11-10-2016, 12:37 AM
Der Fall von Torgast V
In Scripturis sacris, Diablolus et daemones variis
vocantur nominibus. Inter quae quaedam naturam navitatemque eorum quodammodo innuunt.
Virgo Sacrosancta, qui Satanas, serpens antiquust et draco vocatur .
Hominum adversarius et homicida ab initio designatur, cum per peccatum hominem fecit
obnoxium morti.
Cum autem noxia atque contraria actio Diaboli et daemonum afficiat personas, res, loca et appareat diverso modo, Ecclesia, semper conscia quod dies mali sunt, oravit et orat ut ab insidiis diaboli homines liberentur!
Kopfschmerzen und Müdigkeit. Daten, Zahlen, Berichte. Ihre Welt bestand einfach aus nichts anderem, als eben diesen Dingen. Erschöpft starrte sie aus rot geränderten, mit dunklen Ringen versehenen Augen auf die Flut an Berichten, die sich in der dunklen Kammer an Bord der Jagdbote türmten. Ihr Schreibtisch, ein spartanisches Stück Metall, das den Namen nicht einmal im Ansatz verdient hatte, bog sich schier unter der Last der Datentafeln und Papierberge. Funksprüche lagen neben Aufklärungsergebnissen und Meldungen über vermeintliche Spuren thronten neben den wirren Orakelsprüchen lokaler "Heiliger". Chaos in ihrem Kopf, Chaos auf ihrem Schreibtisch, Chaos in der Welt. Offenbar bestimmte das Chaos ihr Leben. Sie hob ihren Kopf in dem verzweifelten Versuch Mattigkeit und Kopfschmerzen loszuwerden. Der Schriftzug über ihrer Tür, "Die Beweisführung ist schwierig und kann nur von Gelehrten verstanden werden; der Glaube aber ist nötig für die Ungebildeten, für die jungen Menschen und all diejenigen, denen es an Muße fehlt, sich mit Philosophie zu beschäftigen. Für sie reicht die Offenbarung", spendete ihr dieses Mal nur wenig Trost.
Im flackernden rot-gelben Licht von Kerzen griff sie zu einem weiteren Bericht. Ravan IV, eine mittelgroße Kolonie im Kalimes-System, nicht bedeutend genug, um sofort ins Auge zu fallen, strategisch wie taktisch von untergeordneter Bedeutung, und doch nicht unwichtig genug, um keine Besorgnis zu empfinden, wenn dieser Planet keine Routinemeldungen mehr absetzte. Sie fügten den Namen des Planeten der Liste hinzu, der seit Stunden, wenn nicht Tagen, ihre Aufmerksamkeit gehörte. Eine Liste mit Planeten, die in diesem Subsektor in den letzten Wochen einem ungewissen Schicksal anheim gefallen waren. Es gab ein Muster hinter diesen Ereignissen, ein Muster und eine Bedeutung, die es rechtfertigten, dass jemand von ihrem Rang sich damit beschäftigte. Ein Muster, dass direkt vor ihren Augen tanzte, dass sie nur zu packen brauchte, doch das sich jedes Mal, wenn sie zugreifen wollte, wie Nebel in der Sonne auflöste und sich verflüchtigte. Die Liste der Planeten des Subsektors, die in der letzten Zeit verstummt waren, war lang. Wann immer sie mit ihrem Gefolge an einem der stummen Planeten eingetroffen war, hatte sie eine tote Welt gefunden. Eine Welt, die den süßen Duft des Todes verströmte; ein Duft, der eher in die Gedanken, als in die Nase stieg. Und allem haftete der Makel an. Der Duft war überall: in den Ruinen, in den Wüsten, jeder Stein und jedes Sandkorn der verheerten Welten verströmte ihn. Ein Duft, und gleichzeitig eine Ahnung, ein Traum mit der Essenz des Bösen. Jedes Mal hatte sie spüren können, wie sich die Seelen der Getöteten einen Weg in ihre Gedanken bahnen wollten, hatte ihre Verzweiflung fast schmecken können, hätte fast ihre Schreie hören können. Aber ihre Barrieren hielten und so wusste sie nicht, was geschehen war. Chaos. Soviel wusste sie, dunkle Mächte waren auf dem Vormarsch, aber ihr Ziel, ihre Herkunft, ihre Absicht, all das blieb im Schatten des Warp verborgen. Sie lächelte, eine kalte Geste, der keine Spur von Humor inne zu wohnen schien. Wer könnte je die Absichten der widerwärtigen dunklen Wesen des Warp verstehen? Wer würde je ihre wahren Motive erkennen, ohne sich ihren ketzerischen Einflüssen hinzugeben? Sie schüttelte in einer unbewussten Reaktion auf ihre eigenen Gedanken ihren Kopf, sodass ihr Strähnen ihrer blonden Haare ins Gesicht fielen. Mit einer ebenso unbewussten, automatisierten Geste strich sie sich die Haare wieder aus den Augen und wandte sich erneut den Bergen von Akten zu. Meredem, eine Makropolwelt. Orex III, eine Agrarwelt. Syros, eine Minenkolonie. Keine Verbindungen untereinander. Keine Anhaltspunkte. Man hätte meinen können, dass es Zufall war, dass all diese Welten nun tot waren, wenn nicht dieses nicht greifbare Muster gewesen wäre. Ihre stahlgrauen Augen verengten sich vor Konzentration zu Schlitzen, was ihr in dem flackernden Dämmerlicht etwas katzenhaftes, dämonisches gab. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte sie es sehen, direkt vor ihren Augen. Für einen kurzen Augenblick erkannte sie das Muster, sie musste nur noch zugreifen und es festhalten.
