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Ebene von Rasankur
#1
Al Chaliks “Hof” spottete nicht etwa jenem uralten Wortlaut, welcher sich wohl einst aus feudalen Gebräuchen heraus entwickelt haben musste, sich seine kriegerischen Knechte im Saal zu empfangen.

Dennoch, gelinde gesprochen befremdlich, scheute dennoch weder Vergleich noch Ebenmaß am Palaste jenes frisch gekürten Göttersohnes, selbst wenn diese gänzlich andere Dimensionen, erwachsen aus möglicherweise unterschiedlichen Gedankenwelten waren. Rasankur war… antik, massiv, ein in glatten Alabastern gehauenes Meisterwerk aus Zeiten, in welchen göttliche Imperatoren noch ferner denn die goldenen Sterne selbst gewesen sein mochten, war ein Relikt und Juwel jener früheren Hoheitsepoche, und dennoch nur ein Bruchteil jener Welt wie sie sie vorgefunden hatten.

Was sich hier abspielte, waren manierlich gesprochen wohl auswüchse eines anderen, für zivilisierte Völker wenig begreifliche Sitten. Thronend aufragend wie die gewaltige Masse der östlichen Zentralmassive, türmten sich die einzelnen Luftschleusen des fleischigen Beduinenzeltes nebeneinander auf, zierten wie gedungene Minarette die sonst schnörkellose Fassade, während rundherum geschäftiges Handwerk herrschen mochte. Von allen erdenklichen Himmelskrümmungen drangen die melodischen Saitenschläge heran, wälzte sich erglühter Stahl unterm unnachgiebigen Hämmern muskelbepackter Schmiedeknechte unterschiedlichster Abstammung, murmelnden greise lumpengehüllte Prediger ihrer formschönen Verse herab oder lullten die Trostlosigkeit des eigenen Lebens mittels imposanter Epen ein, das wenige an ansehnlichem Weibsvolk umsorgte männliche Nöte, sei dies sanitärer oder mehr fleischlicher Natur, während meist fluchende Bestienmeister elefantöse Kreaturen bar jeder schützenden Hauthülle geißelten.

Innerhalb seines mit herrlichen Tawata-Seidenteppichen behangenen Yurts, schwerlich aufstoßend ein jeglicher noch so süß durchwirkter Atemzug, rang man an wüsten Eindrücken fast schon um die Besinnung. Über meist niedere Krummholzschemel, geziert durch verworrene Kaligraphien dieser selbst ihr unbekannten Menschenzunge, würfelten tattrige Uralte in schwarz umrahmten Knochenköchern zersplitterte Totems, welch sorgfältig studiertes Muster sich nun aus den scheinbar willkürlich hervorperlenden Münzen, Juwelen und Klingenstückchen ergab. Schwindlig wankende Dirnen in spärlichen kupferdurchwobenen Bändchen tänzelten um besonders verdienstete Kriegerräte, schürzten ihre meist tätowierten Unterleiber an deren narbige Glieder, ließen sich spärlich gesäte flüchtige Tätscheleien gefallen, während ein oder zwei sie sogar lustvoll aus dem eigenen goldenen Pokal schlürfen ließen. Drogenversetzt, vollmundig und bar des überbewerteten leichten Teints, wie in imperiales Volk sosehr liebte. Gurrend, erstickend schwach unter den verhüllenden Schleiern ihrer zierlich geschminkten Mündchen, wedelten sie mit goldenen Palmstangen ihrem ebenso kriegerischen wie imposanten Fürsten kühlende Linderung zu, wenngleich jener im Schneidersitz wie fest verwachsen mit dem schwarzen Polstern schien.

