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Die Maschinerie kam in Gang, was sich als erstes durch zwei Hornissen äußerte, die im Tiefflug über die Absturzstelle folgen und einen Überschallknall vor sich herschoben. Ihnen folgten Hubschrauber von einem Typ wie sie in den Gohmoreinheiten nicht üblich waren, doch sie zeigten das Blau- grau der PVS. Während die anderen in Wartestellung schwebten setzte einer auf dem schräg stehenden Landefeld des Wracks auf und Soldaten sprangen heraus. In den anderen waren Männer an MGs zu erkennen. Das alte Unbehagen schlich sich wieder ein. Truztlern konnte man nicht trauen, das war klar und würden sie nicht verdammt sauer sein das ein Schiff auf ihre, zugegeben schöne, Stadt gefallen war? Zufällig eines aus Gohmor. Wenn hier irgendetwas geplant war konnte man sich jedenfalls nicht wehren, die paar Gewehre die noch zur Verfügung standen waren kein Faktor den man in den Topf werfen konnte.
Der Anführer der Gelandeten eilte, in der typisch geduckten Haltung die sich bewegende Rotoren bei Menschen provozierten, auf den nächstbesten Unteroffizier zu.
Feldwebel Jakson, vom vierten Heimatschutz. Wir sind hier um die Schwerverletzten abzuholen. Die Helikopter landen nacheinander und holen alle ab. Wir haben auch Sanitäter dabei. In wenigen Minuten werden Boote eintreffen und die Leichtverletzten und die Unversehrten abholen.
Der Unteroffizier nickte knapp und drehte sich dann zu den Versammelten auf dem Deck um.
HERHÖREN! Alle Schwerverletzten zu den Hubschraubern schaffen, der Rest wartete auf die Boote. UND ZIEHT DIESE MÄNNER AUS DEM WASSER!
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Zwei Hornissen donnerten über die Reste der Greif hinweg und müde und verunsicherte Blicke der Soldaten folgten ihren Antrieben hinterher. Wie schwachsinnige wirkten die Verletzten, die ungläubig dem Geschehen nachhinkten und wie schwer von Begriff schienen. Trutzsche Hubschrauber schlossen sich den Fliegern bald an, doch überflogen sie das Wrack nicht, sondern schwebten über der Absturzstelle und einer landete mitten auf der Greif. Ein vertraut wirkendes Blaugrau kennzeichnete die Angerückten als Verbündete, als PVSler. Banks schaute an sich runter, konnte aber nicht mehr viel von dem Blaugrau ausmachen. Auch die meisten anderen Soldaten sahen nicht mehr ganz so vorbildhaft aus, wie man es von ihnen gewöhnt war. Vielleicht waren hier doch keine Verbündeten gekommen. Es waren Trutzler. Menschen, die viele hundert Kilometer entfernt von ihnen lebten. Soweit dachte Banks noch. Dass die Trutzler wohl nicht ganz umsonst hier waren, vermutlich vor allem wegen des Absturzes, war ihm im Moment egal. Der Körper war nicht ganz Herr der eigenen Sinne und ein wenig geschockt. Einer der Trutzler lief zielstrebig auf einen Gohomorer zu. Der drehte sich daraufhin um und schrie über den Rotorenlärm der Trutzvehikel hinweg:
HERHÖREN! Alle Schwerverletzten zu den Hubschraubern schaffen, der Rest wartete auf die Boote. UND ZIEHT DIESE MÄNNER AUS DEM WASSER!
Fragend drehten sich manche Gesichter zu den Kommissaren, in deren Nähe einige der vierten Gruppe standen, saßen und ihren Kreislauf sonst wie aufrecht erhielten. Banks fragte etwas abwesend das, was wohl den meisten durch den Kopf ging: Können wir denen trauen? Jegliche Form und Haltung war dabei unmöglich.
