09-29-2013, 06:02 PM
[CENTER]UNTERNEHMEN DÄMMERUNG![/CENTER]
3:30 Ortszeit Dammstadt Hohenwall
Gähnend lenkte Freias den LKW in eine weitere der engen, von Natriumdampflampen erhellten, Seitengassen.
So eng wie hier die Straßen waren, waren zuhause in Gohmor nicht einmal die Radwege.
Er beugte sich vor, was durch seine starre Brustpanzerung nicht eben einfach war und rieb die Eisblumen an der Innenseite der Frontscheibe weg. Diese dämliche Heizung brachte gar nichts, abgesehen von unerträglichem Lärm. Ein Umstand der Barkland nicht sonderlich zu stören schien. Der Obergefreite schnarchte neben ihm, den Helm über die Augen geschoben.
Eigentlich war der Beifahrer verpflichtet wach zubleiben, doch Barkland hatte Ungemütlichkeit und Kraft zu selben Teilen abbekommen und würde ihm Feuer unterm Hintern machen, sollte er ihn wecken.
In den Seitenspiegeln flammten die Scheinwerfer des nachfolgenden Lasters auf und blendeten ihn einen Augenblick. Freias blickte auf die Uhr. Halb vier... noch ewig bis zum Sonnenaufgang. Noch ewig bis sie im Lager waren und noch ewig bis ein heißer Kaffee seine durchgefrorenen Knochen aufwärmen würde. Er hasste Horning. Dieses nasse, kalte, Scheißland, mit seinen unfreundlichen Bewohnern und hässlichen Weibern. Außerdem hasste er den Himmel. Er war in Gohmor aufgewachsen und brauchte eine solide Stahldecke über dem Kopf. Hatte ja keiner ahnen können, dass sein gemütlicher Posten in der Logistikkompanie 209 ihn an diesen verdammten Ort führen würde. Jetzt war er hier, bekam Frostbeulen und musste sich mit Barkland rumärgern.
Naja, wenigstens war ihm die Front erspart geblieben. Sie schafften Vorräte aus den befriedeten Dammstädten fort, um sie an die Kämpfer an der Front zu verteilen. Das hatte sein Vorteile, denn so konnte man sich noch einen Schekel nebenbei verdienen. Viele Fabrikbesitzer zahlten gut, wenn man ein paar Waren da ließ.
Der Wagen vor ihm bremste und riss den Obergefreiten aus seinen Gedanken. Er selber stieg auf das Pedal und quietschend kam sein LKW zu Stehen. Barkland schob seinen Helm mit dem Daumen nach oben.
Wasn los? Brummte er.
Keine Ahnung... Schröder hat gestoppt.
Er kurbelte das Fenster herunter und steckte den Kopf heraus.
Wieso geht’s nicht weiter da? Hinter ihm kam der Rest den Konvois zum Halten, während vorn die Tür aufging und Schröder heraustrat. Der untersetzte kleine PVSler blickte in seine Richtung und hob dann die Hände in einer Geste des Nichtwissens. Er ging nach vorn und war aus dem Lichtkegel des LKWs verschwunden.
Schau mal nach!
Freias widerstrebte es in die Kälte zu gehen, zumal es eigentlich gegen die Vorschrift war, solang es ihm niemand direkt befahl. Andererseits hatte Barklands Ton mal wieder keinen Widerspruch zugelassen und er war immerhin HG.
Also kletterte er aus dem Führerhaus und griff sich sein Gewehr, bevor ein Sprung ihn auf dem Kopfsteinpflaster aufkommen ließ. Sofort biss ihm die Kälte in die Haut.
Zu sehen war nicht viel.
Links und rechts erstreckten sich lichtlose Häuserfronten. Dreistöckig und dicht an dicht. Den Gedanken an Leute, die in warmen Betten schlummerten, wollte er gar nicht weiter verfolgen. Die fünf LKWs tuckerten im Leerlauf und ihre Abgaswolken kräuselten sich in der schneidenden Nachtluft. Von hinten brüllte jemand warum es nicht weiter ginge. Freias ahmte Schöders Geste nach und ging dann nach vorn. Als er das Heck des anderen LKWs erreicht hatte kam sein Kamerad gerade wieder.
Schröder, was ist los? Panne?
Ne da steht irgendeine Karre quer. Der Feldwebel wäre fast draufgekracht. Die schauen gerade ob sie ihn wegschieben können, ansonsten müssen wir rückwärts raus und wo anders la...
Ein dumpfer Knall erklang vom hinteren Ende der Kolonne. Hohl und eigentlich nicht sonderlich laut. Dann noch einer und dieses Mal mischten sich Schreie in den Ton. Schmerzensschreie.
Scheiße, das ist ein verfickter Hinterhalt. Schröder rannte zu seinem Laster, während Freias noch verwirrt dastand und versuchte gegen das Scheinwerferlicht der hinteren Wagen etwas zu erkennen.
Hinterhalt? Blödsinn... die Ausbildung war doch schon ewig her.
Diese Überlegungen waren nicht wirklich schlüssig, doch das Erfassen der Situation bahnte sich nur langsam seinen Weg. Über ihm klirrte Glas und noch ehe die Scherben um ihn herum zu Boden gingen, ratterte eine Waffe los. Andere schlossen sich an, Laserwaffen zischten, Einzelfeuer vermischte sich mit automatischen Salven. Er blickte zu seinem Laser und musste mit ansehen wie Die Kabine regelrecht zersiebt wurde. Ihm stand mit gestochener Schärfe vor Augen wie ein großes Loch auf Barklands Stirn entstand, aus dem ein träger Blutstropfen quoll. Dann zappelte er nur noch wie eine Puppe unter den Einschlägen. Eine Kugel traf Freias auf die Brust und prallte heulend von der Panzerung ab. Er blickte nach oben und wo eben noch dunkle Fenster gewesen waren, blitzten jetzt Mündungsfeuer auf. Gesichter, bleich und ausdruckslos kamen sie ihm vor, waren hinter diesen infernalischen Blitzen auszumachen. Umständlich brachte er sein Zwo-Einer hoch und gab eine Salve auf die Fenster ab. Das zwang ein paar der Angreifer in Deckung und verschaffte ihm vielleicht ein paar Sekunden.
Von der anderen Seite, also direkt über ihm, bellte ein Maschinengewehr los. Es beharkte den LKW vor ihm, ließ Scheiben zersplittern, Reifen platzen und zerfetzte die Plane. Was mit Schröder war, den er gut leiden konnte, war nicht zu erkennen. Freias glaubte zwar auch Gegenfeuer zu hören, doch es klang kläglich machtlos.
Die Straße runter, nach hinten hin, brannte es, vermutlich der letzte Wagen. Ein PVSler schleppte sich auf dem Bauch über das Pflaster und wurde dann buchstäblich niedergemäht. Er bäumte sich noch einmal auf, wie um einen Liegestütz zu machen und blieb reglos liegen.
Das war zu viel für Freias. Darauf hatte ihn niemand vorbereitet. Die Nerven gingen mit ihm durch. Er ließ sein Gewehr fallen und wandte sich zur Flucht. Nur war da kein Weg. Vorwärts oder Rückwärts, reine Todeszonen. Er lief zur nächsten Haustür, rüttelte daran... doch sie war fest verschlossen. Ein paar Meter weiter versuchte er es bei der nächsten, trat sogar dagegen. Nichts. Kugeln schwirrten wie wütende Insekten um ihn herum.
Dann entdeckte er ein schwarzes Viereck und stürzte sich kopfüber hinein. Es entpuppte sich als schmaler Durchgang zu einem Hinterhof. Während hinter ihm seine Kameraden starben, hastete er durch den schmutzigen Hohlweg und erreichte schließlich den Hof. Die Schüsse und Schreie klangen jetzt unnatürlich verzerrt und dadurch noch schrecklicher.