Dann flog die die Tür zu ihrer Kammer mit einem Windzug auf, der entfernt an höhnisches Gelächter erinnern konnte. Fast erschrocken fuhr sie zusammen und hatte für einen Augenblick das seltsame Gefühl ertappt worden zu sein. Sie richtete den Blick auf die gerüstete Gestalt, die vor ihr stand und mit der Faust auf ihre gepanzerte Brust schlug, bevor sie auf ein unmerkliches Nicken hin den Raum betrat und einen weiteren Bericht mit ausdrucksloser Mine auf den Tisch legte. Eine hastige, ruckartige Bewegung mit Hand entließ die gerüstete Figur aus ihrer Anwesenheit. Sie beachtete sie nicht mehr, hörte nicht mehr, wie schwere Schritte hinter der Tür verhallten. Ihre Augen ruhten auf der leuchtenden Schrift des Berichtes, den sie gerade erhalten hatte. Nein, kein Bericht - ein Notruf. "Imperator, höre unser Flehen! Errette die Seelen der deinen und vergib uns armen Sündern! Schließe die Hölle und vernichte ihre Brut. Amen. Imperator, höre unser Flehen! Errette.."
Eine endlos wiederholte Wortkette, aus der ein Glied sie förmlich ansprang: die Brut der Hölle. Dämonen! Torgast V, der Ursprung des Notrufes, lag nur eine Wochenreise durch den Warp entfernt, so ihnen der Imperator eine ruhige Reise schenkte. "Torgast V!" murmelte sie, wie ein Mantra. Was hatte sie von diesem Notruf zu halten? War es ein Ersuchen um Verstärkung? War es ein Mortis-Schrei? Mit einem erneuten Kopfschütteln versuchte sie, Ordnung in ihren Gedanken zu schaffen. Sie würde dorthin gehen müssen, soviel stand für sie fest. Ihre Hand zitterte kaum merklich, als sie den Sprechknopf des einfachen, schiffsinternen Voxgerätes drückte. "Captain Pharon, setzen sie Kurs auf Torgast V!" Das leichte Mitschwingen von Erregung wurde durch das Lautsprechersystem unhörbar. Die tiefe, angenehme Stimme des Kommandanten der Jagdbote, der eine Bestätigung voxte, hörte sie schon wieder nicht mehr. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt wieder ihrem Schreibtisch und den Berichten.