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Was für eine alberne Frage Banks. Entgegnete Altmann, welcher die Bemerkung des Halbcatachaners gehört hatte. Die Männer gehören der gleichen Armee wie sie und ich an, also sind es ihre Kameraden. Allein für die Andeutung ein Mitglied der PVS könnte unloyal sein hätten sie einmal mehr die Peitsche verdient. Lediglich die Tatsache das wir sie noch zum Verwundetentragen brauchen rettet sie davor. Und jetzt hören sie auf daherzuschwätzen wie in einem schlechten Agentenfilm und leisten sie den Anweisungen der Hilfskräften Folge.
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Tatsächlich trafen auch sehr bald die angekündigten Boote ein und die Rettungsaktion ging zügig voran. Das war erstaunlich, musste der Absturz des großen Luftschiffes, mitten in bebautes Gebiet, die Leistungsfähigkeit der Rettungskräfte doch an ihre Grenzen bringen. Die Überlebenden der Greif, welche nicht in den Helikoptern fortgeschafft wurden waren, verteilten sich derweil auf drei Torpedoboote, ein Kurierschiff und einen zivilen Fischereikutter. Letzteren hätte man in Gohmor sicherlich nicht heranziehen können, denn die Gewässer rings um die Hauptstadt beherbergten nichts lebendiges, oder besser gesagt unmutiertes, mehr.
Während eine Wachmannschaft des Heimatschutzes auf dem Wrack zurückblieb, steuerten die überschaubare Flotte die hohe See an und hielt sich längst zu Küste. Noch immer tobte in den Hafenanlagen ein gewaltiges Feuer und die Rundumleuchten und Signallichter der Löschfahrzeuge wirken kläglich und hilflos. Wie als wollen die Truztianer ihren Kameraden dieses Schauspiel, einer Aufführung gleich, zeigen glitten die Boote daran vorbei. Doch eine derartige Assoziation wäre des Interpretierens zuviel gewesen, war sie doch lediglich dem Umstand geschuldet das man auf ein frachterartiges Hochseeschiff zuhielt, welches vor der Küste vor Anker lag. Begleitet von drei wehrfähigen Dampffregatten ließ sich an der aufgemalten Schlange die Funktion als Lazarettschiff ausmachen.
Später sollte bekannt werden das es sich um die Augusta Sem, aus Brunsberg handelte, welche in diesen Gewässern ein Manöver fuhr. Natürlich war die medizinische Belegschaft sofort zur Unterstützung zum Festland geeilt, doch die Ausrüstung und die verbleibende Rumpfbesatzung war mehr als ausreichend um die eintreffenden PVSler zu behandeln.
Während Armeeärzte um das Leben einiger besonders schwerer Fälle kämpften und Assistenten die routinemäßigeren Operationen und Behandlungen vornahmen, fand sich der Rest der Überlebenden in einem der vielen Genesungsschlafsäle wieder. Saubere Betten und Bandagen, Medikamente und vor allem die Möglichkeit auf Schlaf…
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Alles was noch unter Schmerzmitteln belastbare Arme und Beine hatte, wurde herangezogen, die Verwundeten zu verladen. Die akuten Notfälle wurden nach Möglichkeit zu den Hubschraubern gebracht, die die Distanz zum Festland binnen weniger Minuten zurücklegen konnten. Alles andere, das irgendwie die Reste einer Uniform trug, wurde auf die kurze Zeit später eingetroffenen Boote gebracht. Die ins Wasser gefallenen Soldaten wurden nahe der Greif vom eigenen Personal herausgezogen. Alle anderen mussten von der trutzschen PVS-Delegation geborgen werden. In der Hektik der Eile und der besonderen Situation war eine angemessene Anamnese der Verletzten kaum möglich und vielfach wurde mangels Ausbildung falsch angefasst.. So mancher an der Wirbelsäule geschädigter Soldat schaffte den Transport nicht mehr oder würde nach der Notversorgung und einem längeren Aufenthalt in einem Krankenhaus die Planetaren Verteidigungsstreitkräfte verlassen müssen. Alles in allem kein guter Tag für die PVS Korons. Es war verblüffend, wie gut die Trutzler agierten und reagierten und immer noch diese Mittel erübrigen konnten, obwohl vor kurzer Zeit erst ein gewaltiges Luftschiff in Mitten ihrer Makropole abgestürzt war. Die Zahl der Toten würde wohl nur schwer zu beziffern sein, so gigantisch musste sie durch dieses Unglück sein. Und hinzu kamen dann noch die Verunsicherung, vielleicht Panik, Aggression und Plünderei, die es neben der Versorgung und der Bergung einzudämmen galt.