Nicht etwa unansehnlich, grob oder gar aufgebläht wie so manch anderer Kriegsherr erschien er, viel mehr ein gepflegtes Ebenbild jenes einen längst verstrichenen Monarchen Rasankurs, welchen sie unlängst in ebenso verstohlenen Träumen erblicken hatte dürfen. Mächtig gegürtet wohlweißlich ein goldener Panzerreif, schwer behangen mit Reliquiaren einzelner unterworfener Stämme, so etwa sorgsam poliertes Geschmeide, abgebrochene Stilette unterjochter Fürsten, Fingerknöchel irgendwelcher Propheten oder abgeschorene Bartsträhnen, ebenso als Zeichen sklavischer Ergebenheit. Kastanienbraun, so mochte man jene Kolorierung einst getauft haben, wenngleich es dieser Tage beinahe keine mehr gab, schwelgte die rauschende Mähnentracht zweifelsohne parfümiert und gebadet in flüchtigen Rosenwassern, über die grün-weiß gestreiften Seidentücher der Mannesbrust herab. Ineinander geflochtene hauchdünne Röllchen formten seinen etwa torsolangen Bart zu jener Pracht wie man sie ansonsten lediglich auf den ältesten ihr bekannten Reliefs Rasankurs finden mochte, so schaukelte wohl auch jener Fürst in ruhmlosen Wahnvorstellungen uralter Geschlechter, gleichsam wie es eben jener Tat, welchem sie sich zuerst verpflichtet hatte. Nun endlich schlitzten sich die schwarzgemalten Augenlider, ehe sich darunter perlmutweiße, aderlose Äpfel zeigten, merklich beschwichtigender, feuerloser den Kogans herrschaftliches Antlitz, kündeten jene von anderen, möglicherweise sogar vernünftigeren Herrschaftsformen, wenngleich dieser hier nicht weniger grausam sein mochte, wie sie im Ritt des angebrochenen Tages hatte feststellen können. Gewissermaßen war seine Heerlager gespickt von politischen Verrätern oder so befundenen Schwächlingen, und dennoch war jenes erst ein Vorgeschmack auf jene wahre Macht dahinter gewesen, sofern auch jener Meldereiter Kogans, nur auf eine drein Tage vorauseilende Späherschar gestoßen sein mochte. Annähernd zwei Tage mochten schon verstrichen sein, da sie sich klammheimlich nach einer ersten Unterredung mit dem Botschafter davongestohlen hatte, dies während Kogan sich noch den Freuden eines Bades hingegeben hatte.

“Großmächtiger, dies störrische Weib ritt uns an den Felsen von Anschad und Tiutes ins aufgestellte Netz!” , wenig einfühlsam geschweige denn freundlich warf man sie ruckartig auf die Knie, drückte ihr auch das goldene Haupt so nieder, das sie lediglich die gebogenen Fußspitzen ihres sitzenden Gegenübers betrachten konnte, schon die gekrümmte Schärfe der Stahlklinge überdeutlich im Nacken fühlend, “Hauptmann Ardanesch selbst unterwarf die Widerspenstige, schoss ihr noch den tobenden Carnak unterm Sattel weg, und entwand dies…” , ihr wundersames Szepter wurde auf abgöttische Weise von zwei herbeischlendernden Dienerinnen perfekter Statur entgegengenommen und erst durch ihre Hände dem “Großmächtigen” überreicht, ein Terminus welchen sie dieser Tage nur allzu oft vernahm, “… ihren schändlichen Klauen! Dies sei mein Gottestribut an Euch, Kriegsfürst, eine beeindruckende Waffe, welcher lediglich durch menschliches Sinnen geführt werden kann, so scheint es mir!” , etwas abfällig drückte er den Absatz seines staubigen Reitstiefels in ihren Nacken, dies Szene mochte wohl etwas von erlegtem Wild haben, “Dies irrwitzige Weib sprengte von den genommenen Mauern Ras-an-Kurs her, zweifellos eine mindre Dirne oder entlaufene Sklavin jenes ungläubigen Carnaksmisters, ritt sie doch gerade als sei des toten Gottes goldener Adle hintendrein!”

