10-02-2014, 11:13 PM
4 Tage später...
Den Raum hatte man mehr als gründlich geputzt, das stimmte wohl und dennoch haftete ihm etwas Schmutziges an.
Der Boden war mit, auf Hochglanz gebohnerten, grünem Linoleum ausgelegt, in welchem unachtsam verrückte Stühle und unzählige Schuhsolen Dellen aller Art hinterlassen hatten. Die Wände bedeckte eine Art gelblicher Tapete, die im Licht der zwei kalten Neonröhren leicht glänze. Ein Eindruck der ihr einen schleimigen Charakter verlieh, auch wenn es wohl eher darauf zurückzuführen sein würde, dass sie abwaschbar war. Dennoch hatten sich an einigen Stellen braune Flecken festgesetzt, dem Putzkommando hartnäckig Widerstand leistend.
Für die widerspenstigen Rückstände mochte es allerhand Erklärungen geben, aber ausgerechnet die unangenehmsten pflegten die zu sein, die einem Betrachter an diesem Ort ins Hirn krochen.
Ein Fenster gab es nicht.
Dafür einen einfachen Tisch, dessen Platte ebenfalls poliert und ebenfalls von Kratzern verunstaltet. Sogar kleinen Brandflecken waren hier und da im Holz auszumachen.
Eine schmucklose Schreiblampe zeigte sich mittels Schrauben mit dem Tisch verbunden. Zwei einfache Stühle rundeten die spartanische Einrichtung ab. Auf einen dieser Stühle wurde nun Hoyt Calder gesetzt und ma zog ihm den Sack vom Kopf. Der stämmige Soldat, der diesen Vorgang durchgeführt und ihn wohl seit dem Verlassen der Haftanlage als Blindenhund gedient hatte, verschloss die Tür von innen und nahm neben ihr Aufstellung. Vorher hatte er Hoyt jedoch noch von seinen Handschellen befreit.
Verzeihen sie die Behandlung, Vorschriften sind Vorschriften.
Aber das muss ich ihnen ja kaum sagen. Der Mann, der dies verlautbaren ließ, während Hoyt noch die blende Helligkeit wegblinzelte, saß vor ihm. Getrennt wurden sie durch den Tischveteranen.
Sein Gegenüber mochte fünfunddreißig Jahre zählen. Er war nicht sehr groß, soweit das im Sitzen zu beurteilen war. Eine korrekte Frisur, kurz geschnitten, nach der aktuellen Haarmode in Truzt. Gepflegte, kleine Zähne, ein wenig unsymmetrisch vielleicht, aber nicht ansatzweise so sehr, dass es auffallen würde. Überhaupt war dieser Mensch ausnehmend unauffällig. Weder so hässlich, noch so attraktiv, dass man ihm auf der Straße auch nur mehr als eines Blickes gewürdigt hätte. Lediglich die Falten um seine Augen stellten eine minimale Ausnahme dar. Möglicherweise Lachfalten, oder ein Leben unter einer sengenden Sonne, oder aber das misstrauische Zusammenkneifen als oft probierte Übung. Eine weitere Allerweltseigenschaft viel nur dadurch ins Gewicht, dass Hoyt seit vier Tagen nur Uniformierte zu Gesicht bekommen hatte. Dieser hier war in einen preiswert wirkenden, wenn auch perfekt sitzenden, braunen Anzug gekleidet.
Wie dem auch sein mochte, seine Stimme jedenfalls war angenehm und klang nicht im geringsten bedrohlich. Ein klein wenig genervt höchstens. Wie etwa bei einem Postbeamten, der eine leidige Sache schnell, aber zur Zufriedenheit aller aus der Welt schaffen wollte.
Zigarette?
Ein ungeöffnetes Päckchen wurde zum Vorschein gebracht und aus dem Packpapier gewickelt, in denen man sie in diesen Breiten am Kiosk bekam. Auf der Schachtel war eine Unterwasserlandschaft mit üppiger Flora und Fauna abgebildet, durchbrochen vom Wort „Brise“.
Ich jedenfalls brauche ein, zur Entspannung. Zur Auflockerung so zu sagen. Immerhin haben wir einiges zu bereden, Sie und Ich.