Ace stieg erschöpft auf eines der Torpedoboote und ließ sich zu einem unbekannten Ziel fahren. Hoch ragten die vielen Rauchsäulen aus Trutz auf, wo der Absturz der Architendes Prios Leben vernichtet, Kultur zerstört und Feuer gelegt hatte. Die Stadt war in Aufruhr, was zwar aus dieser Entfernung nicht zu sehen war, wozu aber jeder Gedankengang führen musste. Das kühle Meer stob am Bugkiel auseinander und kaltes Nass spritzte hin und wieder in Aces Gesicht. Das Meerwasser schmeckte etwas salzig, vielleicht auch etwas schmutzig. Oder war das der Geschmack seines eigenen Schweißes auf seinen Lippen? Er hatte unbegründeterweise erwartet, dass es bitter schmeckt. Während der gesamten Fahrt sprach Levy kein Wort.
Auf der Augusta Sem wurden die Ankömmlinge in einer sich lange hinziehenden Prozedur von der Rumpfmannschaft versorgt. Der Großteil des Lazarettschiffes war wohl zu Hilfsleistungen in die schwer getroffene Makropole beordert worden. Danach entließ man die halbwegs fitten PVSler in große Schlafsäle mit gemeinschaftlich zu nutzenden Sanitäreinrichtungen.
Ermattet ließt sich Levy auf einer der freien Schlafmatten nieder. Es erinnerte ihn ein wenig an die Überfahrt von Pryarch IV zu dem Kampfplatz, an dem sie so stark hatten einstecken müssen. Bloß war er jetzt schon verletzt. Sein rechter Arm war unglücklicherweise etwas verstaucht und mit zwei einfachen Dreiecktüchern etwas stabilisiert worden. Levy zog sich die Stiefel und die Armeesocken aus und ließ seine Füße etwas atmen. Er konnte nicht schlafen, hatte aber auch nichts mehr, dass er reinigen konnte. Ohnehin war das Reinigungskit im Meer unbrauchbar geworden und mit Koppel und Rüstung abgesoffen. Verdammt, wieso habe ich meine Waffe bloß weggeschmissen?
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Das schwimmende Krankenhaus dampfte gemächlich auf die offene See, während noch immer Hubschrauber kamen und gingen. Die Flugsachmaschinen brachten Austauschpersonal oder nahmen Verletzte mit, deren Behandlung sich doch als zu schwer erwiesen hatte um sie an Bord behandeln zu können. Unter Mannschaften und Feldwebeln wusste man zu berichten, von einem der gehört hatte wie ein anderer sich mit einem anderen unterhalten hatte, der es wiederum von einem anderen hatte, das Genesene aus Truzt direkt nach Gohmor geflogen werden sollten. Man verbrachten den ersten Tag also damit zu diskutieren wie dieses Verhalten in das menschenverachtende Bild der Truztler passen. Vielmehr gab es nicht zu tun. Man verbrachte die Zeit auf dem Oberdeck, sofern nicht ans Bett gefesselt. Freilich drehten die Gespräche sich um das Geschehene und die Deutung dieser. Jedenfalls bis zum Abend des zweiten Tages.
Nach dem Abendessen nämlich, ließ man die Überlebenden der Zehnten im großen Schlafsaal antreten und reihte die Betten der tragischeren Fälle ebenfalls auf.