Voller Entsetzen blickte er sich auf der dunklen Fläche um. Schäbigen Arbeiterbehausungen, Fenster und Wände die näher und näher zu rücken schienen. Dann erspähte er hinter einem der Scheiben ein schwaches Licht. Eine Kerze oder ein Ofenfeuer. Aber Leute... Leute die ihn verstecken konnten vor diesen Wilden. Wie von Sinnen stürzte er auf die Tür, welche zu der Wohnung gehören musste. Er hämmerte dagegen, Tränen liefen ihm über die Wangen ohne das er es bemerkte.
Hilfe, macht doch auf, bei der Gnade Terras... ich flehe euch an, sie bringen alle um.
Es war vergebens. Niemand würde ihm öffnen. Das Schießen nahm bereits ab. Sie würden ihn finden, abschätzen wieviele Soldaten in den LKWs waren und dann nach ihm suchen. Würden sie es kurz machen? Ihn foltern? Ihn vielleicht sogar...
Die Tür wurde geöffnet. Ein bärtiger Mann in einfacher Kleidung blickte ihn misstrauisch an.
Freias hatte keine Zeit für lange Begrüßungen. Er drückte die Tür auf und stolperte in die Wohnung. Ein kurzer Flur, dahinter direkt die Wohnstube. Tatsächlich war das Licht von einer Kerze gekommen. Darum hockten drei Kinder und eine Frau, offensichtlich durch sein Eindringen im Gebet gestört.
Ein Hinterhalt! japste er. Alle umgebracht, sie haben einfach alle aus dem Hinterhalt erschoss. Ich muss... muss. Der Obergefreite lief zum Fenster und späte an der Gardine vorbei ins Dunkel. Noch war niemand zu sehen der in Richtung Hinterhof kam. Macht das Licht aus. Ich verstecke mich ein paar Stunden hier und versuche mich dann zum Lager durchzuschlagen. Vielleicht kann ich...
Etwas kaltes lief von hinten über seinen Hals, dann wurde es plötzlich warm. Freias griff sich an die Kehle, klebrig sickerte es zwischen seinen Fingern hindurch. Absolute Verwirrung stand auf seinem Gesicht. Er wollte etwas sagen, aber er konnte nicht sprechen, nicht atmen. Es war als würde er ertrinken. Röchelnd sackte er an der Wand herunter, blickte zu dem Mann auf, der jetzt ein einfaches Küchenmesser in der Hand hielt. Sein Blick verschleierte sich bereits.
Die Frau hielt ihren Kindern nicht die Augen zu, drückte sie nicht schützend an sich. Sie sollten sehen was mit Eindringlingen in Horning geschah.
3:32 Ortszeit Schwarze See, ca. 30 km vor Hori
Seerohrtiere erreicht, Seemeister
Periskop ausfahren.
Periskop wird ausgefahren.
Seemeister Holmborn drehte seine Schirmmütze nach hinten und legte die Augen an die Sichtmulden. Die Ränder des Okulars waren von Algenbewuchs eingerahmt, der sich auch den hartnäckigsten Putzversuchen entzog. Die See war stürmisch und immer wieder nahmen ihm Wellen für einige Sekunden die Sicht. Doch Holmborn war darüber nicht ärgerlich. Das Meer war ihr Verbündeter und auch jetzt schützte des den Jäger vor Entdeckung durch die Beute.
Er drehte das Gerät ein paar Grad.
Da waren waren sie.
Es mussten zehn Schiffe sein. Vielleicht sogar mehr. In einer Gefechtssituation hätte er das an schwer erkennbaren Silhouetten und Rauchfahnen ausmachen müssen. Doch hier war es gar nicht nötig. Die meisten der Schiffe waren beleuchtet. Ja er konnte sogar mehrere offene Feuer an Deck erkennen.
Pilgerschiffe!
Doch für sie interessiere er sich nur am Rande. Sie waren leichte Beute und bedurften keiner großen Vorsicht. Er nahm sich die Zeit sie in Ruhe durch zuzählen. Es waren zwölf. Das dreizehnte Schiff war es, welches seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es fuhr ohne Festtagesbeleuchtung und in einigem Abstand zu den anderen. Ein Begleitschiff. Ziemlich groß, ein Zerstörer, wie es aussah. Nur ein einziger als Begleitung. Das war entweder Fahrlässig, arrogant oder aus der Not geboren. Wie dem auch sei, das Resultat würde das gleiche bleiben.
Seemeister, Kommandostelle meldet Angriffserlaubnis. Wiederhole, Angriffserlaubnis!
Verstanden! Holmborn nahm die Augen nicht vom Periskop.
Neuer Kurs, bei sieben, sieben Steuerbord.
Die Frau am Ruder bestätigte knapp.
Rohr Eins bis Sechs klar machen für Schuss unter Wasserlinie!
Rohre werden bewässert!
Beide Maschinen halbe Kraft voraus, Kurs beibehalten.
Der stahlblaue Körper der Beißer II schnitt knapp unter der Oberfläche durch das aufgewühlte Wasser. Sein Ziel war der Pilgerzug, welchen die Schiffsbücher der PVS- Seestreitkräfte unter K-78 führten. Andere Unterseebote suchten sich in diesem Moment ihre eigenen Ziele, überall entlang der Küste.
Entfernung 3000, Vorhalte 20!
Eingestellt!
Doppelschuss auf erstes Ziel.
Rohr Eins und Zwei synchronisiert.
Der Rest Einzelschüsse!
Es folgten weitere Zielangaben und schnelle Bestätigungen.
Alle Rohre aufschalten!
Steuerbord, Sechs, Sechs, halbe Fahrt voraus! Mündungsklappen öffnen.
Mündungsklappen offen!
Der Zerstörer kroch langsam an den Strichmarken des Periskop entlang, bis er in dem gewünschten Bereich war.
Rohr eins und zwei Feuer!
Abgefeuert!
Kurs anpassen, nächstes Ziel aufschalten.
3:34 Ortszeit Schwarze See, ca. 30 km vor Horings Küste.
Der Zerstörer mit dem bezeichnenden Namen Gohmor wurde zwei mal, mittschiffs getroffen.
Der erste Torpedo wurde von den Fangnetzen weitgehend neutralisiert. Dieses Stahlgeflecht hin links und rechts des Schiffskörpers herunter und sollte dafür sorgen, dass Torpedos an ihm detonierten und ihre tödliche Kraft vor der Bordwand verpuffte. Bei dem ersten Geschoss ging dies auch auf. Die Explosion ließ die Gohmor erben, als würde sie von einem wütenden Riesen getreten. Besatzung und Ausrüstung wirbelten durcheinander. Alarmglocken schrillten und der Rumpf ächzte gequält. Bei dem zweiten Torpedo versagte das Netz, jedenfalls teilweise.
Er durchschlug die Maschen, verkeilte sich aber so, dass er von seiner direkten Bahn abgebracht wurde und seitlich gegen die Gohmor schlug. Ein Umstand, der das Schiff sehr wahrscheinlich vor dem Untergang bewahrte. Dennoch reichte die ankommende Wucht, um ein Loch in den Rumpf zu reißen. Eisiges Meerwasser ergoss sich ins Innere und überflutete zwei Sektionen innerhalb von wenigen Minuten. Zwei Männer starben direkt durch den Treffer. Der Rest konnte sich retten, bevor die Sicherheitsluken sie schlossen. Die Gohmor bekam leichte Schlagseite, fuhr jedoch augenblicklich die Maschinen auf volle Kraft um ein schweres Ziel zu bieten. Der Schaden war groß, Manövrieren schwierig. Der Zerstörer hatte den Kampf mit den ersten Schlägen bereits verloren. Ihm blieb nichts anderes übrig als Meldung an die Heeresführung zu machen und die Pilgerschiffe, die über Funk verfügten, zu warnen. Was danach geschah konnte die Besatzung nur hilflos mit ansehen, während sich ihr eigenes, waidwundes Schiff auf die offene See zurückzog.