Sein ungewollter Gastgeber klopfte sich einen der Glühstängel heraus und entzündete ihn mit einem Schwefelhölzchen. Die Zigaretten waren in grünliches Papier gewickelt und auch die Füllung war von einem satten Grün. Offensichtlich Seetang. Der Geruch war jedoch nicht unangenehm, schwer und würzig breitete er sich im Raum aus.
Der Anzugträger holte einen Aschenbecher hervor, scheinbar war auf seiner Seite des Tisches eine oder mehrere Schubladen angebracht. Das Gefäß aus leichtem Blech wurde zusammen mit der Schachtel und dem Zündholzbriefchen soweit nach vorn geschoben, dass der PVSler alles bequem erreichen konnte.
Nur zu... keine Scheu. Er wandte den Blick ab, als sei es ihm völlig gleichgültig, was der andere tat. Seine volle Aufmerksamkeit galt der Aktenmappe aus Pappe, die ebenfalls aus den Untiefen der Schubladen auftauchte. Er klappte sie auf, und überflog lediglich das erste Blatte. Dann richtete er das Dokument mit übertriebener Sorgfalt so aus, dass die Akte absolut gerade zur Tischkante lag. Nachdem er es zu frieden war, sah er mit einem schrägen Lächeln auf, ein Mundwinkel über die Maßen hochgezogen, der andere nur eine Andeutung von Erheiterung.
Also Herr Calder, ich darf mich kurz vorstellen.
Mein Name ist Hans Müller, von der Abteilung für innere Abwehr. Das ließ er kurz wirken, als würde es dem Sentinel- Piloten etwas sagen müssen oder als wäre er etwas begriffsstutzig.
Sie bedürfen hingegen keinerlei Vorstellung, immerhin sind sie fast so etwas wie eine kleine Berühmtheit.
Sie und ihr Sentinel, versteht sich. Er stieß Rauch durch dich Nase aus und beugte sich gespielt verschwörerisch vor. Dabei immer noch gutmütig lächelnd. Wissen sie, wie die Horninger sie nennen?
Das Läufer- Monster!
Ziemlich melodramatisch, ich weiß, aber irgendwie hat das doch auch... Er rieb mit dem Daumen über die Kuppen von Zeige und Mittelfinger, als würde dies seine fehlenden Worte erklären. Un certain je ne sais quoi... würde man in der alten Mundart sagen. Aber psssst... Versiegelnd legte sich sein Zeigefinger auf die Lippen. Ist in öffentlichen Gebäuden verboten.
Tjaja so sind sie, die Küstenbewohner.
Ein einfaches Völkchen. Arm im Geiste, aber stark in Glauben und Körperbau.
Auf der anderen Seite haben sie zwanzig ihrer Männer mit der Maschinenkanone erledigt. Eine beeindruckende Bilanz, auch wenn es abzüglich der allgemeinen Übertreibungen dieses Menschenschlages vermutlich nur ein Dutzend waren.
Immerhin hat sich irgendein lokaler Anführer persönlich um ihre gute Behandlung bemüht. Nicht übel, wo sie doch seine Männer wie Schweine abgeschlachtet haben.
Ganz allein waren sie...
weit vorn...
die anderen ihrer Einheit irgendwo hinter sich...
Ich bewundere solchen...solchen Mut?
Nein das beschreibt es eigentlich nicht.
Für Mut hätten die die sie erschossen haben wohl auch in gepanzerten Maschinen sitzen müssen, anstatt ungeschützt auf freiem Feld herumzustolpern und sich massakrieren zu lassen.
Nein, nein... nicht Mut ist es, denn ich anerkenne.
Mutig sein kein jeder Dorftrottel.
Ich bewundere viel mehr ihre Entschlusskraft. Ihre Bereitschaft das zu tun, was getan werden muss.
Das imponiert mir wirklich, mein Lieber. Er ließ dies im Raum stehen und lehnte sich wieder etwas mehr zurück, sein Augenmerk nun auf die Akte richtend. Eine Minute ungefähr blieb es still, während die Augen Müllers über die Zeilen huschten. Von Praxos... er stürzte kurz die Lippen, was wohl so viel wie „noch nie gehört“ aussagen sollte und lass halblaut weiter.
Große Lücke in der Vergangenheit, vermutete Söldneraktivität. Bei medizinische Untersuchung fallen Narben auf Rücken und Hintereil auf. Vielleicht durch Auspeitschen, Rutenlauf oder andere disziplinarische Maßnahmen. Dienst in Militäreinheit unbestimmter Art vermutet. Dienstantritt bei der PVS, hervorragende Kenntnisse im Bereich motorisierte Kräfte...
