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Heiliger Krieg
Fedor hatte es erwischt! Er fiel rückwärts, landete im Schlamm und kullerte den Hügel runter, welchen der Flieger aufgeworfen hatte, als er sich in das weiche Erdreich grub.
Nein, halt, sein Kamerad war doch nicht getroffen wurden. Als die Schüsse des sich offensichtlich noch am Leben befindenden Piloten gefallen waren, hatte er sich schlicht und ergreifend fallen lassen. Jetzt krabbelte er auf allen Vieren hinter eine der frischen Erdfalten. Das hätte albern ausgesehen, wäre die Sache nicht so ernst gewesen. Mit großen Augen blickte er zu Kurt und zuckte die Schultern. Mit einem Kopfnicken bedeutet dieser ihm vorzustürmen und sich diesen Hurensohn zu schnappen. Fedor verstand die Aufforderung und tippte sich an die Stirn.
Kurt spuckte aus.
Er hätte einen Schuss auf die Kanzel abgeben können und vielleicht hätte die großkalibrige Waffe die Haut der Maschine sogar durchschlagen. Aber fünf Schuss waren nun einmal nur fünf Schuss. Nichts was man für eine Aktion vergeudete, die „Vielleicht“ in der Beschreibung hatte.
Hey Pilot! rief er und seine Worte trugen unangenehm weit.
Weiter hinten flogen ein paar Vögel auf, die sich von einem abstürzenden Flugzeug scheinbar nicht so gestört fühlten wie von einem Rufer. Wir gehören zum Pilgerheer von Bruder Rico. Aufklärungsgruppe. Du bist hier ziemlich tief im Feindesland und bis es hier von Mutantentruppen und Zefas wimmelt, dauert es sicher keine fünf Minuten. In diesem Punkt übertrieb er etwas, um dem feinen Herrn Pilot die Entscheidung zu erleichtern. Zumindest hoffte er, dass es eine Übertreibung war. Die, die ihre Lager und Dörfer bombardieren mögen die ganz besonders. Hab gehört sie drücken Piloten die Augen aus und füllen sie mit Sägespänen. Wir sind deine einzige Hoffnung hier raus zukommen. Also lass den Scheiß und wirf deinen Schießprügel ins Freie. Wenn wir dich hätten kaltmachen wollen, dann hätte einer von meiner Zehnergruppe dir schon eine Granate zukommen lassen.
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Dass er hinter feindlichen Linien abgestürzt war, wusste er selber; dazu brauchte er den Klugscheißer da draußen nicht.
"Bishop", rief er durch die Öffnung der zerstörten Kanzel nach draußen. "Leutnant der Sonderstaffel 001, Flügeltrio Proteus!"
Er traute den Typen keinen Meter über den Weg. Sicher, wenn sie ihn tatsächlich hatten töten wollen, wäre schon längst eine Granate geflogen oder eine durchschlagende Waffe gefeuert worden, um ihn samt Cockpit zu zerfetzen. Von Zefas hätte er auch nichts anderes erwartet, doch was wenn sie Kopfgeldjäger waren? Humbug! So genau hätte niemand diesen Hinterhalt planen können, um zu wissen, wo er abstürzen würde und ihm sogleich aufzulauern. Das waren irgendwelche anderen Mistkerle. Eine Einheit von zehn Mann war die maximale, wenn auch recht gängige Größe für Aufklärungstrupps. Was ihn stutzig machte, war die saloppe Ausdrucksweise, mit der sich zu erkennen gegeben wurde. Kein Feldwebel hätte so zu einem ihm unbekannten Piloten der Luftwaffe gesprochen. Vermutlich handelte es sich hier um Deserteure, wenn nicht gar Hochstapler. Andererseits hatte Bishop keine Vorstellung davon, wie man derartige Vorschriften in dem bunt zusammengewürfelten Kreuzzugsheer handhabte. Vielleicht sprach der Mann tatsächlich die Wahrheit.

Viel half diese Einsicht nicht, denn in jedem Fall würden sie alle nicht ewig hier ausharren können. Früher oder später würden sie auf Mutanten oder Zefas treffen, also raffte sich der Leutnant langsam auf.
"Ich werde jetzt rauskommen, aber meine Waffe bleibt schön, wo sie ist: In meiner Hand, mit dem Lauf auf den Erstbesten gerichtet, der meint, seine Blödheit unter Beweis stellen zu müssen. Wenn ihr wirklich zu den Pilgern gehört, haben wir voneinander schließlich nichts zu befürchten, also sparen wir uns die albernen Einschüchterungsversuche."
Ganz sicher war sich Bishop seiner Aussage nicht. Konnte man den Erzählungen über Bruder Rico, 'den Tollkühnen', und seinen Leuten Glauben schenken, war mit denen trotz alledem nicht gut Kirschen essen.

Langsam, die Umgebung genaustens taxierend und unter leichtem Schwindelgefühl, stand er aus der Hocke auf. Die Halbautomatik im Anschlag wartete er auf eine Reaktion, darauf, dass sich jemand zeigte, konnte aber jetzt schon mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die Größe der Gruppe eine glatte Lüge war. Er schniefte und schmeckte Blut.
"Für zehn Mann seid ihr ziemlich dünn besetzt, was?"
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Das war ne taktische Informationsanpassung. bemerkte Kurt und erhob sich. Der Pilot hatte seine Waffe nicht auf ihn gerichtet und auch Kurt hielt den Vorderlader locker in der Hand. Sie hatten keine Zeit für das alte „Du-machst-was-ich-sage/ich-denk-nicht-dran-Spiel“.
Das schien der Flieger auch erkannt zu haben, was schon mal für ihn sprach. Die Zefas waren vielleicht nicht in den nächsten paar Minuten hier. Doch unterwegs waren sie, das war so sicher wie die Korruption in der Kirche. Er gab Fedor ein Zeichen, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte. Er brauchte sich nicht bemühen unbemerkt an das Fliegerass heranzukommen. Ein Unterfangen was vielleicht auch nicht unbedingt zu seinen Gunsten ausgegangen wäre. Denn der PVSler schien selbst nicht eben ein Hänfling zu sein.
Fedor entspannte sich etwas, beziehungsweise richtete seine Anspannung neu auf die nahe Baumgrenze des Sumpflands aus. Kurt war derweil nähergekommen. Du bist verletzt, Kumpel. kommentierte er die Delle im Helm Bishops und den Rinnsal aus Blut, der darunter vor sickerte. Bishop tastete unwillkürlich danach und zerrieb das Blut zwischen dem Leder seiner Handschuhe. Er tat die Verletzung mit einem Brummen ab, als sei sie Nichts.
Aber das sah nicht aus wie Nichts.
Der stämmige Kerl war blass um die Nase und sein Blick war etwas glasig. Kurt zog sich die Gasmaske vom Gesicht.
Darum kümmern wir uns, wenn wir ein paar Meter weg sind. Pack deinen Kram zusammen, wir holen derweil die Carnaks. Dann machen wir nen Abgang.