Zwischen 3: 36 und 4:10 Ortszeit Schwarze See, ca. 30 km vor Horings Küste.
Die Peter Orsius, ein ehemaliger Passagierdampfer, den findige Geschäftsleute für die einträgliche Beförderung von Pilgern wieder flottgemacht und in Dienst gestellt hatten, bekam einen Volltreffer. Der einstige Luxusliner wurde in der Mitte angehoben und brach dabei auseinander, während sich Brücke, zentrales Deck und mittlerer Schornstein in die Luft erhoben. Kurz darauf folgten weitere Explosionen im Rumpf des Giganten, als der Maschinenraum in die Luft ging. Das Schiff sank in nicht einmal fünf Minuten. Es war trotz seines Alters eines der wenigen Schiffe gewesen, deren Sicherheitsstandards akzeptabel gewesen waren. Die Besitzer hatten nicht zu der skrupellosen Sorte Menschen gehört, die Profit über das Wohl der Passagiere stellten.
Für die knapp 3000 Pilger standen über hundert Rettungsbote zur Verfügung. Nicht eines wurde zu Wasser gelassen.
Das genaue Gegenteil zur Peter Orsius war die Annabell Do. Diesem Frachter hätte kein Fuhrunternehmen auch nur seinen Müll anvertraut. Die einstige Farbe des Rumpfes war nicht einmal mehr zu erahnen, zwei der vier Maschinen funktionierten seit zwanzig Jahren nicht mehr und die Besatzung sprach derart verschiedene Dialekte des Gothischen, dass eine Kommunikation mehr mit Händen und Füßen, denn mit Worten stattfand. In den umgebauten Frachträumen fristeten etwa 1500 Pilger ihr Dasein und mussten schlechte Belüftung und katastrophale, hygienische Bedingungen erdulden. Dieser Umstand und die grassierende Seekrankheit verwandelten den Laderaum in einen stinkenden Pfuhl.
Der Torpedo traf die Annabell Do am Heck. Die Quartier der Mannschaft und Offiziere wurde sofort überflutet, auch wenn zu diesem Zeitpunkt fast niemand in den Kajüten war. Dann bahnte sich das Wasser seinen Weg in den Maschinenraum und schließlich in den Fracht-, beziehungsweise Passagierbereich. Panik brach unter den Pilgern aus. Aber der Frachter hielt den Todeskampf lange aus. Erst mutete es sogar so an, als könne das verhältnismäßig kleine Loch die Annabell Do nicht bezwingen. Doch schließlich sackte das Heck immer tiefer und der Bug begann sich aus dem Wasser zu heben. Die Pilger drängten sich an der verbleibenden Treppe nach oben und zerrten sich gegenseitig von den beiden Leitern, welche aufs Deck führten. Wer fiel, geriet unter die Fuße der Kameraden und nicht wenige ertranken im Wasser, welches zwar erst bis zu den Knien reichte, aber unter dessen Oberfläche ein Gefallener von den anderen gedrückt wurde. An Deck gab es derweil keine Rettung. In den beiden Rettungsboten saßen bereits die Mitglieder der Besatzung und der Kapitän. Später sollte er behaupten, dass er die Unglücklichen hatte retten wollen, dann aber bei einer Erschütterung des Schiffes in das Beiboot gefallen sei.
Die Zurückgelassenen fanden drei selbstaufblasende Rettungsinseln, doch diese reichten kaum für zehn Personen. Als der Winkel des Schiffes immer steiler wurde und abzusehen war, dass der Bug irgendwann abbrechen würde, sprangen die meisten Menschen in die eisigen Fluten.
Der Hochseekutter Kugelfisch war im Vergleich zu den anderen Frachtern ein Winzling. Er transportierte auch keine Pilger, sondern versprach sich davon Gewinn, die trägen Riesen bei diversen Gelegenheiten in die richtige Position zu schleppen und zu drehen. Für jeden Einsatz verlangte der Kapitän eine Entlohnung und es gab viele Einsätze. Sei es bei Abfahrt und Ankunft im Hafen, oder auf der Reise, wo unerfahrene Kommandanten ihre Fahrzeuge allzu oft gefährlich nahe an andere Schiffe heran manövrierten und weggezogen werden mussten.
Als die Menschen von der Annabell Do sprangen wendete die Kugelfisch um den Schiffbrüchigen zu Hilfe zu eilen.
Der Torpedo war nicht für den kleinen Schlepper bestimmt gewesen, doch ihre Bahn kreuzte sich auf verhängnisvolle Weise. Die Kugelfisch wurde völlig zerstört. Nach der Explosion war nichts mehr übrig, was für eine Identifizierung hätte genutzt werden können.
Besagter Torpedo war für die Umbra Queen gedacht gewesen. Der Segler war ein schlankes und schönes Schiff. Auch wenn es sich auf die Kraft des Windes verließ und völlig aus Holz bestand, war es in sehr viel besserem Zustand als die meisten anderen Mitglieder des Konvois. Auf ihm befanden sich nur vier Pilger, plus deren Leibwächter und natürlich die Besatzung. Diese Vier waren wohlhabende Männer und Frauen, die ihr Seelenheil an fremden Küsten suchten, ohne dabei auf Luxus und die Privilegien ihres Geldes verzichten zu müssen. Das Glück, welches ihnen Reichtum und ein angenehmes Leben beschert hatte, verließ sie jetzt allerdings. Der Torpedo hatte zwar die Kugelfisch an ihrer statt vernichtet, doch das rettete sie nicht. Denn ein weiteres Unterwassergeschoss hatte die K 13 am Ruder getroffen und es unbrauchbar gemacht. Der schwimmende Klotz hatte früher dazu gedient Hochseekabel zwischen Inseln und Kontinenten zu verlegt, bevor er zum Pilgerschiff geworden war. Ein Ungetüm aus vernietetem Stahl, welches die Umbra Queen seitlich mit voller Wucht traf und sie spaltete, wie eine Axt ein morsches Stück Holz gespalten hätte.
Die K 13 schrammte noch an einem weiteren Schiff vorbei, ebenfalls ein einstiger Frachter, beschädigte diesen jedoch nur gering.
Der letzte Torpedo versenkte die Kalli, einen einfaches Passagierschiff. Ihr Untergang war weniger spektakulär. Der Einschlag tötete niemand, da die ersten Detonationen die Passagiere an Deck gelockt hatten und das eindringende Wasser, die Druckwelle und herumfliegenden Rumpfstücken nur leere Kabinen verwüsteten. Das Schiff ging fast gemächlich unter, sackte langsam immer tiefer. Einige Minuten später brach unter Deck Feuer aus. Da hatte die besonnene Crew die Passagiere bereits organisiert und ohne Panik oder Hektik auf die Rettungsbote verteilt. Der Kapitän wäre das einzige Opfer geworden, wäre er auf der Brücke geblieben, so wie er es verlangt hätte. Seine Offiziere drohten ihm jedoch an, ihn an Armen und Beinen in der Rettungsboot zu schleifen, wenn er nicht freiwillig mitkäme. Der Kapitän gab sich geschlagen und so kam beim Untergang der Kalli nicht ein Mensch ums Leben.
4:00 Ortszeit Die Schwämme, Himmel über Hornings Küste.
Tür öffnen, MG Besetzen!
Die Rolltür wurde zurückgezogen und sofort brandete Lärm und Kälte ins Innere der Transportmaschine.
Der Schütze nahm seinen Platz am MG ein, während weiße Flocken in den Raum wirbelten, in dem zehn PVSler in ihren Schalensitzen hockten, die Gewehre zwischen den Beinen. Ein Soldat, im Range eines Feldwebels stand aufrecht und hielt sich mit der Linken an einem der Deckengriffe fest.