Die einmarschierenden Kommissare und Offiziere gaben nicht ganz das glorreiche Bild ab, das sie für gewöhnlich zu vermitteln suchten. Das Schwarz der ledergekleideten Politoffiziere war hier und da vom Weiß der Mullbinden unterbrochen, sogar einige Krücken waren zusehen. Oberst Klein hielt den Arm in einer Schlinge, hatte einen verbundenen Kopf und rot leuchteten die versorgten Schnittwunden im Gesicht.
Allein seine Stimme ließ den gewohnten Ton hören. Laut, aber nicht schreiend.
Männer und Frauen der Zehnten, Soldaten! Wir haben schockierende Stunden hinter uns, haben Kameraden verloren oder bangen noch immer um ihr Leben. Noch können wir die genaue Opferzahl nicht beziffern, denn die Lösch- und Bergungsarbeiten sind noch nicht beendet. Nicht zuletzt ist es ein Schlag gegen den Stolz Gohmors, denn der Absturz der Artichendes Prios hat die Glorie unserer Stadt aus dem Himmel gerissen.
Kameraden...
Heute morgen hat mir ein hoher, nicht näher zu benennender Beamter der Regierung die Erkenntnisse über den Absturz mitgeteilt. Dieser ereignetet sich eindeutig durch technisches Versagen und ist als Unfall zu betrachten. Offensichtlich zeichnet eine Fehlerkette in den Antriebsgondeln für den fatalen Absturz verantwortlich. Aufgrund der dadurch entstehenden Panik ist es zu einigen Fehldeutungen gekommen, die zu falschen Schlüssen und daraus resultierten Gerüchten führten. Es ist richtig, das einige Soldaten, im Angesicht der Todesangst, von der Schusswaffe Gebrauch machten und diese auch auf ihre Kameraden richteten. Es ist hingegen falsch, das es einen organisierten Widerstand oder gar eine Meuterei gab. Auch die angeblichen Sichtungen eines unbekannten Jagdfliegers und Kampfhubschraubers, der das Luftschiff beschossen haben soll, ist nicht korrekt. Vermutlich sind Einheiten der Truzt- Luftraumsicherung fehlgedeutet wurden.
Ich belehre sie hiermit darüber, das die Begründung des Absturzes als Fakten zu betrachten sind. Wer andere Gerüchte darüber in die Welt setzt macht sie der Fehlinformation und Wehrkraftzersetzung schuldig. Werden sie nach unserer Rückkehr von Vertretern der Medien auf die Vorkommnisse angesprochen, so geben sie die geschilderten Abläufe an, oder verweisen direkt auf die Pressestelle des Oberkommandos.
Diese Anweisungen stammen direkt aus dem Kabinett des Gouverneurs und sind entsprechend als Befehl zu verstehen.
Das dazu...
Wir werden in den nächsten zwei, drei Tagen in Gohmor ankommen und die Einheit neu gliedern und ausrüsten. Ich stehe noch in Verhandlung mit der Ebenen-Kommandantur ob es für sie vor dem nächsten Einsatz noch einen Tag Sonderurlaub geben wird. Aber ich bin zuversichtlich.
Ruhen sie sich aus Kameraden, der nächste Einsatz steht bereits fest.
Das wäre dann alles, wegtreten.