Natürlich!
Und dann ziemlich bald nach Horning versetzt.
Nichts Genaues über ihre Tätigkeiten während des Feldzuges.
Erste Meldung ihres Sentinels bei einem Angriff durch die Horningerkräfte eines Verzögerungstrupps.
Dann ihr heldenhaftes, letztes Gefecht. Gefangennahme durch Staatstruppen und medizinische Versorgung. Er blickte auf und betrachtete die Klammerpflaster und frisch genähten Verletzungen auf dem, inzwischen kahl rasierten Schädel des Gefangenen. Der Arzt meint sie werden keine bleibenden Schäden davon tragen.
Dem Arm geht es auch wieder besser? Schön schön...
Müller schob die Akte ein paar Zentimeter von sich und legte die Fingerspitzen zu einem Zelt zusammen.
Nun Herr Calder soweit so gut.
Sie sind ein Kämpfer, wie ersichtlich wurde. Ein einsamer Wolf, wenn man so will. Suchen ihre Opfer weit vor den eigenen Linien.
Das sie für Gohmor kämpfen ist dabei scheinbar nur dem Umstand geschuldet, dass sie dort unseren schönen Planeten betreten haben. Sie konnte nicht ahnen welche Bedingungen auf Koron herrschen, mussten davon ausgehen, dass alles so geschieht wie es dem Imperium wohlgefällig ist.
Nur leider ist dem ganz und gar nicht so.
Die Adelsbande in der Hauptstadt missbraucht sie und ihre Kameraden als Erfüllungsgehilfen, nun das es Truzt gewagt hat mit ausgestreckter Hand auf die Wahrheit zu deuten. Die Regierung in Gohmor ist nur darauf bedacht die eigenen Pfründe abzuschöpfen, immer fetter und reicher zu werden, während das Volk zusehends verarmt.
Sie liberalisieren die Mutantengesetze, warum?
Um diesen Aussätzigen mehr Rechte einzuräumen, um ihnen ihr Dasein zu erleichtern?
Ganz sicher nicht.
Sie sind billigere Arbeitskräfte als gesunde Menschen. Dass ist alles.
Dieser verdrehten Kreaturen stehen in den Fabriken am Fließband, bauen die Munition für ihre und ihrer Kameraden Waffen, während die Slums um die Hauptstadt immer größer werden.
Haben sie sich dafür zur Armee gemeldet Herr Calder?
Als Truzt diese Zustände anprangerte, auch darauf hinwies, dass das Wahlsystem des Gouverners nicht gerecht sei, da haben sie unseren Botschafter ermorden lassen. Dann folgten Sanktionen um uns auszuhungern und schließlich hetzten sie sogar ihre Bürger auf uns, wie geifernde Hunde. Sie haben die Pilger gesehen. Es gibt unter ihnen viele redliche Menschen, deren Glaube schlicht und einfach ausgenutzt wurde. Aber wie viel Abschaum ist ebenfalls dabei? Mäuler die in Gohmor nicht mehr gestopft werden müssen und die herkommen um meine Heimat zu plündern. Sind das die Menschen die sie unterstützen wollen, zu denen sie sich zählen? Ist das die Armee in der sie dienen wollen?
In Truzt sind wir weiter. Was wir wollen ist eine planetare Regierung, bei der jeder Mensch durch gewählte Vertreter ein Mitsprachrecht über die Führung hat.
Und das ist alles.
Wir wollen Koron nicht regieren, wollen Gohmor nicht erobern oder vernichten. Gerechtigkeit... darum geht es!
So sieht es aus, Herr Calder.
Nun habe ich sie natürlich nicht herbringen lassen, um ihn meine Ansichten zu unterbreiten... jedenfalls nicht ausschließlich.
Was mich interessiert ist vielmehr, wie sie zu diesen Dingen stehen. Man betrachtet sie "nur"... er machte mit den Fingern Anführungszeichen in der Luft, als Soldaten. Ein Automat, der eine andere Maschine steuert, der eine Waffe ist. Aber natürlich sind sie ein denkendes, fühlendes Wesen und machen sich ihre Gedanken.
Lassen sie mich bitte an diesen Gedanken teilhaben.
