02-15-2013, 03:43 PM
Kommandantur
Das Leben eines Adjutanten hatte sich in den letzten Tagen schnell von einem Versprechen in ein stetiges Frustrieren gewandelt. Bronkowitz wirkte ihm offen und zugetan und Lysander bezweifelte das nicht einmal. Der junge Offiziersanwärter musste sich eingestehen, dass dieser Verlauf wohl von Anbeginn der Wahrscheinlichste unter allen erwähbaren Szenarien gewesen sein muss. Über Nacht zum Fähnrich war eine Illusion, der er kurz anheim gefallen war, nach all den Monaten in der Zehnten. Die Wochen, in denen er vor- und zurückgerückt war, ohne Bewegung in seine widerliche Zwangslage als Gruppenführer von Gewöhnlichen zu bringen. Aus Enthusiasmus war Ekel geworden. Es gab regelmäßiges und gute Essen, doch die häufigen und langen Versammlungen schufen dazu zu viele Pausen für Imbiss und Getränk, jedoch kaum physischen Ausgleich. Man sollte nur den Bedarf decken, ermahnte sich der Fahnenjunker, während ein goldbehangener Kauz aus dem Klerus sich direkt in Angesicht das feiste Gesicht weiter mästete. Der Besprechungsraum des Stabes war überfüllt mit Gestalten und Halunken zwielichtiger Absichten und frevelhaftem Körperempfindens. Bronkowitz, so wichtig er als Truppenkommandeur für Lysander auch sein mochte, diente da ebenfalls als abschreckendes Beispiel. Der Bauchumfang maß in etwa so viel, wie Lysander in Kampfmontur und aufgenommenem Rucksack. Der Riechzinken in ein Rhinophym verkommen, der Habitus von Bluthochdruck gezeichnet. Vom Vorgesetzten losgelöst, erbrach sich sein Widerwillen über Quacksalbung und Weihrauch. Es stank regelrecht überall. Es waren auch überall Geistliche zugegen, die geradeso viel Rückrat aufzubringen vermochten, wie nötig war, um unter den schweren Stoffen nicht einzubrechen. Sinnlose Bittbekundungen und Vorrechte wurden vorgetragen, irgendwo scheinheilig verbrieft und bestenfalls in fremden Sternensystemen hinterlegt, in einer Kirche, deren Pförtner seit mindestens einhundert Dekaden im Staub verblich. Lysander empfand sich in dieser Gesellschaft als überflüssig und wurde vom Herrn Oberstleutnant auch nur sehr selten wirklich benötigt. Selbst ohne Atemmaske und Schadstoffkombination schien dem jungen Aristoi die Luft draußen wesentlich gesünder als in Gegenwart dieser unbedeutenden Speichellecker. Der kürzlich dazugestoßene Hauptmann war selbst eine bessere Partie. Während der überlangen Zusammenkunft wartete Yllyusr zwar äußerlich unbewegt in perfekter Grundstellung. Eine Tortur für alle ungeübten Muskel- und Gefäßsysteme. Doch die grauen Augen wanderten, sofern ohne Kopfdrehung möglich, ein jedes Mal zu den Bittstellern. Die Atmung des körperlich befleißigten Fahnenjunkers konnte aufgrund fehlender Aktivität bei einem Minimum des möglichen bleiben und verwölbte nicht einmal die maßgeschneiderte Uniform des schlanken Trägers. Von knapp zwei Metern Standardmaß aus ließen sich blitzende Habichtblicke verteilen. Der besagte Hauptmann, von Horn, zeichnete sich zwar nicht besonders durch seine fremdweltlerische Herkunft aus, doch besaß der Mann in dieser Runde ein gewisses Maß an Format, dem Yllyus eine Unterart von Respekt abzollen musste. Der Mann hatte wenigstens Profil und wirkte verhältnismäßig unkomprimittiert, sah man vom unverzeihlichen Makel der imperialen Ergebenheit ab. Vielversprechender wirkte dagegen eine andere Person. Ganz frisch angekommen, hatte sich eben eine Person Leutnant in die Runde gesellt. Bronkowitz schien