“Man gewähre ihr das geschätzte Geschenk der Sprache!” , fegte er beiläufigen Handstreichs die unrühmlichen Vorkehrungen seines Spähmeisters hinfort, welcher diesem auch nur allzu gerne folge leistete, “So sprich, Sklavin, was vernimmt Unser Ohr, wenn es lauscht gen Ras-an-Kur, welche schimpflichen Taten vollbringt jener heimtückische Grabräuber in jenen gesegneten Mauern welche rechtens Heimstatt Unsrer Ahnen sind?”
“Mein bescheidener Dank ringelt sich im Staub zu euren Füßen, Großmächtiger…” , leicht nur das Kinn anhebend, und dennoch schon mit scharfen Worten gestraft einen Tritt in die Rippen fühlend, nicht aufsehen, nur allzu bekannt, “Vergebung…”
“Nicht für derart nutzloses Volk, Sklavin!” , er setzte ihren eignen geschenkten Stab mit der zusammengefalteten Spitze voran an ihre Kehle, “Beweise irgendeine Form des Nutzens für Uns, oder Wir lassen dir bei lebendigem Leibe die schneeweiße Haut abziehen. Man kündete Uns du seiest geflohen aus Ras-an-Kur, wie Wir bereits zuvor zu hören wünschten, was gibt es zu berichten aus jener Stätte?”
“Nichts von erwähnenswerter Bedeutung, großer… Meister, allein ein wahnsinniger Fürst regiert, zieht den frevlerischen Abschaum jener Welt um seinen Rocksaum und meint sich selbst zum Gott erheben zu dürfen.” , schwach nickte sie zu ihren ersonnene Verleumdungen wider jenen einzig wahren Herren aller Schlachten, wissend das sie nun auf rasiermesserscharfen Schneiden balancierte, “Sein wohl einst geschulter Männergeist dünkt mir schwarz bewölkt, umnachtet durch den flüchtig erhaschten Geschmack einer solch gewaltigen Macht…”
“Nicht einlullende Tratscherei noch schmeichelnde Lästerworte fordern Wir, sondern leibhaftig nützliche Information, so du diese Uns nicht geben kannst, sollst du fortgeschafft werden!” , donnerte jener plötzlich weitaus weniger gefasst, wohl gereizt durch die oftmalige Erwähnung von Macht und Ohnmacht, unterstrich diese seine Forderung wie überflüssig noch mit einem leichten Schnitt an ihrem Hals, wie ein beiläufig hingeschmierter Pinselstrich purpurner Färbung.
“Vergebung, Großmächtiger…” , unterwürfigst den besudelten Teppichsaum zu seinen Füßen küssend, “… nicht Köpfezahlen vermag ich euch zu nennen, doch was an spärlich gesäten Waffen noch vorhanden ist, meist simple Büchsen oder fast verrostete Klingen, verteilt er unter schmächtige Halbwüchsige, während er selbst weit ausgestreckt auf eurem Throne darniederliegt und säuft wie zwanzig Carnaks!” , ungläubig hob sich eine schwarze Braue des Regenten, während er sie nun scheinbar eindringlicher musterte, “… weder großer Feldherr noch Stratege ist er, ein kümmerlicher kleiner Katzbuckler vor dem toten Gott, ein… minderbemittelter Agent jenes größeren Übels aus Gohmor, einzig dazu ersonnen, eure Stämme aufzuspalten, auf das ihre schwachen Truppen leichtere Ernte halten können…” , unterdessen senkte eine von jenen Vieren, zwei waren bereits vorgetreten, die violett gefärbten Lippen an sein Ohr, lautlos flüsternd.
“Wenn dies wahre Worte sind, welche Rolle, sofern es Uns betrifft, trugst du dann wohl auf deinen Schultern, Sklavin?”
“Oh Großmächtiger, kein leichtes Los bescherten mir die launischen Götter eurer Welt, als Waisenkind gestohlen, verdingte ich mich Zeit meines kurzen Lebens als geschulte Lyraspielerin, aber auch den verschiedenen Geistern bin ich zugewandt” , nun begab sie sich gleichwohl in wahrhaft gefährliches Terrain, wusste sie doch fast schon was folgen musste, “und vermag sogar in den himmlischen Gestirnen zu lesen…”
“Warum, sofern du wahr sprichst, sollte ein jämmerlicher Trunkenbold wie jener Emporkömmling sich eine Traumdeuterin halten, so fragen Wir dich?” , eine andere, eine wohl für männliche Belange aufreizende Schwarzhaarige beugte sich barbusig an sein linkes Ohr herab, “Welch weiser Ratschlag, Unser Täubchen…” , brennend signalisierte ein keimendes Bewusstsein das er in eben jenem Augenblick sie mehr als deutlich anstarrte, “… Wir gedenken dich einer Prüfung zu unterziehen, Sklavin, sofern du wahr sprichst, und tatsächlich mit den Geistern zu sprechen vermagst, so werden Wir dich unsrem “Staate” angliedern… Belügst du Uns allerdings, so werden Wir dein Blütenweiß ablösen durch blutigrote Striemen, so ein jeder meiner Knechte sich an die Vergnügen soll, noch ehe wir sie gänzlich abziehen und wie ein Heerbanner vorantragen, so wollen Wir dein schändliches Fleisch salzen und ans Unsere Bestien verfüttern…” , noch ehe sie es sich versah, nahm jener Hauptmann den Stiefel aus ihrem Nacken, auch die krumme Klinge fort, da klatschte jener Regent zweimalig schwer in seine Hände…
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#2
Stille stahl sich ein, zwischen erklungene Freuden und verstummten Gesang, was an spärlich gewandeten Weibsvolk noch getanzt hatte, regte sich nicht mehr. Zwei beleibte Riesen, deren aufgeblähter Wanst versiert von Pusteln und eitrigen Ekzemen einzig von dicken Lederbändern in Form gehalten wurde, schleppten eine flache gezimmerte Platte heran, welche über zwei der “Tanzbühnen” aufgebahrt wurde und somit unmittelbar vor Melanie einen behelfsmäßigen Tisch bildete. Schweigen war eingetreten, und jene sich anspannende Gemütsruhe, übertrug sich auch auf die konsterniert starrenden “Höflinge” Al Chaliks, deren vormals noch feiernde Mienen sich nun zu langen Schatten trübten. Welch Schauspiel auch immer sie erwarten würde, es war vorhersehbar, das dies nie und nimmer etwas gutes verheißen mochte. Just erhob sich aus der gesichtslosen Masse ein einzelner Mann, das offenbar verwüstete Gesicht durch eine goldene Maske, welche stetig lächelte, verborgen. Auch jene symbolisierte einen Mann, bärtig, farblose, lidlose Augen aufgerissen, aufmerksam dreinblickend, nicht etwa bedrohlich oder einschüchternd, viel mehr das geübte Maß eines Magus, wie man es nun mal aus verstaubten Büchern wusste. Aus einer gleichsam schmächtigen wie prächtigen Lade barg er drei dünne seidene Schleier, welche er in handbreitem Abstand vor ihr auf die Platte legte, der erste von erstrahlendem Safran, der zweite von erfrischendem Azur, der dritte allerdings zornstrahlend von dunklem Zinnober.