Den Raum hatte man mehr als gründlich geputzt, das stimmte wohl und dennoch haftete ihm etwas Schmutziges an.
Der Boden war mit, auf Hochglanz gebohnerten, grünem Linoleum ausgelegt, in welchem unachtsam verrückte Stühle und unzählige Schuhsolen Dellen aller Art hinterlassen hatten. Die Wände bedeckte eine Art gelblicher Tapete, die im Licht der zwei kalten Neonröhren leicht glänze. Ein Eindruck der ihr einen schleimigen Charakter verlieh, auch wenn es wohl eher darauf zurückzuführen sein würde, dass sie abwaschbar war. Dennoch hatten sich an einigen Stellen braune Flecken festgesetzt, dem Putzkommando hartnäckig Widerstand leistend.
Für die widerspenstigen Rückstände mochte es allerhand Erklärungen geben, aber ausgerechnet die unangenehmsten pflegten die zu sein, die einem Betrachter an diesem Ort ins Hirn krochen.
Ein Fenster gab es nicht.
Dafür einen einfachen Tisch, dessen Platte ebenfalls poliert und ebenfalls von Kratzern verunstaltet. Sogar kleinen Brandflecken waren hier und da im Holz auszumachen.
Eine schmucklose Schreiblampe zeigte sich mittels Schrauben mit dem Tisch verbunden. Zwei einfache Stühle rundeten die spartanische Einrichtung ab. Auf einen dieser Stühle wurde nun Hoyt Calder gesetzt und ma zog ihm den Sack vom Kopf. Der stämmige Soldat, der diesen Vorgang durchgeführt und ihn wohl seit dem Verlassen der Haftanlage als Blindenhund gedient hatte, verschloss die Tür von innen und nahm neben ihr Aufstellung. Vorher hatte er Hoyt jedoch noch von seinen Handschellen befreit.
Verzeihen sie die Behandlung, Vorschriften sind Vorschriften.
Aber das muss ich ihnen ja kaum sagen. Der Mann, der dies verlautbaren ließ, während Hoyt noch die blende Helligkeit wegblinzelte, saß vor ihm. Getrennt wurden sie durch den Tischveteranen.
Sein Gegenüber mochte fünfunddreißig Jahre zählen. Er war nicht sehr groß, soweit das im Sitzen zu beurteilen war. Eine korrekte Frisur, kurz geschnitten, nach der aktuellen Haarmode in Truzt. Gepflegte, kleine Zähne, ein wenig unsymmetrisch vielleicht, aber nicht ansatzweise so sehr, dass es auffallen würde. Überhaupt war dieser Mensch ausnehmend unauffällig. Weder so hässlich, noch so attraktiv, dass man ihm auf der Straße auch nur mehr als eines Blickes gewürdigt hätte. Lediglich die Falten um seine Augen stellten eine minimale Ausnahme dar. Möglicherweise Lachfalten, oder ein Leben unter einer sengenden Sonne, oder aber das misstrauische Zusammenkneifen als oft probierte Übung. Eine weitere Allerweltseigenschaft viel nur dadurch ins Gewicht, dass Hoyt seit vier Tagen nur Uniformierte zu Gesicht bekommen hatte. Dieser hier war in einen preiswert wirkenden, wenn auch perfekt sitzenden, braunen Anzug gekleidet.
Wie dem auch sein mochte, seine Stimme jedenfalls war angenehm und klang nicht im geringsten bedrohlich. Ein klein wenig genervt höchstens. Wie etwa bei einem Postbeamten, der eine leidige Sache schnell, aber zur Zufriedenheit aller aus der Welt schaffen wollte.
Zigarette?
Ein ungeöffnetes Päckchen wurde zum Vorschein gebracht und aus dem Packpapier gewickelt, in denen man sie in diesen Breiten am Kiosk bekam. Auf der Schachtel war eine Unterwasserlandschaft mit üppiger Flora und Fauna abgebildet, durchbrochen vom Wort „Brise“.
Ich jedenfalls brauche ein, zur Entspannung. Zur Auflockerung so zu sagen. Immerhin haben wir einiges zu bereden, Sie und Ich.