Sie stand auf der Brücke der Jagdbote. Die Antriebssysteme der schnellen Fregatte liefen auf einem Viertel ihrer Leistung, um sich so langsam dem Planeten Torgast V zu nähern. Sie trug nicht mehr die einfachen, ihre weibliche Figur verhüllenden Roben, sondern eine mit feinen Intarsien verzierte Rüstung. An ihrer Hüfte baumelte ein von Ketten gehaltenes und in abgewetztes Leder gebundenes Buch. "Wir nähern uns jetzt in einem weiten Bogen dem Planeten, Herrin." Der tiefe, kehlige Dialekt des Kapitäns der Jagdbote ließ sie ihre Mundwinkel in der Andeutung eines Lächelns verziehen. Auch das Wort "Herrin" kam so ehrfurchtsvoll, dass es sie fast erröten ließ. Ein wohlverdientes Zeichen des Respekts, sagte sie sich. War sie nicht auserwählt, um den Willen des Imperators durchzusetzen? "Danke, Captain", erwiderte sie mit einer ruhigen, fast lieblichen Stimme, der man trotzdem sofort entnehmen konnte, dass sie gewohnt war, Befehle zu geben. Ihre schmalen Augenbrauen zogen sich kurz drauf über der geraden, wohlgeformten Nase zusammen, als sie sich auf die taktischen Displays der Fregatte konzentrierte. "Irgendetwas Ungewöhnliches?" fragte sie in die nur von den Arbeitsgeräuschen der Brücke unterbrochene Stille. "Abgesehen natürlich von dem Fehlen jedweder Kommunikation", fügte sie in Gedanken hinzu. Auch wenn das hier nicht Hydraphur war, so hätte es doch zumindest den üblichen zivilen Funkverkehr geben müssen. "Ein Schiff verschwand auf der uns abgewandten Seite des Planeten kurz nach unserem Eintreffen. Die Langstreckensensoren konnten so schnell nicht volle Leistung entwickeln. Die Kennung ist daher unklar. Aber alle Hinweise deuten auf ein ziviles, imperiales Schiff hin. Keine Schiffe der Verteidigungsflotte sind im System, kein Funkverkehr, alle Frequenzen sind tot. Keine Signale vom Planeten. Unsere Sensoren empfangen aber...seltsame Ausschläge im energetischen Bereich von der Oberfläche."
Der Captain zuckte zusammen, als sich ihr Blick auf ihn richtete. "Captain, wir waren nur acht Tage im Warp. Torgast V hatte drei systemgebundene Monitore, ein stehendes Heer von einer halben Million Soldaten der PDF, Arbites und paramilitärische Milizen in den größeren Städten. Irgendetwas MUSS noch da sein! Spezifizieren Sie "Energiespitzen"!" Captain Pharon schluckte. "Die Sensoren erfassen nichts, Herrin. Die Ausschläge haben Ähnlichkeit mit den Signaturen, die Schiffe hinterlassen, die aus dem Warp austreten, sind allerdings nicht so stabil und viel zu nah an der Oberfläche des Planeten. Ich habe so etwas noch nie gesehen." Ihr Gesicht verdunkelte sich. Im Gegensatz zum Kommandanten der Jagdbote kannte sie dieses Phänomen sehr wohl. "Sehr gut, Captain. Halten Sie den Kurs und lassen die Crew auf Gefechtsstationen. Das Gellerfeld bleibt aktiv. Ich werde auf dem Planeten landen. Bei Erreichen von Torgast V gehen Sie in einen geostationären Orbit und warten dort fünf Stunden! Danach betrachten Sie uns bei nicht erfolgter Rückkehr als tot und kehren nach Thracian Primaris zurück. Sollte das verschwundene Schiff wieder auftauchen, halten Sie Abstand und informieren Sie mich sofort!" Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ die Brücke - und einen besorgt aussehenden Captain Pharon.
Sie ging in die kleine Kapelle der Jagdbote und kniete vor den im Halbkreis angeordneten Statuen nieder. In der Mitte, umspielt von geschickt angeordneten Leuchten und umschmeichelt von Weihrauch, den zwei Servitoren in autistischer Monotonie aus alten, schweren Gefäßen aufsteigen ließen, war schwebend eine überlebensgroße Statue des Imperators angebracht und starrte mit strengem Angesicht und leblosen, entrückten Augen auf sie nieder. Unter ihm, fast verborgen in all den Nebelschwaden, war ein niedriger Altar, auf dem halb vertrocknete Blumen und zwei, dicke, verstaubte Bücher lagen. Den Altar selber zierte an der Front ein verblichenes, verwundetes Herz, aus dem ein einsamer Bluttropfen quoll. Sie sank auf die Knie, und faltete die Hände. "A spiritu dominatus, Domine, libra nos, From the lighting and the tempest, Our Emperor, deliver us. From plague, Temptation and war, Our Emperor, deliver us, From the scourge of the Kraken, Our Emperor, deliver us. From the blasphemy of the Fallen, Our Emperor, deliver us, From the begetting of daemons, Our Emperor, deliver us, From the curse of the mutant, Our Emperor, deliver us, A morte perpetua, Domine, libra nos. That thou wouldst bring them only death, That thou shouldst spare none, That thou shouldst pardon none, We beseech thee, destroy them."