“Dies sind die drei Schleier Al Chaliks, ein jeder entrissen aus den Händen eines seiner bevorzugten Weiber, ein jeder Symbol seiner Herrlichkeit über ein sandiges Reich der Wüste, den jedes Weib war gleichsam eine Stammesprinzessin! Esia, Tochter des Ai Chani, Tribut der Wüste Jai-Nal! Niobe, Tochter des Eleok, Tribut der Wüsten Edea und Achemend! Tscholeni, Tribut der Wüste Uduna!” , zu jedem abklingenden Namen erschallte ein angeschlagener schwerer Gong, während alle mit Ausnahme des Kriegsfürsten, diesen melodisch, schlangentänzelnd wiederholten, “Dies sind die Eroberungen unseres gewaltigen Fürsten Al Chalik, gepriesen sei sein Name über den jedes falschen Stammesfürsten! Einzig Al Chalik vermag alle Wüsten unter einem Banner zu einen um schließlich die geweihten Ländereien von den Fremden zu befreien! In all seiner Gnade und Güte, verkündet unser Fürst folgendes, wenn das Seherweib wahrlich jene Begabung besitze, so möge sie den rechten Schleier aus jenen Drei erwählen, den nur einer gehörte wahrhaftig einer seiner Konkubinen, alle anderen sind verdorbene Trophäen jener die einstmals aufbegehrten! Wähle nun, Weib, und wähle klug, den ein fälschlich verkündetes Wort mag dir Leib und Seele kosten!”

So war dies nun also jene verheißene “Prüfung”, welche sie bestehen sollte, sofern sie Interesse an weiteren Atemzügen hätte. Fast schon bittere Parodie erschien es ihr, wie man ihr derlei viele “Schwüre”, “Beweise” und “Taten” abforderte, gänzlich unbedeutend von welcher Fürstenhand sie sich entwand. Allerdings, so befand sie, erübrigte sich lediglich eine unvermittelte Menschenfrage, nämlich, ob derlei “Wissen” überhaupt erstehlbar war. Was mochte man schon aus dargebrachten Seidenfetzen lesen, welche noch so geringe Information mochte man aus dem luftig gewobenen Raupenfäden entziehen, ohne diese dabei mit speziellen Vorrichtungen und kriminalistischen Instrumenten zerlegen zu müssen? Sie hatte übereifrige reagiert, zu schnell geschossen, und dennoch wusste sie, das es dies zu überwinden galt, um weiterhin einem vorgegebenem Pfad folgen zu können. So streckte sie nun die rechte Hand, zitternd, kreisend wie ein erhabener Magus, flüsternd, murmelnd abgebrochene “Verse” wiederholend, was sie so manchen “verwirrten” Blick einheimsen ließ.

Jedoch, allmählich, erspürte sie zwischen den einzelnen Fältchen ihrer Fingerkuppen, unscheinbar geringe Spinnzwirn, wie sie etwa ein solches Tier vom Hinterleib her weben mochte. Die zusammengepressten, weniger den hauchdünnen Fäden, flossen wie erhitzter Sirup zwischen den Gliedern hindurch, nur geringste Kügelchen hafteten an den rauen Abschürfungen der Haut, gerade mal ausreichend um es derartig ertasten zu können.