über Aufklärung verfügt zu haben, während Lysander innerlich fasziniert schwärmte. Haltung und Uniform verrieten sie unmissverständlich als Dame aus gutem Hause. Eine kalte und berechnende Präsenz wurde in dem Raum durch sie erzeugt, dass es dem jungen Mann einen leichten Schauer den Rücken runterlaufen ließ, als die Versammlung sich Entförmlichte und er sich kurz zu ihr umdrehen konnte, um sie zu beobachten. Deutlich kleiner als Lysander selbst, der zugegeben auch nicht als verkümmert und abgebrochen bezeichnet werden konnte, blondes Haar, blaue Augen glaubte er zu sehen und reine Haut. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann war die Frau Lautnant gar aus dem eigenen Hause. Orsius, zwei Schicksale weit entfernt an einem gottlosen Ort wie die Marschländer vor den Toren von Trutz. Beinahe der Beginn eines Melodrams. Der Fahnenjunker machte keinerlei Anstalten, seine beobachtenden Blicke zu verbergen, während sich die junge Aristokratin geschickt an die kleine Traube von Mitessern um Bronkowitz heranbegab. Sie beobachtete ihr neues Umfeld ebenfalls. Sie lauschte. Wissen war Macht. Unbestreitbare Kernerfahrung, wenn man es im gesellschaftlichen Haifischbecken in die Aduleszenz schaffen wollte. Er gönnte sich ein Schmunzeln und trat dann ein paar Schritt bei Seite. Er sondierte das Klientel, das viel zu träge aus dem Raum tröpfelte, als gäbe es hier etwas umsonst. Ein alter Haudegen, Teileinheitsführer X von der vernachlässigbaren Teileinheit Y trug ein Monokel zu grauem Schnäuzer und gekämmten, schütter werdenden Haar. Für einen Moment fand Lysander, dass ihn in älteren Jahren auch eines zieren könnte. Im Gegensatz zu dem verwitterten Gesicht dort hinten hatte Yllyus wenigstens das Gesicht dafür.
Das Leben eines Adjutanten hatte sich in den letzten Tagen schnell von einem Versprechen in ein stetiges Frustrieren gewandelt. Bronkowitz wirkte ihm offen und zugetan und Lysander bezweifelte das nicht einmal. Der junge Offiziersanwärter musste sich eingestehen, dass dieser Verlauf wohl von Anbeginn der Wahrscheinlichste unter allen erwähbaren Szenarien gewesen sein muss. Über Nacht zum Fähnrich war eine Illusion, der er kurz anheim gefallen war, nach all den Monaten in der Zehnten. Die Wochen, in denen er vor- und zurückgerückt war, ohne Bewegung in seine widerliche Zwangslage als Gruppenführer von Gewöhnlichen zu bringen. Aus Enthusiasmus war Ekel geworden. Es gab regelmäßiges und gute Essen, doch die häufigen und langen Versammlungen schufen dazu zu viele Pausen für Imbiss und Getränk, jedoch kaum physischen Ausgleich. Man sollte nur den Bedarf decken, ermahnte sich der Fahnenjunker, während ein goldbehangener Kauz aus dem Klerus sich direkt in Angesicht das feiste Gesicht weiter mästete. Der Besprechungsraum des Stabes war überfüllt mit Gestalten und Halunken zwielichtiger Absichten und frevelhaftem Körperempfindens. Bronkowitz, so wichtig er als Truppenkommandeur für Lysander auch sein mochte, diente da ebenfalls als abschreckendes Beispiel. Der Bauchumfang maß in etwa so viel, wie Lysander in Kampfmontur und aufgenommenem Rucksack. Der Riechzinken in ein Rhinophym verkommen, der Habitus von Bluthochdruck gezeichnet. Vom Vorgesetzten losgelöst, erbrach sich sein Widerwillen über Quacksalbung und Weihrauch. Es stank regelrecht überall. Es waren auch überall Geistliche zugegen, die geradeso viel Rückrat aufzubringen vermochten, wie nötig war, um unter den schweren Stoffen