Hergehört, Leute! Wir landen in zehn Minuten im Aufmarschgebiet. Wenn wir gelandet sind, verlassen sie zügig den Transporter und sammeln sich in der Landezone. Sie werden dort von Vertretern ihrer Einheiten abgeholt und zu ihrem jeweiligen Truppenteil begleitet. Horning war bis jetzt eine ruhige Angelegenheit. Kleine Gefechte und Scharmützel. Nichts Weltbewegendes. Aber seien sie trotzdem auf der Hut. Sie haben es mit Irregulären zu tun, den Zefas und den Einheimischen. Alles Leute die nicht sehr glücklich über unsere Anwesenheit sind. Außerdem sind da noch die Pilger. Es mag auch Anständige unter ihnen geben, aber viele benehmen sich wie die Axt im Walde. Also sein sie besonnen. Noch Fragen?
Der Soldat neben Finley hob die Hand?
Ja?
Herr Feldwebels! Wird es noch kälter werden, als jetzt?
Einige der Soldaten lachten.
Es sind gerade mal minus zwanzig Grad. Eine milde Brise. Im Dienst der PVS ist jedes Wetter eitel Sonnenschein. Aber ich kann sie beruhigen Soldat. Am Boden bekommen sie Winterkleidung.
Vor der geöffneten Tür waren die Positionslichter eines anderen Transporters zu sehen. Bläulich glühten seinen Schwenktriebwerke. Auch die Tür dieses Vehikels war geöffnet und man konnte nicht nur den Mann am MG erkennen, sondern ebenfalls die Soldaten in ihren Sitzen.
Es wird die nächsten Tage ziemlich hektisch werden. Das Heer ist dabei die Schwämme zu verlassen und ins Kernland vorzustoßen. Das gelingt nur über eine Klamm in den Klippen, die Horning quasi in zwei Hälfen teilt. Genießen sie also die letzten paar Minuten Ruhe. In nächster Zeit wird man sie gut beschäftigen.
Auf der anderen Seite des Fliegers schoss eine Vultere vorbei und setzte sich an die Spitze der Fliegergruppe, welche frische Rekruten zum Heer bringen sollte und Verwundete ausfliegen würde.
Denken sie daran, was sie in der Grundausbildung gelernt haben und spielen sie nicht denn Helden. Dann werden wir alle gesund und munter zurück nach Gohmor kommen.
Damit setzte sich der Feldwebel ebenfalls auf seinen Platz und öffnete sich eine eingeschweißte Ration.
Die Soldaten, jedenfalls jene, die nicht zu sehr von dem holprigen Flug durch nächtlichen Sturm mitgenommen waren, betrieben Konversation. Dies geschah schreien, da eine Verständigung anders nicht möglich war. Gerade die weiblichen PVSler sahen sich diversen Annäherungsversuchen ausgesetzt.
Der Mann, der Finley gegenüber saß, sprach diesen an.
He Alter! Was muss man angestellt haben um derart degradiert zu werden? Ich meine Gefreiter? Du bist doch bestimmt hundert oder so... Haben sie dich vom Heermeister zurückgestuft?
Lass ihn in Ruhe Fitch! schaltete sich der junge Soldat ein, der eben die Frage an den Feldwebel gestellt hatte. Der Oldtimer hat bestimmt einige Tricks auf Lager um solchen wie dir das Maul zu stopfen.
Ach ja, Scholabubi? Dann wär er ja wohl kaum noch Gefreiter, wenn er so toll ist, oder? Vermutlich ist er irgendein Stabs- Kaplan, nimmt den jungen Offiziersknaben die Beichte ab. Er hielt sich die geschlossene Faust an den Mund und beulte die Backe mit der Zunge aus. Verstehst was ich meine?
Draußen in der Dunkelheit zischte etwas über ihnen vorbei.
Ein anderer Soldat, mit bleichem Gesicht und einer dienstlich gelieferten Brille, sah von seinem Buch auf und spähte in die Nacht.
Wow... habt ihr das gesehen? Ich glaube das war eine X-21. Echt Wahnsinn die Teile.
Ne... Mann. Das war bestimmt keine. Wir haben keine Flugzeuge in Horning. Also keine richtigen. Nur Helikopter, Senkrechtstarter, Vulteres und sowas.
Ach was! Und du als kleiner Gefreiter weißt natürlich genau welche Flieger hier stationiert sind und welche nicht. Es war eine und aus!
Der Feldwebel hatte sich wieder erhoben und lehnte sich, die Hand erneut an dem Griff, gefährlich weit aus der offenen Luke.
Was haben sie gesehen Soldat?
Eine X-21, da bin ich mir sicher. Sie ist dicht über uns hinweggeflogen. Ich habe gerade auf der anderen Seite rausgeschaut und die Form erkannt.
Bordschütze, halten sie die Augen auf, es könnte sein das...
Der Transporter neben ihnen explorierte in einen orangen Feuerball. Die Reste blieben hinter ihnen zurück.
Ach du Kacke!
Linkerhand beschrieb die Vultere eine Kurve, gewann an Höhe und rollte sich über sie hinweg. Über ihnen erblühte erneut Lichtschein und glühende Partikel regneten neben ihnen Richtung Boden. Der Kampfflieger musste Gegenmaßnahmen aktiviert haben, um eine weitere Rakete abzulenken. Tatsächlich war ein hohes Pfeifen zu hören und für eine Sekunde zischte etwas an ihrer Flanke entlang.
Zeit zu registrieren, was hier eigentlich gerade geschah, blieb keine.
Denn unvermittelt wurde ihr Transporter beschossen. Großkalibrige Kugeln stanzten Löcher in den Mannschaftsraum. Leuchtspurgeschossen pfiffen von oben nach unten durch das Metall, als wäre es nur Papier. Projektile folgen als Querschläger herum, Männer wurden in ihren Sitzen getroffen und in Leichen verwandelt. Rauch, kreischende Alarmtöne und das Schreien der Soldaten. Der Pilot riss am Steuerknüppel, der Flieger bockte wie ein wilder Carnak. Den Halt verlierend, stürzte der Feldwebel aus der offenen Tür. Er schrie nicht, sondern starrte nur fassungslos auf den entschwindenden Mannschaftstransporter. Dann hatte ihn die Nacht verschluckt.
Wir gehen runter! Kam es über Lautsprecher. Der Pilot rang offenbar mit der Panik. Alle festhalten, das wird keine sanfte Landung.
Erneut schlug Bordkanonenfeuer auf sie ein und ließ die hintere Schwenkdüse in einem Feuerball vergehen. Ein Flieger in V- Form raste an ihnen vorüber und ihr PVSler am Tür- MG eröffnete das Feuer. Ob er irgendeinen Erfolg hatte ließ sich jedoch nicht ausmachen.
Kurz war wieder die Vultere zu sehen, die sich aus Leibeskräften abmühte ihre Aufgabe zu erfüllen und den Konvoi zu beschützen. Die Mündungen ihrer Waffen glühten, doch der Flieger war nicht dafür konzipiert sich in Luftkämpfe mit derart schnellen Gegnern zu stürzen.
Dann wurden derartige Überlegungen sowieso hinfällig. Unvermittelt erfolgte der Aufschlag auf den Boden. Der Transporter kam seitlich auf und der immer noch feuernde Bordschütze wurde zwischen Boden und Maschine zerrieben. Das andere Triebwerk auf dieser Seite riss ab, Dreck spritzte in den Innenraum. Dann prallte der Flieger noch einmal vom Boden ab, sprang hoch und kam mit der Nase auf. Ein scharfkantiges Trümmerstück durchbohrte den jungen Soldaten neben Finley, eine herumrutschende Ausrüstungskiste zertrümmerte einem anderen beide Beine.
Von außen sah es aus, als wolle der Flieger einen Kopfstand machen, richtete er sich doch fast senkrecht auf der Nase auf. Dann kippte er wie in Zeitlupe zur Seite und blieb rauchend und gebrochen in der aufgewühlten Erde liegen.
