheibe hinein. Er löste den Gurt, stützte sich mühsam und stöhnend ab und kletterte möglichst bedacht, um sich nicht noch weitere Schnittwunden zuzuziehen aus dem Wrack heraus.
Während er noch mit einem Bein im Innern hing, nahm er ein leises Piepen war. Er kannte das Geräusch. Es war der Detektor.
"Tun die meisten", kam als knappe Antwort zurück. Der Neue erwiderte den festen Händedruck und nickte. "Bishop." Mehr sagte er nicht, bevor er sich wieder der Karte zuwandte, um den tragbaren, kleinen Computer seiner Hornisse mit deren Änderungen zu speisen. Er fühlte sich, da sie immerhin in einem Flügeltrio fliegen würden, trotz seiner ureigenen Brummeligkeit dazu genötigt, die Eile zu erklären.
"Keine Zeit zu plaudern." Er blickte kurz vom Bildschirm auf und stellte fest, dass Mendes noch immer neben ihm stand. "Ich muss wissen, was mit der Maschine nicht stimmt. Hab ein ganz mieses Bauchgefühl dabei und auf mein Bauchgefühl war bisher noch immer Verlass."
Tex warf Voss einen schwer deutbaren Blick zu und zuckte mit den Schultern.
"Wie du meinst", sagte sie wieder an Bishop gewandt. "Dann sehen wir uns nachher auf Startbahn D. Ach, äh und wundere dich nicht: Der Tech ist ein bisschen seltsam, aber das wirst du gleich selbst herausfinden."
11:52
Die Hornisse schnitt mit beruhigend monotonem Zischen der starken Strahlentriebwerke durch den verwaschenen Himmel über der Finne. Weiter unten konnte Bishop einige Nebelschwaden entlang der Küste ausmachen. Es nieselte nur noch leicht. Das Flügeltrio Proteus tauchte in V-Formation durch schier endlose Weiten eines windstillen, melancholischen Graus. Sie würden eine Patroillie bis hinunter zu den Ausläufen des Schwarzen Bandes fliegen, von wo aus sie die Von Quesen sehen können und schließlich wieder über einen kleinen Schlenker zur Basis zurückkehrten sollten.
Ein Knacken im Funk.
"Achten Sie auf jedes Signal Ihres Detektors, Bishop." Es war Voss' Stimme. "Du kennst das schon, Tex: Die Jungs haben in letzter Zeit ihre Tarntechnik aufgerüstet und warten in Chameleoline auf ihre Gelegenheit, uns runterzuholen. Also wachsam bleiben!
"Verstanden."
Bei Numinax handelte es sich, wie eigentlich bei allen Techpriestern, tatsächlich um einen wunderlichen Kerl, beschloss Bishop, als er die Begegnung des heutigen Vormittags Revue passieren ließ. Allerdings war er, und das traf ebenfalls auf alle Techpriester zu, wenn überhaupt nur zur Hälfte ein Mensch. Das erklärte so Einiges. Bishop waren die Anhänger dieses Kultes seit jeher suspekt gewesen, auch wenn er neidlos zugeben musste, dass sich der Mann mit den technischen und mechanischen Finessen der Hornisse auskannt wie kein Zweiter. So sehr sogar, dass er hatte nachfragen müssen, was zum Henker dieser nun eigentlich hatte sagen wollen.
07:30
"Mutwillige Manipulation." lautete das allgemeinverständliche Urteil. "Nach meinen Berechnungen vor 17 Stunden, 22 Minuten programmiert. Laienhaft, wenn mir diese Bemerkung gestattet ist. Ziel war offenbar Überbrückung der manuellen Steuereinheiten, sowie Abschaltung der Triebwerke."
"Heißt das... Ich sollte über dem Ozean abschmieren?"
"Es liegt mir fern, die Ereignisse zu interpretieren. Ich habe lediglich Fakten dargelegt. Der Logikverarbeiter wurde auf seinen Werkszustand zurückgesetzt. Meine Arbeit hier ist getan."
"Verdammt nochmal!", rief Bishop ungehalten. "Zu diesem Zeitpunkt waren wir auf der Kottos, wo unsere Maschinen aufgetankt und gecheckt werden sollten. Es ist unmöglich, dass dort jemand von Außerhalb Zugriff hatte. Das ist Sabotage in den eigenen Reihen!"