Kurze Zeit später lenkten Kurt und Fedor ihre Tiere vorsichtig durch den Schlamm, zurück zur Absturzstelle. Das ramponierte Flugzeug und sein ebenso ramponierter Pilot kamen gerade wieder in Sicht.
Was willst du mit dem Typen? Der wird uns nur aufhalten. Der hat schwer was auf die Mütze bekommen. Wer weiß wann er umkippt oder sowas.
Außerdem dachte ich du hasst Offiziere.

Ja er wird uns aufhalten, ja er hat ein Ding mitbekommen und ja ich hasse dieses Pack wie die Pest. Aber wenn alles so klappt wie ich das denke, dann können wir ihn für uns nutzen. Er selbst hat das sagenhafte Glück kein Mutantenfutter zu werden. Alle gewinnen dabei. Ist doch ne feine Sache.
Was mich noch mal auf den Punkt deiner Geldbeschaffung bringt.
Später...
Natürlich.
Fedor klang gleichermaßen resigniert und wütend.
Wenn wir heute Nacht noch zurück wollen, dann müssen wir uns ran halten. Durch die Sümpfe kommen wir im Dunkeln nicht.
Wir reiten nicht zurück.
Wir reiten nach Osten.

Jetzt verstand Fedor gar nichts mehr.

Bishop fand einen Platz hinter Kurt im Sattel. Er versuchte allein auf den Rücken des abgemagerten Tieres zu kommen, aber letztlich brauchte er durch Hilfe von Fedor. Nicht etwa weil er ungeschickt war, aber seine Kopfwunde schien ihm zu schaffen zu machen. Auch wenn er sich bemühte diesen Umstand nicht offen zu zeigen. Sie verließen die Absturzstelle. Fedor setzte sich an die Spitze und suchte den bestmöglichen Weg. Die Sümpfe waren ein elendes Gelände für Reiter. Das sie sich bis an den Horizont zu erstrecken schienen war dabei alles andere als ermutigend.
Zwischendurch wurde die Fläche immer wieder von widerstandsfähigen Baumgruppen oder größeren Wasserflächen gesäumt. Kein "Weg und kein Steg", wie man so schön sagte. Jeder Schritt konnte auf nachgiebigen Boden gesetzt werden, der Mann und Tier bis zu den Knien versinken ließ. Doch was blieb ihnen anderes als es zu wagen?
Bald hatte sie eine ungewohnte Stille umfangen, wenn man bedachte, dass es sich hier um ein Kriegsgebiet handelte.
Allein, diese Gegend bot nur auf der Landkarte eine verlockende Größe, die zu besitzen einen Wert darstellte. In der Realität gab es hier weder etwas worum es sich zu kämpfen lohnte, noch jemanden, der erpicht war einen derartigen Kampf zu führen.
Im Somme musste dieser Ort eine Hölle aus Froschquaken und Moskitowolken sein, doch jetzt im Frühjahr war nur das Schmatzen der Carnakhufe im Schlamm und ab und an der klagende Schrei irgendeines Vogels zu hören. Einmal bildete ein großer Schar Vögel eine Ausnahme, der hinter ihnen aufflog und dabei Zeter und Mordio kreischte. Möglich das die verehrte Vertreter der Landesherren den abgestürzten Flieger erreicht hatten.
Eine halbe Stunde später tausche Bishop das Reittier und wurde von Fedor mitgenommen. Sie ritten noch zwei Stunden, bevor sich der erste Nebel zusammenballte und ihnen die feuchte Kälte in die Kleidung kroch. Bald würde es dunkel werden und dann war jede Möglichkeit auf Weiterkommen unmöglich.
Ein wenig Glück war ihnen immerhin beschieden.
Fedor erspähte eine Ruine, welche am Rande eines Weihers aufragte. Niemand von ihnen vermochte zu sagen, was dieses Gebäude früher einmal gewesen sein mochte. Vielleicht die Behausung eines einsamen Fischers, vielleicht eine Rangerstation oder irgendeine Beobachtungsposition. Hier ihr Lager aufzuschlagen barg natürlich ein gewisses Risiko in sich. Doch wenn ihnen ein Gegner durch die Weite des Sumpfes gefolgt war, obwohl das nachschickende Wasser jede Spur ausgelöscht haben würde, dann mussten sie sich ihm früher oder später stellen, ganz gleich wo sie Rast machten. Außerdem hatten sie hier einen einigermaßen trockenen Untergrund. Während Fedor den Schlamm von den Läufen der Carnaks schabte machte sich Kurt daran ein Feuer zu entfachen. Die Ruine war im Grunde nur mehr ein Ziegelboden und ein rechter Winkel aus zwei Mauerresten. In dieser Ecke zündete Kurt den Chemieblock mit einem Schwefelholz an. Ein leidlicher Sichtschutz und ein wenig Reflektieren der Wärme. Der Handseifen große Block brannte in einer blauen Flamme und verbreite, in Anbetracht seiner geringen Ausmaße, einen beachtliche Wärme. Kurt ging zu den Carnaks, welche an einigen vergilbten Grasbücheln zupften und hob zwei gute Hände frischer Dungäpfel auf. Diese drapierte er um den brennenden Block herum. Dadurch würde sich die Hitze etwas länger halten.
Fedor kam zu ihnen.
Werd mal meinen Wetteinsatz einlösen.
Gibts nachher was zu essen?