3:30 Ortszeit Dammstadt Hohenwall
Gähnend lenkte Freias den LKW in eine weitere der engen, von Natriumdampflampen erhellten, Seitengassen.
So eng wie hier die Straßen waren, waren zuhause in Gohmor nicht einmal die Radwege.
Er beugte sich vor, was durch seine starre Brustpanzerung nicht eben einfach war und rieb die Eisblumen an der Innenseite der Frontscheibe weg. Diese dämliche Heizung brachte gar nichts, abgesehen von unerträglichem Lärm. Ein Umstand der Barkland nicht sonderlich zu stören schien. Der Obergefreite schnarchte neben ihm, den Helm über die Augen geschoben.
Eigentlich war der Beifahrer verpflichtet wach zubleiben, doch Barkland hatte Ungemütlichkeit und Kraft zu selben Teilen abbekommen und würde ihm Feuer unterm Hintern machen, sollte er ihn wecken.
In den Seitenspiegeln flammten die Scheinwerfer des nachfolgenden Lasters auf und blendeten ihn einen Augenblick. Freias blickte auf die Uhr. Halb vier... noch ewig bis zum Sonnenaufgang. Noch ewig bis sie im Lager waren und noch ewig bis ein heißer Kaffee seine durchgefrorenen Knochen aufwärmen würde. Er hasste Horning. Dieses nasse, kalte, Scheißland, mit seinen unfreundlichen Bewohnern und hässlichen Weibern. Außerdem hasste er den Himmel. Er war in Gohmor aufgewachsen und brauchte eine solide Stahldecke über dem Kopf. Hatte ja keiner ahnen können, dass sein gemütlicher Posten in der Logistikkompanie 209 ihn an diesen verdammten Ort führen würde. Jetzt war er hier, bekam Frostbeulen und musste sich mit Barkland rumärgern.
Naja, wenigstens war ihm die Front erspart geblieben. Sie schafften Vorräte aus den befriedeten Dammstädten fort, um sie an die Kämpfer an der Front zu verteilen. Das hatte sein Vorteile, denn so konnte man sich noch einen Schekel nebenbei verdienen. Viele Fabrikbesitzer zahlten gut, wenn man ein paar Waren da ließ.
Der Wagen vor ihm bremste und riss den Obergefreiten aus seinen Gedanken. Er selber stieg auf das Pedal und quietschend kam sein LKW zu Stehen. Barkland schob seinen Helm mit dem Daumen nach oben.
Wasn los? Brummte er.
Keine Ahnung... Schröder hat gestoppt.
Er kurbelte das Fenster herunter und steckte den Kopf heraus.
Wieso geht’s nicht weiter da? Hinter ihm kam der Rest den Konvois zum Halten, während vorn die Tür aufging und Schröder heraustrat. Der untersetzte kleine PVSler blickte in seine Richtung und hob dann die Hände in einer Geste des Nichtwissens. Er ging nach vorn und war aus dem Lichtkegel des LKWs verschwunden.
Schau mal nach!
Freias widerstrebte es in die Kälte zu gehen, zumal es eigentlich gegen die Vorschrift war, solang es ihm niemand direkt befahl. Andererseits hatte Barklands Ton mal wieder keinen Widerspruch zugelassen und er war immerhin HG.
Also kletterte er aus dem Führerhaus und griff sich sein Gewehr, bevor ein Sprung ihn auf dem Kopfsteinpflaster aufkommen ließ. Sofort biss ihm die Kälte in die Haut.
Zu sehen war nicht viel.
Links und rechts erstreckten sich lichtlose Häuserfronten. Dreistöckig und dicht an dicht. Den Gedanken an Leute, die in warmen Betten schlummerten, wollte er gar nicht weiter verfolgen. Die fünf LKWs tuckerten im Leerlauf und ihre Abgaswolken kräuselten sich in der schneidenden Nachtluft. Von hinten brüllte jemand warum es nicht weiter ginge. Freias ahmte Schöders Geste nach und ging dann nach vorn. Als er das Heck des anderen LKWs erreicht hatte kam sein Kamerad gerade wieder.
Schröder, was ist los? Panne?
Ne da steht irgendeine Karre quer. Der Feldwebel wäre fast draufgekracht. Die schauen gerade ob sie ihn wegschieben können, ansonsten müssen wir rückwärts raus und wo anders la...
Ein dumpfer Knall erklang vom hinteren Ende der Kolonne. Hohl und eigentlich nicht sonderlich laut. Dann noch einer und dieses Mal mischten sich Schreie in den Ton. Schmerzensschreie.
Scheiße, das ist ein verfickter Hinterhalt. Schröder rannte zu seinem Laster, während Freias noch verwirrt dastand und versuchte gegen das Scheinwerferlicht der hinteren Wagen etwas zu erkennen.
Hinterhalt? Blödsinn... die Ausbildung war doch schon ewig her.
Diese Überlegungen waren nicht wirklich schlüssig, doch das Erfassen der Situation bahnte sich nur langsam seinen Weg. Über ihm klirrte Glas und noch ehe die Scherben um ihn herum zu Boden gingen, ratterte eine Waffe los. Andere schlossen sich an, Laserwaffen zischten, Einzelfeuer vermischte sich mit automatischen Salven. Er blickte zu seinem Laser und musste mit ansehen wie Die Kabine regelrecht zersiebt wurde. Ihm stand mit gestochener Schärfe vor Augen wie ein großes Loch auf Barklands Stirn entstand, aus dem ein träger Blutstropfen quoll. Dann zappelte er nur noch wie eine Puppe unter den Einschlägen. Eine Kugel traf Freias auf die Brust und prallte heulend von der Panzerung ab. Er blickte nach oben und wo eben noch dunkle Fenster gewesen waren, blitzten jetzt Mündungsfeuer auf. Gesichter, bleich und ausdruckslos kamen sie ihm vor, waren hinter diesen infernalischen Blitzen auszumachen. Umständlich brachte er sein Zwo-Einer hoch und gab eine Salve auf die Fenster ab. Das zwang ein paar der Angreifer in Deckung und verschaffte ihm vielleicht ein paar Sekunden.
Von der anderen Seite, also direkt über ihm, bellte ein Maschinengewehr los. Es beharkte den LKW vor ihm, ließ Scheiben zersplittern, Reifen platzen und zerfetzte die Plane. Was mit Schröder war, den er gut leiden konnte, war nicht zu erkennen. Freias glaubte zwar auch Gegenfeuer zu hören, doch es klang kläglich machtlos.
Die Straße runter, nach hinten hin, brannte es, vermutlich der letzte Wagen. Ein PVSler schleppte sich auf dem Bauch über das Pflaster und wurde dann buchstäblich niedergemäht. Er bäumte sich noch einmal auf, wie um einen Liegestütz zu machen und blieb reglos liegen.
Das war zu viel für Freias. Darauf hatte ihn niemand vorbereitet. Die Nerven gingen mit ihm durch. Er ließ sein Gewehr fallen und wandte sich zur Flucht. Nur war da kein Weg. Vorwärts oder Rückwärts, reine Todeszonen. Er lief zur nächsten Haustür, rüttelte daran... doch sie war fest verschlossen. Ein paar Meter weiter versuchte er es bei der nächsten, trat sogar dagegen. Nichts. Kugeln schwirrten wie wütende Insekten um ihn herum.
Dann entdeckte er ein schwarzes Viereck und stürzte sich kopfüber hinein. Es entpuppte sich als schmaler Durchgang zu einem Hinterhof. Während hinter ihm seine Kameraden starben, hastete er durch den schmutzigen Hohlweg und erreichte schließlich den Hof. Die Schüsse und Schreie klangen jetzt unnatürlich verzerrt und dadurch noch schrecklicher.