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Die Überlebenden der Zehnten füllten den von den Kommissaren und Offizieren nicht ausgefüllten Katalaog an möglichen Verletzungen auf waren von einzelnen und vergleichsweise wenigen Verbandswickeln bis hin zur Vollbandagierung einer Mumie gleich einteilbar. Banks folgte in dieser Hinsicht einem guten Mittelmaß, würde aber wohl keine großen Folgen davon tragen müssen und wusste auch gar nicht so recht, wovon er in der Smme alles geplagt wurde. Im Zustand einer langsam abklingenden Gehirnerschütterung konnte er die Worte Kleins als beruhigend auffassen. Über das Geschehene auf der Architendes konnte nicht viel hinweg täuschen, aber es löste etwas die innere Anspannung, zu hören, dass es sich nicht um einen Akt chaotischer Selbstjustiz verräterischer Gruppen gehandelt hatte, sondern um eine traurige Verkettung eines aus dem Ruder gelaufenen Unfalles. Schlimm genug war das allemal, waren doch viele Menschen durch dieses Unglück gewaltsam und plötzlich zu Tode gekommen, mussten gegen das Ende noch ankämpfen oder hatten Vertraute verloren. Das Fehlen einer unliebsamen Nebenaktivität durch Kriminelle würde das Geschehene für die PVS aber deutlich leichter auf- und verarbeitbar machen. Und dann kam der erlösende Satz: Wir werden in den nächsten zwei, drei Tagen in Gohmor ankommen Banks Verbindung von Ohr zu Gehirn wurde augenblicklich unterbrochen, denn das Festhalten an diesen Gedanken rettete ihm den Tag. Auch folgende Worte erreichten noch das etwas mitgenommene Denkzentrum: Ruhen sie sich aus Kameraden. Etwas, das seine schmerzenden Glieder nur zu gerne in diesen Tagen taten. Die Ankündigung des nächsten EInsatzes ging jedoch an ihm vorbei. Er hatte ja auch mal wieder Hunger...
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Eine Wolke blauen Rauchs stieg empor und vermischte sich mit den wenig angenehmen Gerüchen der Schiffstoilette. Immerhin minderte sie den Gestank etwas und Kurt zog den Tabakqualm tief ein. Mit dieser Tat reihte er sich in die Liga vorangegangen Rebellen und Helden ein, die ihre Glimmstängel, trotz verbietendem Schild, auf der Metallabdeckung der Toilettenpapierrolle ausgedrückt hatten.
“Seht ihr die Lunge dort im Klo? Schönen Gruß von LHO!“ Stand da an der Tür geschrieben. Unzählige Zeugnisse spontaner Kreativität bedeckten das imprägnierte Holz und gaben Zeugnis vom Einfallsreichtum einfacher Soldaten. Standard war “Noch 120 udRvH“ wobei das Buchstabengewirr mit “und-der-Rest-von-Heute“ zu entziffern war. Daneben fanden sich Bezeugungen ewiger Liebe, mit Annas, Marias und Claudias. Einheitenabkürzungen hielten sich die Waage mit Witzen aller, vornehmlich aber unanständiger, Art. Einige, besonders begabte Zeitgenossen hatten sich an der Darstellung von Geschlechtsteilen geübt. Bedachte man das dieses Schiff im Großteil medizinisches Personal beherbergte, hätte man eigentlich auf anatomisch Korrektheit hoffen können. Last but not least, der ewige Klassiker, “Ich war hier!“, mit oder ohne nichtssagendem Namen. Allerdings nur ein “Wer das liest ist doof“. Das wunderte Kurt, der in seiner Karriere schon mehr Scheißhauskunst gelesen hatte als Dienstanweisungen und fromme Sprüchlein. Gerne hätte auch er seinen Teil zur Ewigkeit beigetragen, etwa bestätigt das auch er hier gewesen war, oder verkündet “Die Artichendes Prios ist nicht durch einen Unfall abgestürzt, es war Verrat!“ Nur dummerweise hatte er keinen Stift dabei. Tragisch das die Verbreitung der Wahrheit an so etwas scheiterte. Naja, egal!
Wie lange sie den ganzen Schwindel aufrechtzuerhalten glaubten war ihm ohnehin schleierhaft. Die glaubten doch nicht das so viele Leute dichthalten würden, nur weil es ein Befehl war. Er fragte sich ob irgendwelche Zeitungen dafür zahlen würden und vor allem wie viel.
Während er darüber nachgrübelte strich seine Zunge unwillkürlich über die beiden neuen Zähne. Immerhin pures Gold… nun… weder pur, noch Gold, aber es sah verdammt, täuschend echt aus. Lies ihn wie einen hohen Herren aussehen und verlieh seinem, ohnehin gewinnenden, Lächeln sicher einen herrschaftlichen Anstrich. Den Zahnarzt davon zu überzeugen, das ihm diese Sonderanfertigung ausnehmend gut stehen würde war gar nicht schwer gewesen. Der Typ war ein grüner Junge und recht offen für seine Argumente.