Sein ungewollter Gastgeber klopfte sich einen der Glühstängel heraus und entzündete ihn mit einem Schwefelhölzchen. Die Zigaretten waren in grünliches Papier gewickelt und auch die Füllung war von einem satten Grün. Offensichtlich Seetang. Der Geruch war jedoch nicht unangenehm, schwer und würzig breitete er sich im Raum aus.
Der Anzugträger holte einen Aschenbecher hervor, scheinbar war auf seiner Seite des Tisches eine oder mehrere Schubladen angebracht. Das Gefäß aus leichtem Blech wurde zusammen mit der Schachtel und dem Zündholzbriefchen soweit nach vorn geschoben, dass der PVSler alles bequem erreichen konnte.
Nur zu... keine Scheu. Er wandte den Blick ab, als sei es ihm völlig gleichgültig, was der andere tat. Seine volle Aufmerksamkeit galt der Aktenmappe aus Pappe, die ebenfalls aus den Untiefen der Schubladen auftauchte. Er klappte sie auf, und überflog lediglich das erste Blatte. Dann richtete er das Dokument mit übertriebener Sorgfalt so aus, dass die Akte absolut gerade zur Tischkante lag. Nachdem er es zu frieden war, sah er mit einem schrägen Lächeln auf, ein Mundwinkel über die Maßen hochgezogen, der andere nur eine Andeutung von Erheiterung.
Also Herr Calder, ich darf mich kurz vorstellen.
Mein Name ist Hans Müller, von der Abteilung für innere Abwehr. Das ließ er kurz wirken, als würde es dem Sentinel- Piloten etwas sagen müssen oder als wäre er etwas begriffsstutzig.
Sie bedürfen hingegen keinerlei Vorstellung, immerhin sind sie fast so etwas wie eine kleine Berühmtheit.
Sie und ihr Sentinel, versteht sich. Er stieß Rauch durch dich Nase aus und beugte sich gespielt verschwörerisch vor. Dabei immer noch gutmütig lächelnd. Wissen sie, wie die Horninger sie nennen?
Das Läufer- Monster!
Ziemlich melodramatisch, ich weiß, aber irgendwie hat das doch auch... Er rieb mit dem Daumen über die Kuppen von Zeige und Mittelfinger, als würde dies seine fehlenden Worte erklären. Un certain je ne sais quoi... würde man in der alten Mundart sagen. Aber psssst... Versiegelnd legte sich sein Zeigefinger auf die Lippen. Ist in öffentlichen Gebäuden verboten.
Tjaja so sind sie, die Küstenbewohner.
Ein einfaches Völkchen. Arm im Geiste, aber stark in Glauben und Körperbau.
Auf der anderen Seite haben sie zwanzig ihrer Männer mit der Maschinenkanone erledigt. Eine beeindruckende Bilanz, auch wenn es abzüglich der allgemeinen Übertreibungen dieses Menschenschlages vermutlich nur ein Dutzend waren.
Immerhin hat sich irgendein lokaler Anführer persönlich um ihre gute Behandlung bemüht. Nicht übel, wo sie doch seine Männer wie Schweine abgeschlachtet haben.
Ganz allein waren sie...
weit vorn...
die anderen ihrer Einheit irgendwo hinter sich...
Ich bewundere solchen...solchen Mut?
Nein das beschreibt es eigentlich nicht.
Für Mut hätten die die sie erschossen haben wohl auch in gepanzerten Maschinen sitzen müssen, anstatt ungeschützt auf freiem Feld herumzustolpern und sich massakrieren zu lassen.
Nein, nein... nicht Mut ist es, denn ich anerkenne.
Mutig sein kein jeder Dorftrottel.
Ich bewundere viel mehr ihre Entschlusskraft. Ihre Bereitschaft das zu tun, was getan werden muss.
Das imponiert mir wirklich, mein Lieber. Er ließ dies im Raum stehen und lehnte sich wieder etwas mehr zurück, sein Augenmerk nun auf die Akte richtend. Eine Minute ungefähr blieb es still, während die Augen Müllers über die Zeilen huschten. Von Praxos... er stürzte kurz die Lippen, was wohl so viel wie „noch nie gehört“ aussagen sollte und lass halblaut weiter.
Große Lücke in der Vergangenheit, vermutete Söldneraktivität. Bei medizinische Untersuchung fallen Narben auf Rücken und Hintereil auf. Vielleicht durch Auspeitschen, Rutenlauf oder andere disziplinarische Maßnahmen. Dienst in Militäreinheit unbestimmter Art vermutet. Dienstantritt bei der PVS, hervorragende Kenntnisse im Bereich motorisierte Kräfte...