Voller Entsetzen blickte er sich auf der dunklen Fläche um. Schäbigen Arbeiterbehausungen, Fenster und Wände die näher und näher zu rücken schienen. Dann erspähte er hinter einem der Scheiben ein schwaches Licht. Eine Kerze oder ein Ofenfeuer. Aber Leute... Leute die ihn verstecken konnten vor diesen Wilden. Wie von Sinnen stürzte er auf die Tür, welche zu der Wohnung gehören musste. Er hämmerte dagegen, Tränen liefen ihm über die Wangen ohne das er es bemerkte.
Hilfe, macht doch auf, bei der Gnade Terras... ich flehe euch an, sie bringen alle um.
Es war vergebens. Niemand würde ihm öffnen. Das Schießen nahm bereits ab. Sie würden ihn finden, abschätzen wieviele Soldaten in den LKWs waren und dann nach ihm suchen. Würden sie es kurz machen? Ihn foltern? Ihn vielleicht sogar...
Die Tür wurde geöffnet. Ein bärtiger Mann in einfacher Kleidung blickte ihn misstrauisch an.
Freias hatte keine Zeit für lange Begrüßungen. Er drückte die Tür auf und stolperte in die Wohnung. Ein kurzer Flur, dahinter direkt die Wohnstube. Tatsächlich war das Licht von einer Kerze gekommen. Darum hockten drei Kinder und eine Frau, offensichtlich durch sein Eindringen im Gebet gestört.
Ein Hinterhalt! japste er. Alle umgebracht, sie haben einfach alle aus dem Hinterhalt erschoss. Ich muss... muss. Der Obergefreite lief zum Fenster und späte an der Gardine vorbei ins Dunkel. Noch war niemand zu sehen der in Richtung Hinterhof kam. Macht das Licht aus. Ich verstecke mich ein paar Stunden hier und versuche mich dann zum Lager durchzuschlagen. Vielleicht kann ich...
Etwas kaltes lief von hinten über seinen Hals, dann wurde es plötzlich warm. Freias griff sich an die Kehle, klebrig sickerte es zwischen seinen Fingern hindurch. Absolute Verwirrung stand auf seinem Gesicht. Er wollte etwas sagen, aber er konnte nicht sprechen, nicht atmen. Es war als würde er ertrinken. Röchelnd sackte er an der Wand herunter, blickte zu dem Mann auf, der jetzt ein einfaches Küchenmesser in der Hand hielt. Sein Blick verschleierte sich bereits.
Die Frau hielt ihren Kindern nicht die Augen zu, drückte sie nicht schützend an sich. Sie sollten sehen was mit Eindringlingen in Horning geschah.
3:32 Ortszeit Schwarze See, ca. 30 km vor Hori
Seerohrtiere erreicht, Seemeister
Periskop ausfahren.
Periskop wird ausgefahren.
Seemeister Holmborn drehte seine Schirmmütze nach hinten und legte die Augen an die Sichtmulden. Die Ränder des Okulars waren von Algenbewuchs eingerahmt, der sich auch den hartnäckigsten Putzversuchen entzog. Die See war stürmisch und immer wieder nahmen ihm Wellen für einige Sekunden die Sicht. Doch Holmborn war darüber nicht ärgerlich. Das Meer war ihr Verbündeter und auch jetzt schützte des den Jäger vor Entdeckung durch die Beute.
Er drehte das Gerät ein paar Grad.
Da waren waren sie.
Es mussten zehn Schiffe sein. Vielleicht sogar mehr. In einer Gefechtssituation hätte er das an schwer erkennbaren Silhouetten und Rauchfahnen ausmachen müssen. Doch hier war es gar nicht nötig. Die meisten der Schiffe waren beleuchtet. Ja er konnte sogar mehrere offene Feuer an Deck erkennen.
Pilgerschiffe!
Doch für sie interessiere er sich nur am Rande. Sie waren leichte Beute und bedurften keiner großen Vorsicht. Er nahm sich die Zeit sie in Ruhe durch zuzählen. Es waren zwölf. Das dreizehnte Schiff war es, welches seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es fuhr ohne Festtagesbeleuchtung und in einigem Abstand zu den anderen. Ein Begleitschiff. Ziemlich groß, ein Zerstörer, wie es aussah. Nur ein einziger als Begleitung. Das war entweder Fahrlässig, arrogant oder aus der Not geboren. Wie dem auch sei, das Resultat würde das gleiche bleiben.
Seemeister, Kommandostelle meldet Angriffserlaubnis. Wiederhole, Angriffserlaubnis!
Verstanden! Holmborn nahm die Augen nicht vom Periskop.
Neuer Kurs, bei sieben, sieben Steuerbord.
Die Frau am Ruder bestätigte knapp.
Rohr Eins bis Sechs klar machen für Schuss unter Wasserlinie!
Rohre werden bewässert!
Beide Maschinen halbe Kraft voraus, Kurs beibehalten.
Der stahlblaue Körper der Beißer II schnitt knapp unter der Oberfläche durch das aufgewühlte Wasser. Sein Ziel war der Pilgerzug, welchen die Schiffsbücher der PVS- Seestreitkräfte unter K-78 führten. Andere Unterseebote suchten sich in diesem Moment ihre eigenen Ziele, überall entlang der Küste.
Entfernung 3000, Vorhalte 20!
Eingestellt!
Doppelschuss auf erstes Ziel.
Rohr Eins und Zwei synchronisiert.
Der Rest Einzelschüsse!
Es folgten weitere Zielangaben und schnelle Bestätigungen.
Alle Rohre aufschalten!
Steuerbord, Sechs, Sechs, halbe Fahrt voraus! Mündungsklappen öffnen.
Mündungsklappen offen!
Der Zerstörer kroch langsam an den Strichmarken des Periskop entlang, bis er in dem gewünschten Bereich war.
Rohr eins und zwei Feuer!
Abgefeuert!
Kurs anpassen, nächstes Ziel aufschalten.
3:34 Ortszeit Schwarze See, ca. 30 km vor Horings Küste.
Der Zerstörer mit dem bezeichnenden Namen Gohmor wurde zwei mal, mittschiffs getroffen.
Der erste Torpedo wurde von den Fangnetzen weitgehend neutralisiert. Dieses Stahlgeflecht hin links und rechts des Schiffskörpers herunter und sollte dafür sorgen, dass Torpedos an ihm detonierten und ihre tödliche Kraft vor der Bordwand verpuffte. Bei dem ersten Geschoss ging dies auch auf. Die Explosion ließ die Gohmor erben, als würde sie von einem wütenden Riesen getreten. Besatzung und Ausrüstung wirbelten durcheinander. Alarmglocken schrillten und der Rumpf ächzte gequält. Bei dem zweiten Torpedo versagte das Netz, jedenfalls teilweise.
Er durchschlug die Maschen, verkeilte sich aber so, dass er von seiner direkten Bahn abgebracht wurde und seitlich gegen die Gohmor schlug. Ein Umstand, der das Schiff sehr wahrscheinlich vor dem Untergang bewahrte. Dennoch reichte die ankommende Wucht, um ein Loch in den Rumpf zu reißen. Eisiges Meerwasser ergoss sich ins Innere und überflutete zwei Sektionen innerhalb von wenigen Minuten. Zwei Männer starben direkt durch den Treffer. Der Rest konnte sich retten, bevor die Sicherheitsluken sie schlossen. Die Gohmor bekam leichte Schlagseite, fuhr jedoch augenblicklich die Maschinen auf volle Kraft um ein schweres Ziel zu bieten. Der Schaden war groß, Manövrieren schwierig. Der Zerstörer hatte den Kampf mit den ersten Schlägen bereits verloren. Ihm blieb nichts anderes übrig als Meldung an die Heeresführung zu machen und die Pilgerschiffe, die über Funk verfügten, zu warnen. Was danach geschah konnte die Besatzung nur hilflos mit ansehen, während sich ihr eigenes, waidwundes Schiff auf die offene See zurückzog.