Nachdem die Schmerzmittel aus seinem Körper gewichen waren fühlte er sich ohnedies wieder befähigt mit allen Dingen die da kommen mochten fertig zu werden. Die Prellungen ließ ihn nachts schlecht einschlafen, aber ansonsten war er recht unglimpflich durch dieses Fass voll Scheiße getaucht. Der Kommissartussi waren erstmal die Hände gebunden. Man konnte ihm ja nicht die Schuld an einem technischen Defekt geben, oder? Die Braut hatte ihm auf dem Kieker, da durfte er sich keinen Illusionen hingeben, aber vorerst würde sie ihm kein Loch verpassen wo keines hingehörte. Vorausgesetzt er war vorsichtig.
Während er seinen Revolver aus dem Holster zog und auf die Knie legte, zählte er die Risikofaktoren gedanklich ab. Der Burschen den er auf dem Schiff umgelegt hatte war zusammen mit diesem verbrannt. Asche im Wind, wie es so schön hieß. Die Hundemarke hatte er vorschriftsgemäß abgegeben und einen Bericht nachgereicht. Zur Hölle, das war nun wirklich ein Unfall gewesen. Nicht das es ihm keinen Spaß bereitet hatte diesem Wichser, der da reingestürmt gekommen war wie der letzte Vidfilmheld, eine ganze Ladung zu verpassen und den dümmlichen Gesichtsausdruck zu genießen. Aber eben trotzdem ein Unfall.
Dann die Geschichte in der Kantine, wo diese hirnlosen Affen verhinderten das er sich was von dem Zeug geklemmt hatte und dabei gleich mal einen Kameraden zu dritt verprügelten. Sehr tapfer, die braven, kleinen Zinnsoldaten. Und nun? Das Zeug war komplett beim Teufel und niemand hatte was davon.
Kurt fingerte eine Schachtel Patronen aus der Beintasche und öffnete sie. An die Kugeln war er leicht gelangt. Einen, mehr oder minder, schwarzen Markt für derartige Dinge gab es in jeder größeren Militärniederlassung, meist sogar mit stillschweigender Duldung der Obrigkeit. Dreißig Schuss für fünfzig Schekel war zwar nicht gerade eine Ausgeburt der Kundenfreundlichkeit, aber was sollte man machen?
Während er die Trommel des schweren Revolvers aufklappen ließ und die messingummantelten Geschosse in die Kammern lud gingen seine Gedanken wieder zu den Problemfragen zurück.
Der geplante Einbruch in den Laden war nichts Wildes. Schlimmstenfalls eine geäußerte Überlegung, welche die drei Mutis falsch gedeutet hatten. Sie würden schon die Fresse halten. Einen Kameraden zusammenzuschlagen zog gewiss mehr Strafe nach sich als die ausgesprochene Absicht einen Laden auf einem abgeschmierten Luftschiff um ein paar Kippen zu erleichtern.