Kurt übergab ihm die Muskete.
Vielleicht kann ich noch was zusammenkratzen. Rechne aber nicht mit.
Fedor nickte nur und machte sich ins Unterholz auf.
Kurt blickte ihm kurz nach und ging dann zu Bishop, der den Sanikasten vor sich zu stehen hatte.
Brauchst du Hilfe?
Hände kann ich mir in dem Tümpel waschen und Desinfektionsspraß drauf machen, wenn du da welches mit drin hast. Klingt vielleicht komisch, aber bist nicht der Erste, denn ich wieder zusammennähe.
Bin übrigens Messer und der Kerl im Gebüsch ist Fedor. Nur so nebenbei.
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Auch wenn er ein Feuer in Anbetracht ihrer Lage nicht für die beste Idee hielt, war er froh über die wohlige Wärme, die es abstrahlte. Das feucht-kalte Wetter hatte ihm zu schaffen gemacht und ihn den halben Weg zittern und frösteln lassen. Auch über das fiebrige Gefühl in seinen Gliedern konnte es ein wenig hinwegtäuschen. Vermutlich hatte er einiges an Blut verloren.
Bishop schüttelte den Kopf.
Wird schon gehen.
Er sortierte den Inhalt des Kastens, bevor er die Schnalle an seinem Helm löste und diesen vorsichtig vom Kopf hob. Getrocknetes Blut zog an seinen Haaren und ein stechender Schmerz durchfuhr seine Schädeldecke als er die letzte verklebte Stelle über der Stirn gelöst hatte. Mit dem Ärmel wischte er über das halbwegs intakte Visier. Ein Blick in sein verzerrte Spiegelbild verriet ihm, dass er einen hübschen Einschnitt davongetragen hatte. Selbst wenn der Mann, der sich eben als 'Messer' vorstellte, ihn tatsächlich hätte versorgen können, wollte er ihn nicht nur aufgrund des wenig vertraueneinflößenden Namens wegen von der Wunde fernhalten, auch wenn das eine entstellende Narbe bedeute.

Bishop nahm einen kräftigen Schluck aus dem Flachmann, in den er den Rest des Rahzvod aus der zerbrochenen Flasche hatte retten können. Dann begann er, Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen einsaugend, die Wunde mit dem Desinfektionsmittel einzusprühen und eine Nadel zu präparieren. Den Helm setzte er zwischen dem Lagerfeuer und sich ab, um wenigstens sehen zu können, wie er sich verunstalten würde. Bevor er den ersten Stich setzte, gönnte er sich einen weiteren Schluck Rahzvod und reichte Kurt die Flasche. Um seine Gedanken von den kommenden Schmerzen abzulenken, entschied er sich dafür, seine 'edlen Retter' ein wenig näher kennenzulernen.

Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass ihr nicht auf einer Aufklärungsmission seid. Wenn ich nur zwei Mann schickte, würde ich wenigstens für eine vernünftige Ausrüstung sorgen. Also was ist los? Hat man euch nach Hause geschickt, nun wo der alte Mann hinüber ist – möge der Imperator seiner Seele gnädig sein – oder wolltet ihr einfach mal ein wenig Frischluft schnuppern? Nach allem, was ich von der Front gehört habe, könnt ich euch's kaum verübeln.

Natürlich war das eine Lüge. Zwar konnte Bishop den Krieg gegen Horning nicht gutheißen, weil er starke Zweifel an der offiziellen Version der Ketzerei hegte und nur einen geopolitischen Zwist großer Adelshäuser sah, der in einem sinnlosen Bruderkrieg auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wurde, doch sein Ehrgefühl konnte keine Fahnenflucht akzeptieren. Für's erste war es dennoch schlauer, sich mit den beiden gut zu stellen, zumal sie bewusst oder unbewusst eine Route zu PVS-Truppen im Osten eingeschlagen hatten.
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Kurt musste sich zusammenreißen um nicht mit gierig zitternden Fingern nach dem dargebotenen Schnaps zu greifen. Er nahm einen tiefen Schluck und schloss genießerisch die Augen, während die Flüssigkeit heiß seine Kehle hinunter brannte und als warme Kugel seinen leeren Magen ausfüllte.
Herrlich!
Wann hatte er das letzte mal etwas anderes als chemisch gereinigtes oder wenigstens abgekochtes Brackwasser getrunken? Es schien ihm Jahre her zu sein.
Dann ist es also wahr! Zögerlich gab er den Flachmann zurück, beziehungsweise stellte ihn neben Bishop, der mit seiner wenig kunstvollen Fleischnäherei beschäftigt war.
Der Kardinal hat ins Gras gebissen.
Ist nicht so, dass man uns bei den frommen Streitern seiner Heiligkeit auf dem neusten Stand hält.
Er überlegte eine Weile und es hatte schon den Anschein als wäre dies alles, was er zu den Fragen Bishops zu sagen hatte. Dann sprach er doch weiter.
Wenn man es genau nimmt, dann sind wir tatsächlich auf Erkundungsmission. Beim Kreuzzugsheer läuft das alles etwas anders als bei der Armee. Es gibt im Grunde kaum eine richtige Befehlskette. Die Struktur des Ganzen hat diesen Namen nicht wirklich verdient. Jeder Pilger ist letztlich ein freier Bürger, ein Zivilist, der tun und lassen kann was er will. So gesehen sind wir auf einer Erkundungsmission. Eine Route oder einen zeitlichen Rahmen hat man uns nicht vorgegeben. Auch sind wir für die Verhältnisse der meisten Pilger sogar ziemlich gut bewaffnet. Wir haben mehr als Knüppel und Messer, zwei Carnaks und sogar sowas wie eine Schutzausrüstung. Man könnte behaupten wir sind bestückt wie eine Ehrengarde. Er lachte, auch wenn darin kein Humor lag.
Dann wieder eine längere Pause.
Dieser Kreuzzug ist ein dampfender Haufen Scheiße. Während den anderthalb Jahren, die Fedor und ich diesen Albtraum mitmachen, sind mehr Pilger verhungert, erfroren und an Krankheiten verreckt, als auf dem Schlachtfeld gestorben. Wir waren in Gefangenschaft und mich hätte der Wundbrand fast umgebracht. Die Läuse hatten es mit mir schon aufgegeben und sind von Bord gegangen. Kurt blickte in die bläuliche Flamme des Feuers und schien mehr zu sich selbst zu sprechen, als zu dem Piloten. Hatten mehr Grips als Fedor, der bei mir geblieben ist und mich mehr oder weniger gerettet hat. Nachdem wir bei einem Gefangenenaustausch raus gekommen sind waren wir bei den Schicksalsergebenen. Das war so ziemlich der Tiefpunkt. Die Sturmspitze bei jedem Angriff. Mit Knüppeln oder bloßen Händen. Wir haben die Zefas und Mutanten nicht getötet weil die irgendeinen anderen Glauben vom Thron haben als wir, sondern weil wir ihre Stiefel und Mäntel wollten, damit man vielleicht die nächste Frostnacht übersteht. Wir hatten Glück und haben ein bisschen Zeug ergattert und konnten uns wieder hocharbeiten. Da wir reiten können und zwei Tiere in irgendeiner Dammstadt geklaut haben, sind wir zu den Spähern gekommen.
Darf ich noch einen?
Da Bishop keine Einwände erhob gönnte sich Kurt noch einen Schluck aus dem Flachmann.
So viel hatte er im ganzen letzten Jahr nicht geredet, aber irgendwie war er einmal im Fluss.
Die Pilger, die Kohle hatten und nur mal etwas Abenteuer schnuppern wollten, die sind längst zurück in Gohmor oder wo immer sie herkamen. Was übrig geblieben ist sind die armen Schweine, die Fanatiker und die abgefuckten Bastarde. Keine Möglichkeit zurückzukehren, voraus nur das Grab. Scheiße, man könnte nicht mal die Seiten wechseln und sich hier niederlassen, wenn man dazu verzweifelt genug wäre. Die Pilger haben einige miese Sachen abgezogen und wenn einer von den Einheimischen allein erwischt wird, dann geht es ihm... naja schlecht.
Für Fedor und mich sah es bis vor kurzem nicht viel besser aus.
Bis ich von Auerhain gehört habe.
Ist ne kleine Siedlung, kaum größer als ein Dorf. Etwa vierzig Kilometer von hier. Eure Jungs haben dort einiges an Bomben und Giftgas abgeworfen. Nicht weil es ein strategisches Ziel war, sondern weil die Flieger auf dem Rückweg aus dem Kernland noch Ladung hatten, mit der sie nicht landen durften. Die Bomben dürfte der Ort überstanden haben, aber das Gas war übel.
Wir kriegen nicht viel aus der Heimat mit, aber was sich hier so abspielt, dass schon eher. Die Zivilisten wurden evakuiert und der Ort als Sperrgebiet deklariert. Strich 13 kann sich bis zu einer Woche in der Luft halten und dementsprechend dürfte das Dorf noch drei Tage entvölkert sein. Aus eigenen Beobachtungen weiß ich aber, dass sich Strich 13 bei dieser nassen Witterung schneller niederschlägt. Auenhain ist also sauber und leer.
Ein schönes Örtchen, was man so hört.
Mit kleinem Komerzialaden, Marktplatz und recht hübschen Rathaus, wird erzählt.