"Ich wiederhole: Es liegt mir fern, die Ereignisse zu interpretieren. Meine Arbeit hier ist getan. Wenden Sie sich mit Anliegen dieser Art an ihre Vorgesetzten."
11:58
Bishop hatte sich an Debris gewandt und nur an Debris. Dies war ein heikler Sachverhalt, den es bis zur genauen Aufklärung streng vertraulich zu behandeln galt, damit kein giftiges Misstrauen unter den Kameraden gesät wurde.
Zwar hatte er keinen Zweifel an Numinax' Urteil, doch konnte sich der Pilot beim besten Willen nicht erklären, weshalb jemand seine Hornisse hätte sabotieren sollen oder wer dafür überhaupt in Frage käme. Hatte es Voss treffen sollen und sie wurden verwechselt? Welchen Sinn hätte es überhaupt, den Geleitschutz zu eliminieren, wenn die Bomber ganz offensichtlich problemlos durchgekommen waren? War die Motivation am Ende gar privater Natur? Nicht jeder konnte Bishop leiden, aber Feinde unter den eigenen Leuten hatte er sich, soweit er es beurteilen konnte, keine gemacht. Vor allem keine, die einen solchen Anschlag begründen könnten.
Er verwarf die Gedanken und ließ den Blick erneut über die Instrumente schweifen. Bisher hatten die Detektoren nichts erfassen... Moment, was war das? Die Treibstoffanzeige hing schon verdächtig tief, dabei waren sie bei Weitem noch nicht so lange in der Luft. Bishop schaltete auf genaue Messmethode und beobachtete wie die Zahl auf dem Bildschirm immer rapider schrumpfte. Mendes, die neben ihm, aber ein wenig höher flog, bestätigte ihm soeben, dass es sich dabei nicht nur um einen Fehler in der Anzeige handelte:
"Hast du heute deine Spendierhosen an, Bishop? Du ziehst ne mächtige Spur hinter dir her. Gute Güte, du verlierst Unmengen an Sprit!"
Ein Knacken und Rauschen.
"Bishop, melden! Was ist da los? Wie viel Treibstoff haben Sie noch?"
"Geben Sie mir einen Augenblick..." Wieder ein Knacken. "Jetzt sitze ich auf dem Trockenen. Kann keinen Schadensbericht geben. Alle Instrumente funktionieren tadellos. Weiß der Warp, was hier geschehen ist, aber so viel ist klar: Ich werde mir die Gegend da unten mal etwas genauer anschauen müssen."
Nach einer halben Minute verlor die H-1, in deren Cockpit es mittlerweile aufgrund der fehlenden Triebwerkgeräusche ungewohnt still geworden war, bereits merklich an Geschwindigkeit.
Voss hatte sich unentwegt, aber vergeblich bemüht, einen Funkkontakt zu finden, doch das Trio befand sich außerhalb der Reichweite ihrer Basis in Alljähre und auch die Von Quesen war noch zu weit entfernt.
12:07
Angespannt presste sich Bishop in seinen Sitz und hatte so seine Probleme, die mittlerweile mehr stürzende als gleitende Hornisse durch den heftigen Wind der Küste zu manövrieren. Er war auf 190 Meter gesunken, durchschnitt gerade ein Nebelfeld und geriet durch die nächste Böe fast ins Trudeln. Herrschten auf ihrer eigentlichen Flughöhe noch optimale Bedingungen, peitschte es hier unten unbarmherzig gegen die Klippen der Finne.
Voss gab die Suche nach einer Funkfrequenz nicht auf. Auch Mendes, die zunächst Gelassenheit vorspielte, zeigte sich nun äußerst besorgt, als sie von Bishop erfahren hatte, dass sein Schleudersitz nicht reagierte und er sich eine andere Lösung einfallen lassen wollte.
Bishop konnte ohne Antrieb bisher nicht mehr tun, als zu reagieren und gegenzusteuern, war er doch bei seiner jetzigen Geschwindigkeit nicht mehr als ein Spielzeug der Naturgewalt, das schon bald ausgedient haben und an den Felsen zerschellen oder im Morast versinken würde. Der stetige Regen der letzten Tage hatte den Boden zu seiner Rechten sichtlich aufweichen lassen. Das weitläufige Plateau erinnerte an eine kahle Sumpflandschaft. Mit einer weichen Landung konnte der Leutnant dennoch nicht rechnen; dazu war sein Winkel zu steil und seine Geschwindigkeit noch zu hoch.