Was war noch? Ach ja, er hatte auf den Kompaniechef geschossen. Aber nur um den Geiselnehmer hinter ihm abzuknallen und schließlich lebte der Alte ja noch. Einen imperatorverdammten Orden hätte er verdient. Aber davon könnte er sich auch nichts kaufen. Das Größte war sein Seitenwechsel. Wären die Dinge anders gelaufen hätte er tatsächlich die Fronten gewechselt. Die Aktion hatte ihn näher an die Mündung einer Kommissarswaffe gerückt als alles was er sich bis dato so geleistet hatte. Aber he, wenn das nicht göttliche Fügung war. Der Gouverneur persönlich war ihm zur Hilfe gekommen. Wenn die Typen nur verwirrte Spinner gewesen waren, dann konnte er sich ja schlecht auf ihre Seite schlagen. Freispruch für den Angeklagten in allen Punkten, Bada bi Bada bum. So löste sich alles in Wohlgefallen auf. Das war jedenfalls zu hoffen. Inzwischen war er froh den schwimmenden Fahnenfluchtsversuch nicht unternommen zu haben. Davon abgesehen das er bei der Temperatur eine hübsche Wasserleiche abgegeben hätte, wäre er auch so nicht weit gekommen. Truzt und Gohmor waren sich vielleicht nicht grün, aber das bedeute nicht das man in der Megapole keine Jagd auf Deserteure machte. Leicht verdientes Kopfgeld. Nein, sowas musste ordentlich geplant sein. Denn sein Vorhaben hatte er keineswegs aufgegeben. In dieser Einheit gab es keine Zukunft. Mann musste kein Genie sein um zu sehen das die Zehnte auf dem absteigenden Ast war. Ständige Skandale, hohe Verluste und das Wohlwollen des Gouverneurs verflüchtigte sich auch zusehends. An Versetzung war nicht zu denken, also blieb nur eine berufliche “Neuorientierung“. Die Aussicht auf eine neuerliche Mission, die nichts einbrauchte außer die Läufe irgendwelcher Feinde vor sich und die Mündungen der Kommissare hinter sich. Davon hatte er die Schnauze gehörig voll.
Er ließ die Trommel des Revolvers zuschnappen und verstaute die Waffe.
Vielleicht sollte er sich an die Leute von Truzt wenden. Man wusste ja nicht, sollte es zum Krieg kommen, ob er auf der Gewinnerseite stand.
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Also Richtung Heimat, wohl behütet von den Begleitschiffen. Auch das Wetter war den Soldaten wohlgesonnen. Nur einen einzigen Sturm mussten sie über sich ergehen lassen und dessen größte Auswirkung war die, das sich unter den wenig seeerfahrenen Infanteristen der Verbrauch von Kotztüten in die Höhe schraubte. Ansonsten empfing Gohmor seine Kinder mit dem schönsten Wetter das es aufzubieten hatte. Stahlgrauer Himmel voll tiefhängender Wolken, in ihrer chemisch verfärbten Pracht von Blitzen erhellt. Träge schwappte das verseuchte Hafenbeckenwasser gegen den Schiffsrumpf und hinterließ bräunlich- schwarze Schmiere, immer wenn es zurückfloss.
Schon seit gestern war das Tragen der Schutzmasken an Deck wieder unbedingte Pflicht. Während das schwimmende Krankenhaus auf die Makropole zuhielt, versammelte sich die Reste der Zehnten am Bug und blickten an dem, von Menschenhand erschaffenen, Stahlgebirge empor. Eine dreckspeiende, klaustrophobisch drohende Lobhymne auf die Glorie des Gottkaisers und das Menschengeschlecht.
Ein absurder Gedanke eine Macht könne sich anschicken dieses Gebilde zu bedrohen. Ließ man den Blick über die Zinnen, Türme und Gebäudespitzen wandern, konnte man die Geschütze und Abwehrbatterien unmöglich übersehen, welche den aufragenden Hive geradezu verkrusteten. Dabei war zu bedenken das man nur den Fuß der Stadt erblickte, lag doch alles darüber im ewigen Smog stetiger Produktivität. Für derartige Betrachtungen gab es genügend Zeit, denn es dauerte bis die Augusta Sem zwischen der Unmenge andere Schiffe festmachte und die Einheit von Bord ging. Routiniert folgte die Prozedur des Durchzählens und Verteilens auf die bereitstehenden LKWs. Der Tag ging bereits in den Nachmittag über als man den Weg zur Kaserne antrat. Dort angekommen wurden jene ins Krankenrevier verfrachte, deren Zustand einen aktiven Dienst noch nicht wieder zuließ. Klein gehörte zu ihnen. Dem Rest, es waren wahrlich nicht viele, wurde verkündet das sie ihre Ausrüstung aufstocken sollten, da wo Teile verlorengegangen waren. Anschließend bekam die Einheit den Rest des Tages, sowie den darauffolgenden Tag frei. Es wurde angeraten diese Zeit für innere Einkehr und vielleicht ein Gebet für die getöteten Kameraden zu nutzen. Mehr konnte für die psychologische Betreuung nicht getan werden.