Kurt ob den Blick und seine Augen spiegelten das Blau der Flammen auf sonderbare Weise wieder.
Und mit ner Bank!
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Bishop hatte davon gehört, dass man jeden Zivilisten im Kreuzzugsheer mitmarschieren ließ, der sich bereitwillig meldete. Nach allem, was Messer ihm soeben erzählt hatte, ging es dabei allerdings noch schlimmer zu als befürchtet.
Genaugenommen ließ Gohmor eine Welle von verzweifelten oder verblendeten Plünderern über Horning wüten und es verwunderte nicht weiter, dass ihre Mission, so sie denn eine hatten, auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt war... Es sei denn, die Strategie lag eben darin, für ein heilloses Durcheinander und unorganisierte Raubzüge im Land zu sorgen.

Die Geschichte klang jedenfalls bisher glaubwürdig und Bishop schüttelte nur gelegentlich den Kopf oder brummelte ein paar unfeine Worte vor sich hin.
Als Messer die Bank erwähnte, hielt er kurz inne, ließ sich aber nichts anmerken und setzte den letzten Stich seiner laienhaften Eigenoperation.
Das war also der Plan. Nicht wirklich ermunternd. Auf der anderen Seite bedeutete es, dass die beiden Gestalten tatsächlich nicht auf ihn angesetzt wurden, was im Umkehrschluss allerdings noch keine Vertrauensbasis war.
Wer ungescholtene Zivilisten um ihr Hab und Gut bringen wollte, würde sicher auch nicht davor zurückschrecken, einen Leutnant der Luftwaffe auszuliefern, wenn dabei etwas heraussprang.
Doch warum haben sie ihn nicht schon längst überwältigt und ausgeraubt? Vermutlich war er lebend vorerst mehr wert und diesen Vorteil sollte er nutzen, so langer er Gültigkeit besaß.

Und du bist dir sicher, dass die Leute all ihre Wertsachen vor der Evakuierung zurückgelassen haben? Und dass die Bänker in Zeiten wie diesen ihr Geld nicht mit sich genommen haben, bis die Siedlung wieder bewohnbar ist? Sollte mich schwer wundern.

Im Prinzip hatte Bishop kein Recht, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Es stimmte, was sie sagten: Für Pilger galten nicht die gleichen Regeln wie für die PVS und doch war ihm der Gedanke zuwider, ungescholtene Bürger zu bestehlen.
Die örtliche Bank auszunehmen bedeutete für Auerhain gewiss einen schweren Schlag, wenn nicht gar den wirtschaftlichen Ruin... Doch was kümmerte es ihn? Im Krieg gab es weitaus schlimmere Schicksale als dieses.

Ich hoffe doch sehr, dass da noch was drin ist, murrte Bishop, als er sich nach getanem Werk bedächtig erhob, um nicht wieder einen Schwindelanfall zu erleiden und seine Hand nach der Feldflasche ausstreckte, in der Hoffnung, den pochenden Schmerz etwas betäuben zu können.