Zwischen 3: 36 und 4:10 Ortszeit Schwarze See, ca. 30 km vor Horings Küste.
Die Peter Orsius, ein ehemaliger Passagierdampfer, den findige Geschäftsleute für die einträgliche Beförderung von Pilgern wieder flottgemacht und in Dienst gestellt hatten, bekam einen Volltreffer. Der einstige Luxusliner wurde in der Mitte angehoben und brach dabei auseinander, während sich Brücke, zentrales Deck und mittlerer Schornstein in die Luft erhoben. Kurz darauf folgten weitere Explosionen im Rumpf des Giganten, als der Maschinenraum in die Luft ging. Das Schiff sank in nicht einmal fünf Minuten. Es war trotz seines Alters eines der wenigen Schiffe gewesen, deren Sicherheitsstandards akzeptabel gewesen waren. Die Besitzer hatten nicht zu der skrupellosen Sorte Menschen gehört, die Profit über das Wohl der Passagiere stellten.
Für die knapp 3000 Pilger standen über hundert Rettungsbote zur Verfügung. Nicht eines wurde zu Wasser gelassen.
Das genaue Gegenteil zur Peter Orsius war die Annabell Do. Diesem Frachter hätte kein Fuhrunternehmen auch nur seinen Müll anvertraut. Die einstige Farbe des Rumpfes war nicht einmal mehr zu erahnen, zwei der vier Maschinen funktionierten seit zwanzig Jahren nicht mehr und die Besatzung sprach derart verschiedene Dialekte des Gothischen, dass eine Kommunikation mehr mit Händen und Füßen, denn mit Worten stattfand. In den umgebauten Frachträumen fristeten etwa 1500 Pilger ihr Dasein und mussten schlechte Belüftung und katastrophale, hygienische Bedingungen erdulden. Dieser Umstand und die grassierende Seekrankheit verwandelten den Laderaum in einen stinkenden Pfuhl.
Der Torpedo traf die Annabell Do am Heck. Die Quartier der Mannschaft und Offiziere wurde sofort überflutet, auch wenn zu diesem Zeitpunkt fast niemand in den Kajüten war. Dann bahnte sich das Wasser seinen Weg in den Maschinenraum und schließlich in den Fracht-, beziehungsweise Passagierbereich. Panik brach unter den Pilgern aus. Aber der Frachter hielt den Todeskampf lange aus. Erst mutete es sogar so an, als könne das verhältnismäßig kleine Loch die Annabell Do nicht bezwingen. Doch schließlich sackte das Heck immer tiefer und der Bug begann sich aus dem Wasser zu heben. Die Pilger drängten sich an der verbleibenden Treppe nach oben und zerrten sich gegenseitig von den beiden Leitern, welche aufs Deck führten. Wer fiel, geriet unter die Fuße der Kameraden und nicht wenige ertranken im Wasser, welches zwar erst bis zu den Knien reichte, aber unter dessen Oberfläche ein Gefallener von den anderen gedrückt wurde. An Deck gab es derweil keine Rettung. In den beiden Rettungsboten saßen bereits die Mitglieder der Besatzung und der Kapitän. Später sollte er behaupten, dass er die Unglücklichen hatte retten wollen, dann aber bei einer Erschütterung des Schiffes in das Beiboot gefallen sei.
Die Zurückgelassenen fanden drei selbstaufblasende Rettungsinseln, doch diese reichten kaum für zehn Personen. Als der Winkel des Schiffes immer steiler wurde und abzusehen war, dass der Bug irgendwann abbrechen würde, sprangen die meisten Menschen in die eisigen Fluten.
Der Hochseekutter Kugelfisch war im Vergleich zu den anderen Frachtern ein Winzling. Er transportierte auch keine Pilger, sondern versprach sich davon Gewinn, die trägen Riesen bei diversen Gelegenheiten in die richtige Position zu schleppen und zu drehen. Für jeden Einsatz verlangte der Kapitän eine Entlohnung und es gab viele Einsätze. Sei es bei Abfahrt und Ankunft im Hafen, oder auf der Reise, wo unerfahrene Kommandanten ihre Fahrzeuge allzu oft gefährlich nahe an andere Schiffe heran manövrierten und weggezogen werden mussten.
Als die Menschen von der Annabell Do sprangen wendete die Kugelfisch um den Schiffbrüchigen zu Hilfe zu eilen.
Der Torpedo war nicht für den kleinen Schlepper bestimmt gewesen, doch ihre Bahn kreuzte sich auf verhängnisvolle Weise. Die Kugelfisch wurde völlig zerstört. Nach der Explosion war nichts mehr übrig, was für eine Identifizierung hätte genutzt werden können.
Besagter Torpedo war für die Umbra Queen gedacht gewesen. Der Segler war ein schlankes und schönes Schiff. Auch wenn es sich auf die Kraft des Windes verließ und völlig aus Holz bestand, war es in sehr viel besserem Zustand als die meisten anderen Mitglieder des Konvois. Auf ihm befanden sich nur vier Pilger, plus deren Leibwächter und natürlich die Besatzung. Diese Vier waren wohlhabende Männer und Frauen, die ihr Seelenheil an fremden Küsten suchten, ohne dabei auf Luxus und die Privilegien ihres Geldes verzichten zu müssen. Das Glück, welches ihnen Reichtum und ein angenehmes Leben beschert hatte, verließ sie jetzt allerdings. Der Torpedo hatte zwar die Kugelfisch an ihrer statt vernichtet, doch das rettete sie nicht. Denn ein weiteres Unterwassergeschoss hatte die K 13 am Ruder getroffen und es unbrauchbar gemacht. Der schwimmende Klotz hatte früher dazu gedient Hochseekabel zwischen Inseln und Kontinenten zu verlegt, bevor er zum Pilgerschiff geworden war. Ein Ungetüm aus vernietetem Stahl, welches die Umbra Queen seitlich mit voller Wucht traf und sie spaltete, wie eine Axt ein morsches Stück Holz gespalten hätte.
Die K 13 schrammte noch an einem weiteren Schiff vorbei, ebenfalls ein einstiger Frachter, beschädigte diesen jedoch nur gering.
Der letzte Torpedo versenkte die Kalli, einen einfaches Passagierschiff. Ihr Untergang war weniger spektakulär. Der Einschlag tötete niemand, da die ersten Detonationen die Passagiere an Deck gelockt hatten und das eindringende Wasser, die Druckwelle und herumfliegenden Rumpfstücken nur leere Kabinen verwüsteten. Das Schiff ging fast gemächlich unter, sackte langsam immer tiefer. Einige Minuten später brach unter Deck Feuer aus. Da hatte die besonnene Crew die Passagiere bereits organisiert und ohne Panik oder Hektik auf die Rettungsbote verteilt. Der Kapitän wäre das einzige Opfer geworden, wäre er auf der Brücke geblieben, so wie er es verlangt hätte. Seine Offiziere drohten ihm jedoch an, ihn an Armen und Beinen in der Rettungsboot zu schleifen, wenn er nicht freiwillig mitkäme. Der Kapitän gab sich geschlagen und so kam beim Untergang der Kalli nicht ein Mensch ums Leben.
4:00 Ortszeit Die Schwämme, Himmel über Hornings Küste.
Tür öffnen, MG Besetzen!
Die Rolltür wurde zurückgezogen und sofort brandete Lärm und Kälte ins Innere der Transportmaschine.
Der Schütze nahm seinen Platz am MG ein, während weiße Flocken in den Raum wirbelten, in dem zehn PVSler in ihren Schalensitzen hockten, die Gewehre zwischen den Beinen. Ein Soldat, im Range eines Feldwebels stand aufrecht und hielt sich mit der Linken an einem der Deckengriffe fest.