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Die langsame Überfahrt der Augusta Sem über den gefühlt halben Planeten war nicht so schrecklich, wie es häufig für Lysander war, wenn er mit unzählig uninteressanten und bedeutungslosen Lumpengestalten auf engem Raum eingepfercht war. Eingepfercht, was für ein Gedankengang, der Lysander jedes Mal begleitete, wenn ein Transport anstand. Wie die Tiere. Und wahrlich waren all diese tölpelhaften Draufgänger entbehrliches Schlachtvieh. Was dieses Mal die Reise angenehmer gestaltete, waren die jüngsten Ereignisse und dass mit Lysander einer der wenigen unentbehrlichen Figuren in diesen Streitkräften überlebt hatte. Sehr viele waren tot. Auf einen Schlag gestorben in dem unzuverlässigen Riesenphallus dieser arroganten Sirisverräter. Diese regierungskonformen Kleinkriminellen. Und nett war, dass es Trutz nicht besser ging. Nein, Trutz musste viel mehr Groll gegen die neue und unfähige Regierung Gohmors entwickeln. Vielleicht war das eine Chance. Eine gute sogar, bei der er seine Position in diesem schlecht organisierten Militär überdenken sollte? Man hatte gesehen, wie effektiv die Trutzler trotz des gewaltigen Einschlages operiert hatten. Die Gohmorer hätten nur ihren allgegenwärtigen Dreck vorausschicken können, der alles dahingerafft hätte. Ja, das war Gohmor. Das war die größte und vermeintlich bedeutenste Stadt Koron IIIs. Das war, was er verteidigen wollte. Nicht in der PVS. Nicht langfristig. Den Planeten selbst. Auch nicht um der Erde Willen. Um Korons Willen! Um das Koron, wie es einmal war: glorreich und stark. Egal, wie lange das schon her war. Ein Bürgerkrieg wäre deshalb gar eine gute Gelegenheit, den einen oder anderen Widersacher unter dem Schutt von Korruption, Illoyalität und Habgier zu begraben. Und die Liste war nicht sehr kurz. Dem Haus Orsius könnte man durch geschicktes Taktieren eine Vormachtstellung einräumen und das Haus Siris zurück in die Steinzeitdrittklassiger Häuser werfen. Und den Gouverneur gleich mit ihnen. Tot. Als Warnung.
Gohmor bekam seine Warnung nun ausgeliefert. Eine Reihe schwarzer Säcke und viel Asche in Trutz.
Beten für gefallene Kamaraden? Lysander schaute auf seinen verletzten Arm. Wohl kaum. Sich innerlich freuen, dass das Schicksal ihm so hold war, so viele Belästiger auf einen schnellen Schlag aus seinen Weg zu fegen. Als er von Bord trat, gab es etwas, dass man nie vermissen würde. Der penetrante Gestank der Brackwässer, der einem dank des häufigen Landwindes stetig nachgeweht wurde. Endlos lange und uneffiziente Entladungsprozeduren verzögerten auf unerträgliche Weise das Abrücken zur Kaserne, wo Lysander schnellst möglich die Ruhe seiner Privatstube genießen wollte. Man reihte sich auf, man zählte durch, man trug, was nicht mehr gehen konnte, man sammelte ein, was rumlag. Dieses Mal war man gründlich, denn man traute sich keine weiteren Eskapaden mit einer Trutzeinheit. Für manche waren es schwarze Tage. Für Lysander war es wie die Wolkendecke Gohmors: Grau, deutlich heller als schwarz.
Man fuhr irgendwann Gruppenweise mit Lastkraftwagen in die Kaserne ein. Man schwieg viel, was Lysander als angenehm empfand. Nicht andauernd dieses sinnlose Prahlgeschwätz dieser unfähigen Mannschafter hören.
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