Immer wieder wiederholte sie diese Worte, fand Frieden in ihrem vertrauten Klang und Zuflucht in ihrem Inhalt. Dann legte sich eine gepanzerte Hand von hinten auf ihren rechten Schulterpanzer und riss sie aus ihrer Apathie. Sie blickte auf und sah in ein von Brandnarben grässlich entstelltes Gesicht, das in krassem Gegensatz zu ihren feinen Gesichtszügen mit den roten, vollen Lippen stand. "Ihr werdet erwartet, Prioris." Sie hatte nicht bemerkt, wie viel Zeit vergangen war, seit sie in die Kapelle gekommen war. Sie nickte stumm und sah noch einmal zum Gesicht des Imperators auf. Doch der steinerne Riese blieb stumm.
Prioris Jana Tordredson vom Orden des Verwundeten Herzens schritt durch die Korridore der Jagdbote. Seit sie von ihrer Principalis den Auftrag bekommen hatte, die Vorgänge im Helican Subsektor zu untersuchen, war sie ihrem Ziel nie so nahe gewesen. Sie wusste immer noch nicht, womit sie es zu tun hatte - aber sie wusste, dass sie es vernichten musste. Das war sie dem Imperator schuldig. Sie war sich nur nicht sicher, ob ein Trupp Celestias, auch wenn es zweifelsohne die Besten des Ordens waren, ausreichen würde. Sie schob ihre Zweifel beiseite und strich sich mit einer Hand eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn. Wie alle Schwestern ihres Trupps trug sie keinen Helm, vier rechtschaffene Godwyn-Bolter und ein schwerer Flammenwerfer mussten heute genügen. Und wenn sie erst hinter das Geheimnis des Musters gekommen wäre, konnte sie immer noch Verstärkung anfordern. Zunächst sollte ihre Konzentration jedoch ihrer derzeitigen Mission gelten. Sie musste herausfinden, was auf diesem Planeten geschehen war. Was auf den anderen Planeten geschehen war.
Im Hangar angekommen, warteten bereits ihr Arvus und ihre Schwestern auf sie. Vier Veteraninnen von untadeligem Ruf; jede mit der Erfahrung aus mehreren Kreuzzügen. Sie brauchte keine lange Rede, um ihnen zu vermitteln, was sie zu erwarten hatten. "Schwestern, das ist eine Aufklärungsmission. Vermutlich dämonischer Befall. Unser Auftrag ist es, nach Hinweisen Ausschau zu halten. Wir werden unsere Suche im Palast des Gouverneurs beginnen." Sie faltete die Hände. "Lasst uns gemeinsam unsere Seelen dem Imperator empfehlen und um seinen Schutz bitten." Wie ein Person fielen die Schwestern des Adeptus Sororitas auf ein Knie und begannen zu beten. Erst nach einer für einen unbeteiligten Zuschauer gefühlten Ewigkeit beendeten sie ihre gemeinsamen rituellen, fast archaisch anmutenden Gebete und verschwanden im Arvus. Kurz darauf betete Captain Pharon auf der Brücke der Jagdbote im Angesicht der schnell verschwindenden Triebwerke des Landungsschiffes für eine sichere und vor allem schnelle Rückkehr der Schwestern.
Der Planet bot ein Bild des Grauens. Es war nicht der Tod in all seinen Facetten, der auf die Schwestern gewartet hatte, nicht die völlige Zerstörung, die das Chaos hinterließ. Das hier war anders. Keine Toten, keine Zerstörung, außer den geschändeten Insignien des göttlichen Imperators. Trotzdem war es in der Luft: der süßliche, ekelerregende Gestank des Chaos, wie Moschus oder das aufdringliche und gleichzeitig anziehende Parfum eine Hure.
Die Prioris umklammerte ihren Bolter. Hätte sie nicht ihre Rüstung getragen, so hätte man sehen können, dass auf ihren feingliedrigen Fingern jeder Knöchel weiß hervorgetreten war. "Diora, Graniel, Aletta - ihr drei geht entlang der Allee und nähert euch dem Palast von hinten. Das Archiv liegt im ersten Stock. Babeta, ihr kommt mit mir. Wir werden den direkten Weg nehmen." Während Graniel zum letzten mal ihren schweren Flammenwerfer kontrollierte, murmelten ihre Schwestern ein kurzes Gebet über ihre Bolter. Danach trennten sich die Wege der Celestias.