SSSST!
Ein Zischlaut unterbrach ihn, noch ehe er eine weitere Frag stellen konnte.
Fedor war tief geduckt in ihr Lager zurückgekehrt, deutete ihnen aufgeregt mit dem Arm fuchtelnd, sich leise zu verhalten und noch aufgeregter, das Licht zu löschen.
Bishop zögerte nicht und erstickte die kleine Flamme rasch mit der ihm überlassenen Decke. Seine Augen brauchten eine Weile, um sich an die mittlerweile eingetretene Dunkelheit zu gewöhnen.
Man konnte kaum jemanden Atmen hören. Einige Grillen zirpten, Frösche am Rande des Tümpels riefen gelegentlich in die Nacht hinein. Fedor hatte noch kein Wort gesagt.
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Das kleine blaue Feuer hatte nicht viel Licht erzeugt, aber nachdem es erloschen war brauchten die Augen doch einen quälend langen Moment um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Als sie die Umgebung leidlich erkennen konnten, Schwarz vor Schwarz in verschiedenen Abstufungen, machte Kurt eine nachfragende Geste in Fedors Richtung. Der zeigte fünf Finger, dann eine Richtung. Kurt nickte und bedeutete beiden sich von der Ruine wegzubewegen, während er sich die Sache näher ansehen würde. Dann imitierte er den Ruf eines Nachtvogels um seinen Begleitern zu zeigen bei welchem Geräusch sie möglichst nicht auf eine Silhouette vor ihren Läufen schießen sollten. Sie verstanden und hastig wurde alles gegriffen was man unmöglich zurücklassen konnte. Fedor übernahm die Steinschlosswaffe und Kurt blieb lediglich der Katzbalger.
Sie strebten in verschiedene Richtungen auseinander und einen Herzschlag später hatte Kurt die Stille des Sumpfes einmal mehr umschlossen. In seinem Verstand versuchte sich eine Stimme Gehör zu verschaffen, welche ihm mitteilte, dass er mit einer groben Richtungsangabe, auf unbekanntem, trügerischen Gelände nach einem Feind Ausschau halten wollte, der in der Überzahl war und ganz sicher auch besser bewaffnet. Schließlich musste sein rostiges Kurzschwert erst einmal unterboten werden. Aber Kurt gelang es diese Gedanken herunterzuschlucken und sich tiefer durch die Binsen zu schlagen. Geräuschloses Fortbewegen war weder bei der Garde, noch bei der PVS Korons etwas gewesen, worauf die Ausbilder besonders viel Augenmerk gelegt hatten. Gegen die Orks war es um Masse gegangen, die man schnell an die Front werfen musste und die nur zu wissen brauchten wie rum man sein Lasergewehr zu halten hatte. In der PVS hatte er weder lange genug gedient, noch war er in einer Einheit gewesen die wichtig genug war, als das man ihm irgendwelche Kommandokniffe beigebracht hatte. Nichtsdestotrotz hatte Kurt in genügend Kriegen gekämpft um ein paar Sachen aufgeschnappt zu haben und nicht wie eine wilde Sau durchs Unterholz zu stapfen. Die wichtigste dieser Lektionen war: Was sich bewegt, das sieht man. Also unterbrach er seine Vorwärtsbewegung immer wieder um zu lauschen und angestrengt ins Dunkel zu schauen. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit sah er sie.

Fünf Gestalten... sein halt, es waren sogar sechs. Sie bewegten sich in aufgefächerter Formation durch das Marschland. Sie schienen zu wissen, dass ihre Beute in der Nähe war, auch wenn sie nicht zu wissen schienen wo genau. Sie bewegten sich vorsichtig, geübt und sehr konzentriert. Besonders wenn man bedachte, dass sie hervorragend ausgerüstet zu sein schienen. Natürlich ließ sich bei dieser rabenschwarzen Dunkelheit nichts genaues sagen, doch die eckigen Auswüchse von Zweien deuteten auf irgendwelche Körperpanzerung hin. Ein Weiterer hatte etwas Tornisterartiges auf dem Rücken und Kurt mutmaßte, dass es sich um die Zelle eines Hochleistungslasergewehres handelte. Kurt kam sich mit seinem Schwert noch einem etwas alberner vor als ohnehin schon.
Irgendwo links knackte es und die Truppe blieb wie ein Mann stehen und ging in die Hocke. Zwei bewegten sich in die Richtung des Geräusches, während die anderen die Umgebung sicherten.
Kurt zog sich zwischen die aufragenden Pflanzen zurück und als die Truppe ihren zwei Kameraden nachfolgte nutzte er die Gelegenheit sich wieder in Richtung Ruine zurückzuziehen.
Bei Tageslicht hatte man das zerfallene Gebäude weithin gesehen, doch jetzt verschmolz es recht gut mit dem Dunkel der dahinter liegenden Wasserfläche. Natürlich würden ihre Verfolger es früher oder später entdecken, doch eine kleine Galgenfrist hatten sie wohl. Nachtsichtgeräte schienen die Burschen nicht zu haben, da sie Kurt sonst vermutlich schon erwischt hätten.
Nachdem er seinen Abstand für groß genug befand, verfiel er in einen leichten Lauf. Er erreichte die Ruine, passierte sie und lief auf die kleine Gruppe von Trauerweiden zu, die sich wie Klageweiber am Grab eines Geliebten drängten. Er ließ den Nachtvogel erklingen und bekam kurz darauf ein Quaken zur Antwort, dass sich kaum von dem der fetten und trägen Kröten dieser Gegend unterschied. Geduckt eilte Kurt zwischen die Weiden, wo er die beiden anderen fand.

Sechs, die ich gesehen habe. Flüstere er schnell und mit abgehackten Sätzen, die enorme Eile verrieten. Keine Zefas, keine Mutanten, vielleicht republikanische Garde aus Truzt. Aber die waren noch nie so weit im Osten. Sind dafür zu individuell ausgerüstet. Tippe auf Söldner oder Killerkommando. Er schwieg einen Moment, indem nur seine Augen in der Dunkelheit funkelten. Hinter uns zwei Filzläusen sind die sicher nicht her. Der Rest musste nicht erst ausgesprochen werden.
Kurt konnte nur raten, doch er meinte zu spüren wie sich Bishop in der Finsternis anspannte, vielleicht nach seiner Pistole griff oder den Daumen auf den Hammer der gezogenen Waffe legte um ihn zu spannen. Doch Kurt gedachte nicht den Piloten ans Messer zu liefern.
Kämpfen können wir vergessen. Da ziehen wir den Kürzeren. Drei Möglichkeiten. Laufen was wir können, Vorsprung ausbauen.
Versuchen die Carnaks zu holen und mit denen zu flitzen. Gefährlicher, aber später haben wir einen Vorteil.
Dritte Möglichkeit.
Er zögerte und sah zur Ruine.
Zwei holen die Tiere und einer versucht einen von denen zu verwunden, um die anderen langsamer zu machen.
Deine Kumpels,
sagte er zu dem Piloten. Entscheide du!