Safran. Nicht zu erwarten, bedachte man die angebliche Herkunft jenes Stoffes. In tiefer liegenden Pigmenten verborgen, winziges rotes Salzkorn, fein zerrieben, überzog es nachhaltig besudelnd dessen relative Reinheit. Sofern man sich konzentrieren mochte, wandelten sich die zerrissenen Raupenfäden, die fransigen, durchtrennten Enden aneinandergliedernd, zu einem gänzlich anderem Muster. Es widerspiegelte ein einstmals wohl kostspieliges Halstuch, die makellosen citrinfarbenen Schlaufen waren durch schwarze und weiße Flecken unterbrochen, welche aus höherer Distanz betrachtet, wohl umkreisende Bienen darstellen sollten. Unzweifelhaft jedoch, gehörte jene angestaute Leibesmasse welches es umschloss, eine schwabbelige, doppelkinnige Gurgel, nicht zu einer hübschen Konkubine. Noch immer lagen seine eingetrockneten Hautschuppen säuberlich durch stählerne Zangen durchtrennt in den gewellten Rippen seines Tuches. Die träge auf und ab schwingende Resonanz seine Agonie vollgesogenen Todesschreies hallte noch wie ein abklingendes Echo im luftleeren Raum nach.

Ähnlich verhielt es sich bei beiden anderen Schleiern, sie waren nicht etwa wahrhaftig das was sie sein sollten, sondern lediglich Fetzen eines größeren Stückes, azur entsprach dem zerrissenen Schoßrock eines gohmoranischen Fernhändlers, welcher auf halber Strecke aufgelauert und abgeschlachtet wurde. Zinnober schließlich, entsprach dem bescheidenen Äquivalent einer imperialen Kardinalsrobe, genau wie sie eben von Missionaren dieser Welt so gerne getragen wurde. Wie hier, verhalf dies, eine überaus willkommene Zielerleichterung für einen Schützen zu bilden. Ablehnend hob sie schließlich den Kopf, schüttelnd, während sie mit den Händen zurück an ihren Schoß glitt.

“Dies ist alles belangloses Blendwerk, Großmächtiger, jeder einzelne dieser Schleier ein Trug, ein launischer Schwindel… Dieser hier, Safran, luftig leicht, von östlicher Faserung, wurde einem stattlichen Stammesfürsten genommen, nachdem sein Haupt von den Schultern rollte… dieser hier, Azur, klar wie das erhoffte Eis des Nordens, geraubt von den Beinkleidern eines weitgereisten Merkantilisten… Und dieser von blutigem Zinnober, mochte einst einem frevlerischen Ketzermeister des Goldenen Adlers gehört haben, ehe ihr ihn seiner Haut beraubt durch die Wüste irren ließet.”
“Dies entspricht den reinen Worten wie sie vom Saft der Rebe herabperlen, Wir sind erstaunt darüber, das du Uns nicht betrogen hast, Seherweib, so wollen Wir deinem Wort nun ein Sandkorn des Glaubens beimessen, so erzähle Uns, vom Heer des Lügners.”
“Großmächtiger, das “Heer” des Usurpators ist schwach, gänzlich unloyal, sind die wenigen welche er um sich scharrte “Kehlenschlitzer” welche ihm beim kleinsten Zeichen verraten würden! Was sich an aufrechtem Wüstenvolk um seinen Wahnsinn versammelt hat, sind grausam entstellte Unholde, welche für ketzerische Taten aus früheren Leben bestraft wurden… mordend, plündernd und brennend durchfegten sie die Wüsten, welche doch vom Rechte her euch gehören sollten, raubten eure Sklaven, eure Ernte und eure Carnaks… Es entspricht dem Willen der uralten Götter, welche diese Welt schon aus dem Taufbecken empor hievten, das ihr an seiner Stelle regiert, über ganz Rasankur und somit über die ganze Steppe, vom fernen östlichen Morgenrot bis zum westlich versinkenden Feuerrad! Doch dies, so künden mir die verblichenen Geister eurer Ahnherren, vermag einzig zu geschehen, wenn euer starker Schwertarm konzentriert vom Westen her zuschlägt, da im Norden zweifellos bereits eine große Schar versammelt ist, um euch die Enge von Anschad und Tiutes zu verweigern…”
“Deine Kenntnis der Ahnengeister verblüfft Uns, Weib, so glaubst du doch deren weise Worte vernehmen zu können, obwohl du nicht von Unserer Welt abstammst. Daraus folgern Wir, das es im Wunsch des Usurpators liegen könnte, das eben aus dieser von dir genannten Richtung ein Schlag erfolgen sollte… Unsere Späher werden dies zweifellos baldigst erfahren haben, und so die Geister der Wüsten wollen, an Unser Ohr tragen, sodass Wir über Eure Worte sinnieren können…”
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