Der Arvus hatte sie in einem eigentlich dicht besiedelten Gebiet abgesetzt, genauer in einem Park. Nebelschwaden zogen über das saftige grüne Gras und ließen alles, was weiter als 30 Schritt entfernt lag, zu Schemen verschwimmen. Doch nirgends waren die Spuren von Kämpfen zu sehen, nichts deutete darauf hin, dass es hier jemals Krieg gegeben hatte. Auch aus der Luft hatte man entlang der Hauptstadt des Planeten keine Anzeichen für Gefechte gefunden. Langsam ging die Prioris in den Nebel, den Bolter immer entlang ihres Blickes gerichtet, den Finger nur einen Millimeter vom Abzug entfernt. Ihre Anspannung nahm mit jedem Schritt zu, den sie in den Nebel ging. Sie ging an Bäumen vorbei, die ihr falsch vorkamen, ohne dass sie sagen konnte, warum. Das Gras war grüner, als es sein sollte und lud förmlich dazu ein, es sich darin gemütlich zu machen. Sie konnte förmlich die verliebten Paare sehen, die hier vor nicht allzu langer Zeit Arm in Arm gelegen hatten. Tordredson verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihre Umgebung. Schemenhaft war vor ihr eine Mauer oder Hecke zu erkennen, dahinter hohe, dunkle Schatten, die das Ende des Parks bedeuten mochten. Das war der Moment, in dem der Wind aufkam. Und mit ihm die Stimme.
Leises Wispern erfüllte ihren Kopf, drang in ihr Hirn. Worte, die sie nicht verstand, Worte, die schön und abstoßen zugleich waren. Für eine Sekunde war die Prioris versucht, sich den Stimmen hinzugeben. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie versucht, ihre Eide zu brechen. Nicht länger. Der Moment des Zweifels verging, als sich Tordredson in einen Mantel aus Gebeten hüllte, sich ganz und gar von der Kraft des Glaubens durchströmen ließ. Die Tonart der Stimmen änderte sich, aus schmeichelnden Flüstereien wurde zuerst hönisches Gelächter, dann leise Wut. Dann verschwanden die Stimmen und die Welt versank wieder in der unmenschlichen, leeren Stille. Die Prioris blickte sich um und sah Schwester Babeta, die sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. "War...war...was war das?" stammelte die Celestia. "Beim Imperator, so etwas habe ich noch nie erlebt. Meine Mutter hat zu mir gesprochen. Prioris, diese Welt ist falsch!" "Mut, Schwester", gab Prioris Tordredson zurück, "Mut und Glaube sind unser Schild. Der Imperator beschützt die seinen!" Was immer auch zu ihrer Schwester gesprochen hatte, war nicht ihre Mutter gewesen. Die Schwestern des Adeptus Sororitas hatten keine Mutter - nur einen Vater auf dem Goldenen Thron. Ein Griff zum Voxgerät öffnete einen Kanal zu den anderen Celestias, aber nur statisches Rauschen und Interferenzen antworteten ihren Worten. "Der Imperator beschützt!" murmelte sie, bevor sie mit einer knappen Geste andeutete, dass es weiter ging.
Tordredson ging voraus und durchbrach den Nebel, der über dem Park lag. Die Häuser dahinter wirkten unscheinbar, Habblocks wie in jeder imperialen Siedlung üblich. Unüblich waren die Gemälde. Männer, die Frauen zu Füßen lagen, Frauen mit Peitschen, Frauen mit nur einer Brust und obszönere Perversionen. Kultgemälde. Tordredson erschauerte, als sie die Handschrift erkannte, die die bis hierhin unsichtbare Macht hinterlassen hatte. Vorsichtig ging sie weiter, doch das Leben schien die Hauptstadt geflohen zu sein. Die Stille schien die beiden Schwestern zu umhüllen wie Watte. Nach einer Zeit, die beiden Schwestern vorkam wie eine Ewigkeit, ragten die hohen Türme des Imperialen Palastes vor ihnen auf, dem Sitz des planetaren Herrschers. Jeder einzelne Adler, jeder Blitz, einfach jedes Emblem des Imperiums war verstümmelt worden. Die Statuen, die einstmals stolz und erhaben über den Weg zum Haupttor des Palastes gewacht hatten, waren entweiht und durch ekelhaft pervertierte, lüsterne Gestalten ersetzt worden, die an ihrer statt nun vom Niedergang der Gesellschaft auf Torgast V kündeten. Die große Tür des Basilika-ähnlichen Baus stand offen. Tordredson versuchte erneut, in Verbindung mit ihren drei anderen Schwestern zu treten, doch dieses Mal erhielt sie nicht einmal statisches Rauschen als Antwort auf ihre Fragen.