In der Dunkelheit konnte niemand Fedors ungläubigen Blick sehen. Dieser wunderte sich doch stark über seinen Kameraden, der so etwas einem mehr oder weniger Fremden entscheiden ließ, der dazu noch ein Offizier war. Er verkniff sich jedoch eine Bemerkung.
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Bishop selbst schien weder die Tatsache zu wundern, dass Messer ihm als Leutnant der PVS die Entscheidungsgewalt überließ, noch dass ihnen jemand an den Hacken klebte - oder besser: dass ihm jemand an den Hacken klebte.
Also werde ich auf meine alten Tage doch nicht paranoid, knurrte er missmutig. Wäre übrigens die perfekte Gelegenheit, euch aus dem Staub zu machen, denn du hast vermutlich recht: Sie sind nicht euretwegen hier.
Auch wenn er die Gesichter der beiden in der Finsternis nicht deuten konnte, spürte er förmlich die Frage, die ihnen auf den Lippen brannte und setzte daher rasch hinterher:
Warum sie es auf meine Arsch abgesehen haben, werde ich erst noch herausfinden müssen... würde dazu allerdings eine größere Entfernung bevorzugen.
Aus ihm unbekannten Gründen, und hier war lediglich das soldatische Pflichtbewusstsein auszuschließen, schienen die zwei Halunken zu ihm zu halten. Was erhoffte sich Messer am Ende des Tages von seiner Rettungsaktion? Eine Belohnung von den Streitkräften? Absolution für vergangene Verbrechen? Hatte er die nicht bereits für die Teilnahme am Kreuzzug erhalten? Was auch immer ihn antrieb, jetzt war keine Zeit, darüber in Gedanken zu versinken. Außerdem stand Bishop für's Erste in seiner Schuld und konnte ihn nicht ihren Verfolgern überlassen.

Der Leutnant zögerte also nicht lange.
Er drückte Kurt den Flugschreiber in die Hand und Fedor den Sani-Kasten, aus dem er zuvor eine Mullbinde entfernt hatte, tastete dann hastig seine Kleidung ab, fühlte das Feuerzeug in der Weste, wurde ein wenig nervös, als er fürchtete, seinen Talisman, das kleine Abbild des Imperators, verloren zu haben, fand es aber schließlich in der Hosentasche.
In meiner Verfassung werde ich niemanden angreifen, da könnte ich mir gleich selber eine Kugel verpassen. Geht ihr zu den Carnaks. Ich werde die Typen von der anderen Seite umrunden und dann zu euch aufstoßen, nachdem ich ein kleines Feuer zur Ablenkung gelegt habe. Gibt uns vielleicht ein paar Sekunden mehr. Wenn ihr die Flammen sehen könnt, wartet nicht länger auf mich als nötig, um rechtzeitig von hier zu verschwinden. Mit oder ohne mich - der Flugschreiber muss Major Debris von der Sonderstaffel erreichen, kapiert? Los, los!

Sie hatten schon zu viele Worte verloren. Nachdem er die Mullbinde hastig mit den letzten Tropfen des Rhazvod benetzt hatte, verschwand er geduckt und beinahe lautlos, ohne eine Antwort abzuwarten in die Dunkelheit.
In seiner militärischen Laufbahn hatte auch er nicht sonderlich Vieles gelernt, dass ihn auf derartige Situationen vorbereitet hätte, doch wenn er entdeckt wurde, kamen die anderen beiden immerhin ungeschoren davon.
Es gab keinen Grund, sie in diese Sache mit hineinzuziehen, selbst wenn er, von ihrer gütigen Unterstützung aus reiner Nächstenliebe einmal abgesehen, keine großen Stücke auf sie hielt.
Die ersten paar Meter kroch Bishop hinter ein paar trocknen Büschen vorbei, dann hielt er es für besser, sich flach auf den Boden zu pressen, ein kleines Stück zur nächsten Anhöhe zu robben und in die Nacht zu lauschen.

Dort! Nur wenige Meter von ihm entfernt konnte er schemenhaft eine Gestalt ausmachen, die ihn vermutlich nur deshalb nicht bemerkt hatte, weil sie damit beschäftigt war, zornig nach dem Geschmeiß des Sumpflandes zu schlagen.
Unverhofft tauchte direkt hinter ihr ein weiterer Schatten auf, versetzte ihr einen Knuff auf die Schulter und deutete dann in Richtung des Weihers. Die Anweisung stieß auf gestikulierten Protest, wurde aber wortlos, mit einem ungeduldigen Schubser, der die Ausrüstung zum Klimpern brachte, durchgesetzt. Offenbar lag Messer richtig mit seiner Vermutung: Diese Leute gehörten, soweit es die Augen des Piloten beurteilen konnten, zu keiner ihm bekannten militärischen Einheit.
Auch ihr Gebärden wirkte etwas unorganisiert und passte zu einem Haufen Söldner, die sich um das Sagen in ihrer Zwangsgemeinschaft zankten.
Nachdem die Schemen sich, ihm den Rücken zugewandt, langsam entfernt hatten, atmete Bishop leise aus und versuchte sich zu orientieren.
Er meinte, in etwa den vereinbarten Treffpunkt bei den Tieren lokalisieren zu können. Schon von klein auf besaß er ein Talent dafür, sich auch in unbekanntem Gelände rasch einen Überblick verschaffen zu können, musste aber einsehen, dass er während ihrer Reise durch die noch unbehandelte Wunde und die Kopfschmerzen, die sie ihm verursacht hatte, unaufmerksam gewesen war. Ein Fehler, der den Erfolg seines Vorhabens von einer guten Portion Glück abhängig machte.

Er bemühte sich, das Geräusch seines Feuerzeugs von den regelmäßigen Rufen eines heimischen Nachtvogels verdecken zu lassen, als er die getränkte Mullbinde entzündete.
Dann ließ er sie die andere Seite der kleinen Anhöhe hinunterkullern und machte sich so leise und geschwind es ihm nur möglich war, dabei einen großen Bogen schlagend auf den Weg zu der Stelle, an der er hoffte, Fedor und Kurt mitsamt den Tieren anzutreffen.
Sein Herz pumpte wie verrückt. Nur das Adrenalin in seinem Körper ließ ihn die pulsierende Verletzung vergessen, als er stets nach Deckung suchend, den Boden nach verräterischen Pfützen abtastend und auf eine Reaktion wartend durch die Dunkelheit hastete.

Ein Pfiff.

Schritte.