nicht einzubrechen. Sinnlose Bittbekundungen und Vorrechte wurden vorgetragen, irgendwo scheinheilig verbrieft und bestenfalls in fremden Sternensystemen hinterlegt, in einer Kirche, deren Pförtner seit mindestens einhundert Dekaden im Staub verblich. Lysander empfand sich in dieser Gesellschaft als überflüssig und wurde vom Herrn Oberstleutnant auch nur sehr selten wirklich benötigt. Selbst ohne Atemmaske und Schadstoffkombination schien dem jungen Aristoi die Luft draußen wesentlich gesünder als in Gegenwart dieser unbedeutenden Speichellecker. Der kürzlich dazugestoßene Hauptmann war selbst eine bessere Partie. Während der überlangen Zusammenkunft wartete Yllyusr zwar äußerlich unbewegt in perfekter Grundstellung. Eine Tortur für alle ungeübten Muskel- und Gefäßsysteme. Doch die grauen Augen wanderten, sofern ohne Kopfdrehung möglich, ein jedes Mal zu den Bittstellern. Die Atmung des körperlich befleißigten Fahnenjunkers konnte aufgrund fehlender Aktivität bei einem Minimum des möglichen bleiben und verwölbte nicht einmal die maßgeschneiderte Uniform des schlanken Trägers. Von knapp zwei Metern Standardmaß aus ließen sich blitzende Habichtblicke verteilen. Der besagte Hauptmann, von Horn, zeichnete sich zwar nicht besonders durch seine fremdweltlerische Herkunft aus, doch besaß der Mann in dieser Runde ein gewisses Maß an Format, dem Yllyus eine Unterart von Respekt abzollen musste. Der Mann hatte wenigstens Profil und wirkte verhältnismäßig unkomprimittiert, sah man vom unverzeihlichen Makel der imperialen Ergebenheit ab. Vielversprechender wirkte dagegen eine andere Person. Ganz frisch angekommen, hatte sich eben eine Person Leutnant in die Runde gesellt. Bronkowitz schien über Aufklärung verfügt zu haben, während Lysander innerlich fasziniert schwärmte. Haltung und Uniform verrieten sie unmissverständlich als Dame aus gutem Hause. Eine kalte und berechnende Präsenz wurde in dem Raum durch sie erzeugt, dass es dem jungen Mann einen leichten Schauer den Rücken runterlaufen ließ, als die Versammlung sich Entförmlichte und er sich kurz zu ihr umdrehen konnte, um sie zu beobachten. Deutlich kleiner als Lysander selbst, der zugegeben auch nicht als verkümmert und abgebrochen bezeichnet werden konnte, blondes Haar, blaue Augen glaubte er zu sehen und reine Haut. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann war die Frau Lautnant gar aus dem eigenen Hause. Orsius, zwei Schicksale weit entfernt an einem gottlosen Ort wie die Marschländer vor den Toren von Trutz. Beinahe der Beginn eines Melodrams. Der Fahnenjunker machte keinerlei Anstalten, seine beobachtenden Blicke zu verbergen, während sich die junge Aristokratin geschickt an die kleine Traube von Mitessern um Bronkowitz heranbegab. Sie beobachtete ihr neues Umfeld ebenfalls. Sie lauschte. Wissen war Macht. Unbestreitbare Kernerfahrung, wenn man es im gesellschaftlichen Haifischbecken in die Aduleszenz schaffen wollte. Er gönnte sich ein Schmunzeln und trat dann ein paar Schritt bei Seite. Er sondierte das Klientel, das viel zu träge aus dem Raum tröpfelte, als gäbe es hier etwas umsonst. Ein alter Haudegen, Teileinheitsführer X von der vernachlässigbaren Teileinheit Y trug ein Monokel zu grauem Schnäuzer und gekämmten, schütter werdenden Haar. Für einen Moment fand Lysander, dass ihn in älteren Jahren auch eines zieren könnte. Im Gegensatz zu dem verwitterten Gesicht dort hinten hatte Yllyus wenigstens das Gesicht dafür.