Natürlich!
Und dann ziemlich bald nach Horning versetzt.
Nichts Genaues über ihre Tätigkeiten während des Feldzuges.
Erste Meldung ihres Sentinels bei einem Angriff durch die Horningerkräfte eines Verzögerungstrupps.
Dann ihr heldenhaftes, letztes Gefecht. Gefangennahme durch Staatstruppen und medizinische Versorgung. Er blickte auf und betrachtete die Klammerpflaster und frisch genähten Verletzungen auf dem, inzwischen kahl rasierten Schädel des Gefangenen. Der Arzt meint sie werden keine bleibenden Schäden davon tragen.
Dem Arm geht es auch wieder besser? Schön schön...
Müller schob die Akte ein paar Zentimeter von sich und legte die Fingerspitzen zu einem Zelt zusammen.
Nun Herr Calder soweit so gut.
Sie sind ein Kämpfer, wie ersichtlich wurde. Ein einsamer Wolf, wenn man so will. Suchen ihre Opfer weit vor den eigenen Linien.
Das sie für Gohmor kämpfen ist dabei scheinbar nur dem Umstand geschuldet, dass sie dort unseren schönen Planeten betreten haben. Sie konnte nicht ahnen welche Bedingungen auf Koron herrschen, mussten davon ausgehen, dass alles so geschieht wie es dem Imperium wohlgefällig ist.
Nur leider ist dem ganz und gar nicht so.
Die Adelsbande in der Hauptstadt missbraucht sie und ihre Kameraden als Erfüllungsgehilfen, nun das es Truzt gewagt hat mit ausgestreckter Hand auf die Wahrheit zu deuten. Die Regierung in Gohmor ist nur darauf bedacht die eigenen Pfründe abzuschöpfen, immer fetter und reicher zu werden, während das Volk zusehends verarmt.
Sie liberalisieren die Mutantengesetze, warum?
Um diesen Aussätzigen mehr Rechte einzuräumen, um ihnen ihr Dasein zu erleichtern?
Ganz sicher nicht.
Sie sind billigere Arbeitskräfte als gesunde Menschen. Dass ist alles.
Dieser verdrehten Kreaturen stehen in den Fabriken am Fließband, bauen die Munition für ihre und ihrer Kameraden Waffen, während die Slums um die Hauptstadt immer größer werden.
Haben sie sich dafür zur Armee gemeldet Herr Calder?
Als Truzt diese Zustände anprangerte, auch darauf hinwies, dass das Wahlsystem des Gouverners nicht gerecht sei, da haben sie unseren Botschafter ermorden lassen. Dann folgten Sanktionen um uns auszuhungern und schließlich hetzten sie sogar ihre Bürger auf uns, wie geifernde Hunde. Sie haben die Pilger gesehen. Es gibt unter ihnen viele redliche Menschen, deren Glaube schlicht und einfach ausgenutzt wurde. Aber wie viel Abschaum ist ebenfalls dabei? Mäuler die in Gohmor nicht mehr gestopft werden müssen und die herkommen um meine Heimat zu plündern. Sind das die Menschen die sie unterstützen wollen, zu denen sie sich zählen? Ist das die Armee in der sie dienen wollen?
In Truzt sind wir weiter. Was wir wollen ist eine planetare Regierung, bei der jeder Mensch durch gewählte Vertreter ein Mitsprachrecht über die Führung hat.
Und das ist alles.
Wir wollen Koron nicht regieren, wollen Gohmor nicht erobern oder vernichten. Gerechtigkeit... darum geht es!
So sieht es aus, Herr Calder.
Nun habe ich sie natürlich nicht herbringen lassen, um ihn meine Ansichten zu unterbreiten... jedenfalls nicht ausschließlich.
Was mich interessiert ist vielmehr, wie sie zu diesen Dingen stehen. Man betrachtet sie "nur"... er machte mit den Fingern Anführungszeichen in der Luft, als Soldaten. Ein Automat, der eine andere Maschine steuert, der eine Waffe ist. Aber natürlich sind sie ein denkendes, fühlendes Wesen und machen sich ihre Gedanken.
Lassen sie mich bitte an diesen Gedanken teilhaben.