Schritte zu seiner Linken. Ein kurzer Blick zurück ließ ihn wissen, dass ein Teil des Sumpfgrases Feuer gefangen hatte, welches sich allmählich ausbreitete. Er war schon weit genug entfernt, um nicht durch das Licht verraten zu werden, doch würde er die beiden anderen unerkannt erreichen? Würden sie noch da sein, um auf ihn zu warten? Und wenn nicht, würden sie den Flugschreiber tatsächlich in die Hände der PVS übergeben, damit Debris einen Anhaltspunkt hatte oder ihn einfach im Morast zurücklassen?
Unter seinen Füßen platschte es. Beschissener Dreckssumpf! Die verschlammte Pfütze hatte nicht nur Lärm verursacht, sie verlangsamte ihn zu allem Überfluss auch noch, weil er sein Bein mit beiden Händen befreien musste, doch das spielte jetzt kaum noch eine Rolle, denn ein aufgeschrecktes Schnauben verriet ihm, dass sich die Carnaks direkt vor ihm befanden.
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Der Hurensohn hatte es tatsächlich geschafft das feuchte Gras anzuzünden und darüber hinaus schienen ihre Verfolger auch noch darauf reinzufallen. Naja sie waren ja auch mal wieder dran, mit Glück haben.
Kurt und Fedor waren halb bei den Carnaks, welche die ganze Szenerie irgendwie zu spüren schienen und nervös mit den Hufen scharrten und die Köpfe herumwarfen. Immerhin hatten sie bis jetzt noch nicht ihr lautes Wiehern abgegeben, dass wie die Mischung aus einem Pferdewiehern und einem Eselsschrei zu klingen pflegte und in der Nacht bestimmt bis nach Terra zu hören war.
Jetzt waren gedämpfte Stimmen aus Richtung Feuer zu vernehmen.
Die beiden Pilger konnten nicht sehen was vor ging, da sie im toten Winkel der Mauerreste angelangt waren. Schnell banden sie die Tiere los und stopfen das in die verschlissenen Statteltaschen, was sie beim Reiten nur stören würde.
Dann plötzlich war das energetischen Knacken und kurz darauf folgende Zischen eines abgegebenen Laserschusses zu hören. Für eine Sekunde war alles in harte, rote Schatten getaucht und der Geruch nach Ozon und verbrannten Pflanzen schwappte über sie hinweg. Der Schuss musste in Richtung Feuer gegangen sein, denn die Ruine bot ihnen nach wie vor Deckung.
Hatten sie den Piloten erwischt?
Nein, scheinbar nicht, denn verschiedene Stimmen schienen den Schützen anzufahren und zu tadeln. Dann störte eine kurze Salve automatischen Feuers die Nacht. Wieder empörte Stimmen, dieses mal lauter. Kurt konnte sich zusammenreimen was da geschah. Die Truppe war gut ausgerüstet und gewiss auch nicht neu in dem Geschäft. Aber vermutlich waren sie es nicht gewohnt in dieser Konstellation zu operieren und so wusste die eine Hand nicht was die andere tat. Die Hitzköpfe hatten auf die brennende Stelle geschossen, die Besonneneren versuchten sie von der Nutzlosigkeit dieser Aktion zu überzeugen.
Das war wenigstens etwas.
Die Tiere waren losgebunden und ohne auf Bishop zu waren führten sie sie in Richtung der Trauerweiden, dabei die Mauer so lange wie möglich im Rücken behaltend. Kurt drehte sich einige Male um, konnte den Piloten jedoch nicht entdecken.
Dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hat.
Mit einen lauten Fauchen schraubte sich eine Feuersäule in die Luft, irgendwo bei den Sümpfen auf der anderen Seite der Ruine. Sie stieg sicher zehn Meter hoch, leuchtete rot, grün und bläulich und verging dann. Kurts erster Gedanke, geboren aus einem Leben auf Schlachtfeldern aller Art, war Flammenwerfer. Doch als eine Sekunde später eine weitere Flammensäule in die Höhe schoss, musste er sich revidieren.
Sumpfgas! Flüsterte Fedor neben ihn und stieß ihn dann unsanft an, damit er weiter ging.
Eine dritte Säule erblühte, dann noch eine und noch eine. Die Flammen mussten sich irgendwie unter der dichten Decke aus Moos und Riedgras fortpflanzen und aufgestaute Gasblasen entzünden.
Keine Spur vom Piloten.
Wir warten zwanzig Sekunden, wenn er dann nicht zu sehen ist machen wir uns davon. Dieses Ablenkungsspektakel ungenutzt zu lassen wäre Wahnsinn.
Im Stillen begann er zu zählen.
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Okay wir warten nicht länger!
Kurt spuckte aus und schwang sich dann auf den Rücken seines Tieres. Fedor schien erleichtert und tat es ihm gleich. Der Pilot war entweder tot, gefangen oder hatte keine Chance mehr sich ihnen anzuschließen. Warten hieße sich selbst in unnötige Gefahr bringen. Sollte er doch durchkommen, dann hatte Kurt ihm gesagt wohin sie wollten und der PVSler musste clever genug sein um den Weg selber zu finden. Sie ritten also los, so schnell es Dunkelheit und unstetes Gelände eben erlaubten. Nach einer Weile, das Flackern der brennenden Sumpfgase war bereits nicht mehr zu sehen, schob sich der Vollmond hinter zerfetzt dahinjagenden Wolken hervor und verbreitete soviel fahles Licht, dass sie einigermaßen ungefährdet das Tempo erhöhen konnten. Sie ritten die ganze Nacht durch und gönnten sich und den Tieren erst eine Ruhepause, als die Sonne sich allmählich durch die morgendlichen Nebel kämpfte.
Das Frühstück fiel karg und ohne ein Feuer aus. Sie kauten an einigen, getrockneten Fleischstreifen, die Kurt als allerletzte, eiserne Reserve aufbewahrt hatte. Sie würden Auerhain heute Abend oder morgen erreichen und er hoffte, dass sie in der verlassenen Siedlung ihre Vorräte würden aufstocken können.
Immerhin regnete es das erste mal seit Tagen nicht. Die Sonne schien warm und kündete vom Wechsel vom Frühling in den Sommer, der sich in anderen Landstrichen Hornings bereits durchgesetzt hatte. Sie schliefen etwa. Aber nicht mehr, als sie auch ihren möglichen Verfolgern zugestanden. Es mochte sein, dass die Söldner sich an die Fersen des Piloten hefteten oder aber, in diesem Moment zu ihrem Auftraggeber unterwegs waren, um Bishops Kopf abzuliefern. Ihre Chancen wieder in Ruhe gelassen zu werden, waren damit gestiegen aber noch lange nicht bei hundert Prozent. Hinzu kam die nach wie vor vorherrschenden Gefahren, wenn man sich im Feindesland bewegte.
Wenn Kurt seinen Begleiter so ansah, dann konnte er sich ausmalen wie er selber aussah. Fedor, bei ihrem ersten Treffen ein gut genährter Mann von einem Baum, wirkte gealtert. Seine Wangen waren eingefallen und von dreckig stoppeligem Bartwuchs bedeckt. Die Augen lagen tief und der allgegenwärtige Dreck schien die ursprüngliche Hautfarbe gänzlich ersetzt zu haben. Schön war sein Begleiter noch nie zu nennen gewesen, aber jetzt hätte sein Konterfei die Seiten eines Lexikons zieren können, um dort die Erklärung des Wortes „Räuber“ zu bebildern.
Kurz nach Mittag flog ein Flieger niedrig über sie hinweg und sie verbargen sich unter einigen Bäumen, die aus einem Röhrichtfeld wuchsen. Schwer zu sagen zu welcher Fraktion die Maschine gehörte doch Kurt vermutete, dass es PVSler waren. Vielleicht suchten sie ihren abgeschossenen Kameraden. Nachdem das Geräusch des Fliegers verstummt war, stießen sie auf eine Straße, oder besser gesagt einen Pfad. Nach knapper Beratung kamen sie überein, diesen zu nutzen und so das Risiko auf Feinde zu stoßen, mit der Qual sich durch den Sumpf zu mühen, zu tauschen.
Sie begegneten niemanden. Lediglich einem aufgegebenen LKW, der im Straßengraben lag. Etwas Brauchbares fanden sie darin nicht, wunderten sich nur, dass das Fahrzeug in Richtung Küste stand und nicht, wie man vermuten konnte, tiefer ins Kernland unterwegs gewesen war. Vermutlich handelte es sich also nicht um einen Teil der Evakuierung.
Durch die Nutzung der Straße schneller vorankommend als gedacht, erreichten sie Auerhain am späten Nachmittag.
Die Siedlung war nicht mehr als ein größeres Dorf. Im Zentrum überragte der Turm einer Kirche und einige Mietshäuser aus Fertigbetonteilen die anderen Gebäude, die mit ihren spitzen Dächern der traditionellen Bauweise dieser Gegend entsprachen. An einigen Stellen wiesen die Dächer Schäden von Bomben auf, aber von einer flächendeckenden Bombardierung konnte keine Rede sein. Vermutlich hatten die Piloten wirklich nur ihren überflüssigen Ballast auf den Ort fallen lassen.
Kurt und Fedor waren beim ersten Anzeichen von Bebauung von der Straße abgewichen, hatten ihre Carnaks in einem verlassenen Garten grasen lassen und sich selbst dann durch die Büsche geschlagen. In einem solchen hockten sie nun, die Gasmasken vor den Gesichtern und beobachteten die Siedlung. Nichts regte sich und die verendeten Squam- Squams auf der Freifläche nahe einem kleinen Teich offenbarten, dass die Ursache dafür keine Gerücht gewesen war. Strich 13, wie vermutet.
Alles ruhig! bemerkte Kurt mit gedämpfter Stimme unter der Maske hervor. Fedor nickte. Dennoch spazierten sie nicht in die Siedlung, sondern bewegten sich vorsichtig von Deckung zu Deckung. Einige verendete Vögel lagen auf dem Kopfsteinpflaster, hier und da ein Hund oder eine Katze. Wenn auch Menschen von dem Giftangriff betroffen gewesen waren, dann hatte man ihre Leichen bei der Evakuierung nicht liegen gelassen. Ohnehin deute nichts darauf hin, dass Auerhain panisch verlassen wurden war. Die Türen waren ordentlich verschlossen, kein Feuer hatte gewütet. Während sie die äußeren Bereiche durchstreiften, die Augen nach der Bank offen haltend, kam Kurt der unangenehme Gedanke, dass man vielleicht irgendwelche Wachservitoren zurückgelassen hatte. Eine Vorstellung die er schnell beiseite schob. So etwas würde man hier sicher nicht tun. Der Ort war zu unbedeutend und zu weit ab vom Schuss. Man konnte sich ganz auf die einsame Lage verlassen und Plünderungen weitestgehend ausschließen. Dennoch überprüfte Kurt, ob die Pfanne der Muskete auch mit genügend Schießpulver bestückt war.
Sieh dir das an! Fedor war vor einem Schaufenster stehengeblieben und wäre nicht die klobige Gasmaske gewesen, er hätte sich die Nase platt gedrückt. Es handelte sich um die Auslage einer Metzgerei und wenn auch schon eine unschöne Zahl an Fliegen die Produkte um schwärmten, so waren die drapierten Würste, Sülzen und Fleischstücken doch nichts, was zwei so ausgehungerte Individuen hätte kalt lassen können.
Was sagst du?
Was soll ich schon sagen? Wenn schon eine Stadt ausräumen, dann aber richtig.