"Mendes, sehen Sie zu, dass sie vor meiner Nase verschwinden!", gab er über Funk an seine hilflose Kameradin durch.
"Machen Sie keine Mist, Bishop! Ich will nicht noch mal auf einen weiteren Ersatz warten müssen", antwortete sie mit einer deutlichen Beunruhigung in der Stimme, während ihre Maschine abdrehte. Bishop hingegen war die Ruhe selbst. Er konnte es sich nicht erklären, doch in den brenzligsten Situationen behielt er stets den Überblick, wägte sachlich Chancen ab, zögerte jedoch auch nicht, Risiken einzugehen. So manches Mal bekam er Stunden nach einem nervenaufreibenden Erlebnis erst nervöses Flattern, musste sich mit einen guten Schluck beruhigen oder sich gar hinlegen, doch im Eifer des Gefechts fürchtete er nichts und niemanden.
Er brauchte Schub. Die Ruder allein reichten nicht aus, um gegen den Wind anzukämpfen und die Hornisse in einen halbwegs vernünftigen Winkel zu bringen.
Bishop wählte auf dem flackernden Monitor die Sternernglanz-Rakten an, gab ihnen Bodenkoordinaten rund fünf Kilometer vor seiner aktuellen Position und ließ sie ausfahren.
Nur noch 85 Meter über dem Boden.
Auf 60 Meter zündete er beide Raketen, ohne sie auszuklinken. Das Manöver war äußerst riskant, denn er konnte nicht sagen, ob der kleine Schub ausreichen würde, die Maschine hochzuziehen, damit sie nicht mit der Nase voran abstürzte. Auch waren die Raketen freilich nicht dafür gedacht, die Maschine anzutreiben und für ein solches Vorhaben schlecht platziert. Sollte die Korrektur gelingen, der Wind ihn aber unerwartet herunterdrücken, würden die Dinger direkt unter seinem Hintern hochgehen.
30 Meter. Die Nase bewegte sich langsam nach oben. Unter ihm rauschten die Mantelstromtriebwerke der Sternenglanz-Raketen. Die Instrumente zeigten eine gefährliche Hitzeentwicklung am Rumpf.
Noch 15 Meter. Die Nase lag fast waagerecht. Eine weitere Windböe sorgte für leichte Seitenlage, doch es war keine Zeit mehr für weitere Korrekturen. Alles, was jetzt noch blieb, war die beiden Raketen auszuklinken und zum Imperator zu beten.
Bishop betätigte den Abzugsknopf auf seinem Joystick und schloss die Augen.
12:15
Der Schädel summte und fühlte sich seltsam taub an.
Im ganzen Körper spürte er sein Blut zirkulieren, als würde es verzweifelt mit voller Kraft durch alle Adern gejagt, um zu prüfen, ob diese noch vorhanden waren.
Er öffnete die Augen und musste mehrfach blinzeln, bis er klar sehen konnte.
Er saß in einem Cockpit, in seinem Cockpit, in dem Cockpit einer H-1. Er war am Leben.
Bishop blickte an sich hinunter und bewegte die Gliedmaßen. In den Beinen hatte er kein Gefühl, aber sie reagierten. Der heftige Ruck in den Gurt musste die Blutzufuhr eingeschränkt und dafür gesorgt haben, dass sie eingeschlafen waren. Ein paar Blutspritzer hatten seine Fliegerjacke benetzt. Er tastete sich ab und zuckte schließlich zusammen, als er sein Gesicht berührte. Die komplette linke Seite der Glaskanzel war zersprungen. Dabei musste ein Teil seine Stirn dort aufgeschnitten haben, wo der Helm verrutscht war, doch wenn das alle Blessuren waren, die er davongetragen hatte, konnte er sich glücklich schätzen... Wieder einmal. Einige Bildschirme flackerten unregelmäßig auf.
Langsam kehrte Bishops Gleichgewichtssinn zurück und er bemerkte, dass seine Hornisse mit einer Linksneigung tief im Morast der feindlichen Küste feststeckte. Ein wenig Wasser, das bereits den Boden des Cockpits bedeckte, plätscherte über die gesprungen Scheibe hinein. Er löste den Gurt, stützte sich mühsam und stöhnend ab und kletterte möglichst bedacht, um sich nicht noch weitere Schnittwunden zuzuziehen aus dem Wrack heraus.
Während er noch mit einem Bein im Innern hing, nahm er ein leises Piepen war. Er kannte das Geräusch. Es war der Detektor.