Hergehört, Leute! Wir landen in zehn Minuten im Aufmarschgebiet. Wenn wir gelandet sind, verlassen sie zügig den Transporter und sammeln sich in der Landezone. Sie werden dort von Vertretern ihrer Einheiten abgeholt und zu ihrem jeweiligen Truppenteil begleitet. Horning war bis jetzt eine ruhige Angelegenheit. Kleine Gefechte und Scharmützel. Nichts Weltbewegendes. Aber seien sie trotzdem auf der Hut. Sie haben es mit Irregulären zu tun, den Zefas und den Einheimischen. Alles Leute die nicht sehr glücklich über unsere Anwesenheit sind. Außerdem sind da noch die Pilger. Es mag auch Anständige unter ihnen geben, aber viele benehmen sich wie die Axt im Walde. Also sein sie besonnen. Noch Fragen?
Der Soldat neben Finley hob die Hand?
Ja?
Herr Feldwebels! Wird es noch kälter werden, als jetzt?
Einige der Soldaten lachten.
Es sind gerade mal minus zwanzig Grad. Eine milde Brise. Im Dienst der PVS ist jedes Wetter eitel Sonnenschein. Aber ich kann sie beruhigen Soldat. Am Boden bekommen sie Winterkleidung.
Vor der geöffneten Tür waren die Positionslichter eines anderen Transporters zu sehen. Bläulich glühten seinen Schwenktriebwerke. Auch die Tür dieses Vehikels war geöffnet und man konnte nicht nur den Mann am MG erkennen, sondern ebenfalls die Soldaten in ihren Sitzen.
Es wird die nächsten Tage ziemlich hektisch werden. Das Heer ist dabei die Schwämme zu verlassen und ins Kernland vorzustoßen. Das gelingt nur über eine Klamm in den Klippen, die Horning quasi in zwei Hälfen teilt. Genießen sie also die letzten paar Minuten Ruhe. In nächster Zeit wird man sie gut beschäftigen.
Auf der anderen Seite des Fliegers schoss eine Vultere vorbei und setzte sich an die Spitze der Fliegergruppe, welche frische Rekruten zum Heer bringen sollte und Verwundete ausfliegen würde.
Denken sie daran, was sie in der Grundausbildung gelernt haben und spielen sie nicht denn Helden. Dann werden wir alle gesund und munter zurück nach Gohmor kommen.
Damit setzte sich der Feldwebel ebenfalls auf seinen Platz und öffnete sich eine eingeschweißte Ration.
Die Soldaten, jedenfalls jene, die nicht zu sehr von dem holprigen Flug durch nächtlichen Sturm mitgenommen waren, betrieben Konversation. Dies geschah schreien, da eine Verständigung anders nicht möglich war. Gerade die weiblichen PVSler sahen sich diversen Annäherungsversuchen ausgesetzt.
Der Mann, der Finley gegenüber saß, sprach diesen an.
He Alter! Was muss man angestellt haben um derart degradiert zu werden? Ich meine Gefreiter? Du bist doch bestimmt hundert oder so... Haben sie dich vom Heermeister zurückgestuft?
Lass ihn in Ruhe Fitch! schaltete sich der junge Soldat ein, der eben die Frage an den Feldwebel gestellt hatte. Der Oldtimer hat bestimmt einige Tricks auf Lager um solchen wie dir das Maul zu stopfen.
Ach ja, Scholabubi? Dann wär er ja wohl kaum noch Gefreiter, wenn er so toll ist, oder? Vermutlich ist er irgendein Stabs- Kaplan, nimmt den jungen Offiziersknaben die Beichte ab. Er hielt sich die geschlossene Faust an den Mund und beulte die Backe mit der Zunge aus. Verstehst was ich meine?
Draußen in der Dunkelheit zischte etwas über ihnen vorbei.
Ein anderer Soldat, mit bleichem Gesicht und einer dienstlich gelieferten Brille, sah von seinem Buch auf und spähte in die Nacht.
Wow... habt ihr das gesehen? Ich glaube das war eine X-21. Echt Wahnsinn die Teile.
Ne... Mann. Das war bestimmt keine. Wir haben keine Flugzeuge in Horning. Also keine richtigen. Nur Helikopter, Senkrechtstarter, Vulteres und sowas.
Ach was! Und du als kleiner Gefreiter weißt natürlich genau welche Flieger hier stationiert sind und welche nicht. Es war eine und aus!
Der Feldwebel hatte sich wieder erhoben und lehnte sich, die Hand erneut an dem Griff, gefährlich weit aus der offenen Luke.
Was haben sie gesehen Soldat?
Eine X-21, da bin ich mir sicher. Sie ist dicht über uns hinweggeflogen. Ich habe gerade auf der anderen Seite rausgeschaut und die Form erkannt.
Bordschütze, halten sie die Augen auf, es könnte sein das...
Der Transporter neben ihnen explorierte in einen orangen Feuerball. Die Reste blieben hinter ihnen zurück.
Ach du Kacke!
Linkerhand beschrieb die Vultere eine Kurve, gewann an Höhe und rollte sich über sie hinweg. Über ihnen erblühte erneut Lichtschein und glühende Partikel regneten neben ihnen Richtung Boden. Der Kampfflieger musste Gegenmaßnahmen aktiviert haben, um eine weitere Rakete abzulenken. Tatsächlich war ein hohes Pfeifen zu hören und für eine Sekunde zischte etwas an ihrer Flanke entlang.
Zeit zu registrieren, was hier eigentlich gerade geschah, blieb keine.
Denn unvermittelt wurde ihr Transporter beschossen. Großkalibrige Kugeln stanzten Löcher in den Mannschaftsraum. Leuchtspurgeschossen pfiffen von oben nach unten durch das Metall, als wäre es nur Papier. Projektile folgen als Querschläger herum, Männer wurden in ihren Sitzen getroffen und in Leichen verwandelt. Rauch, kreischende Alarmtöne und das Schreien der Soldaten. Der Pilot riss am Steuerknüppel, der Flieger bockte wie ein wilder Carnak. Den Halt verlierend, stürzte der Feldwebel aus der offenen Tür. Er schrie nicht, sondern starrte nur fassungslos auf den entschwindenden Mannschaftstransporter. Dann hatte ihn die Nacht verschluckt.
Wir gehen runter! Kam es über Lautsprecher. Der Pilot rang offenbar mit der Panik. Alle festhalten, das wird keine sanfte Landung.
Erneut schlug Bordkanonenfeuer auf sie ein und ließ die hintere Schwenkdüse in einem Feuerball vergehen. Ein Flieger in V- Form raste an ihnen vorüber und ihr PVSler am Tür- MG eröffnete das Feuer. Ob er irgendeinen Erfolg hatte ließ sich jedoch nicht ausmachen.
Kurz war wieder die Vultere zu sehen, die sich aus Leibeskräften abmühte ihre Aufgabe zu erfüllen und den Konvoi zu beschützen. Die Mündungen ihrer Waffen glühten, doch der Flieger war nicht dafür konzipiert sich in Luftkämpfe mit derart schnellen Gegnern zu stürzen.
Dann wurden derartige Überlegungen sowieso hinfällig. Unvermittelt erfolgte der Aufschlag auf den Boden. Der Transporter kam seitlich auf und der immer noch feuernde Bordschütze wurde zwischen Boden und Maschine zerrieben. Das andere Triebwerk auf dieser Seite riss ab, Dreck spritzte in den Innenraum. Dann prallte der Flieger noch einmal vom Boden ab, sprang hoch und kam mit der Nase auf. Ein scharfkantiges Trümmerstück durchbohrte den jungen Soldaten neben Finley, eine herumrutschende Ausrüstungskiste zertrümmerte einem anderen beide Beine.
Von außen sah es aus, als wolle der Flieger einen Kopfstand machen, richtete er sich doch fast senkrecht auf der Nase auf. Dann kippte er wie in Zeitlupe zur Seite und blieb rauchend und gebrochen in der aufgewühlten Erde liegen.