Sie begaben sich zum Hintereingang des Ladens und traten die hölzerne Tür ein. Freilich waren sie nicht dumm genug irgendetwas von den offen liegenden Waren, im Namen seiner verstorbenen Heilig Titus Septin zu requirieren, sondern konzentrierten sich auf Konserven und Tüten. Nicht nur weil das Fleisch verdorben sein mochte, sondern auch weil sich das Kampfgift darauf abgelagert haben konnte. Sie verloren ihr Ziel jedoch nicht aus dem Auge und ergingen sich nicht im ausgiebigen Durchwühlen des fremden Eigentums. Kurt steckte lediglich eine goldene Uhr ein, die auf dem Nachttisch des Metzgers lag. Selbst mit der Aussicht eine Bank auszuräubern konnte er so etwas unachtsam Zurückgelassenes unmöglich ignorieren und die Uhr fand einen sorgsameren Besitzer in Kurt. Man hätte nun meinen können, wenn sie sich schon nicht im Plündern der Stadt ergingen, sie doch wenigstens wenige, aber dafür lukrative Einbrüche begingen. Doch dass war keineswegs der Fall. Das lag unter anderem daran, dass wirklich verlockende Ziele, wie Juweliere oder Edelläden in der Siedlung entweder schlicht und ergreifend nicht existierten, oder aber von den Besitzern achtsam gesichert wurden war. Daher war ihr einziger weiterer Stopp bei einem Geschäft für Berufsbekleidung, wo sie sich eine viertel Stunde nahmen, um Ersatz für ihre zerschlissenden Kleider zu ergattern. Sie stopften Jacken, Hosen und Stiefel in Tragetaschen, da sie diese Beute später, in der relativen Ruhe eines Versteckes begutachten und probieren wollten.

Die Denker- Einlagenkasse lag ziemlich genau im Zentrum von Auerhain, hinter einem kleinen Platz, mit einem abgeschalteten Springbrunnen, in dem tote Fische trieben. Dieser Anblick gemahnte die beiden Pilger daran ihre Gasmaskenfilter zu wechseln.
Dann schritten sie auf das gedrungene Bankgebäude, mit den übertrieben wuchtigen Säulen vor dem Eingangsbereich, zu.
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