In Scripturis sacris, Diablolus et daemones variis
vocantur nominibus. Inter quae quaedam naturam navitatemque eorum quodammodo innuunt.
Virgo Sacrosancta, qui Satanas, serpens antiquust et draco vocatur .
Hominum adversarius et homicida ab initio designatur, cum per peccatum hominem fecit
obnoxium morti.
Cum autem noxia atque contraria actio Diaboli et daemonum afficiat personas, res, loca et appareat diverso modo, Ecclesia, semper conscia quod dies mali sunt, oravit et orat ut ab insidiis diaboli homines liberentur!
Kopfschmerzen und Müdigkeit. Daten, Zahlen, Berichte. Ihre Welt bestand einfach aus nichts anderem, als eben diesen Dingen. Erschöpft starrte sie aus rot geränderten, mit dunklen Ringen versehenen Augen auf die Flut an Berichten, die sich in der dunklen Kammer an Bord der Jagdbote türmten. Ihr Schreibtisch, ein spartanisches Stück Metall, das den Namen nicht einmal im Ansatz verdient hatte, bog sich schier unter der Last der Datentafeln und Papierberge. Funksprüche lagen neben Aufklärungsergebnissen und Meldungen über vermeintliche Spuren thronten neben den wirren Orakelsprüchen lokaler "Heiliger". Chaos in ihrem Kopf, Chaos auf ihrem Schreibtisch, Chaos in der Welt. Offenbar bestimmte das Chaos ihr Leben. Sie hob ihren Kopf in dem verzweifelten Versuch Mattigkeit und Kopfschmerzen loszuwerden. Der Schriftzug über ihrer Tür, "Die Beweisführung ist schwierig und kann nur von Gelehrten verstanden werden; der Glaube aber ist nötig für die Ungebildeten, für die jungen Menschen und all diejenigen, denen es an Muße fehlt, sich mit Philosophie zu beschäftigen. Für sie reicht die Offenbarung", spendete ihr dieses Mal nur wenig Trost.
Im flackernden rot-gelben Licht von Kerzen griff sie zu einem weiteren Bericht. Ravan IV, eine mittelgroße Kolonie im Kalimes-System, nicht bedeutend genug, um sofort ins Auge zu fallen, strategisch wie taktisch von untergeordneter Bedeutung, und doch nicht unwichtig genug, um keine Besorgnis zu empfinden, wenn dieser Planet keine Routinemeldungen mehr absetzte. Sie fügten den Namen des Planeten der Liste hinzu, der seit Stunden, wenn nicht Tagen, ihre Aufmerksamkeit gehörte. Eine Liste mit Planeten, die in diesem Subsektor in den letzten Wochen einem ungewissen Schicksal anheim gefallen waren. Es gab ein Muster hinter diesen Ereignissen, ein Muster und eine Bedeutung, die es rechtfertigten, dass jemand von ihrem Rang sich damit beschäftigte. Ein Muster, dass direkt vor ihren Augen tanzte, dass sie nur zu packen brauchte, doch das sich jedes Mal, wenn sie zugreifen wollte, wie Nebel in der Sonne auflöste und sich verflüchtigte. Die Liste der Planeten des Subsektors, die in der letzten Zeit verstummt waren, war lang. Wann immer sie mit ihrem Gefolge an einem der stummen Planeten eingetroffen war, hatte sie eine tote Welt gefunden. Eine Welt, die den süßen Duft des Todes verströmte; ein Duft, der eher in die Gedanken, als in die Nase stieg. Und allem haftete der Makel an. Der Duft war überall: in den Ruinen, in den Wüsten, jeder Stein und jedes Sandkorn der verheerten Welten verströmte ihn. Ein Duft, und gleichzeitig eine Ahnung, ein Traum mit der Essenz des Bösen. Jedes Mal hatte sie spüren können, wie sich die Seelen der Getöteten einen Weg in ihre Gedanken bahnen wollten, hatte ihre Verzweiflung fast schmecken können, hätte fast ihre Schreie hören können. Aber ihre Barrieren hielten und so wusste sie nicht, was geschehen war. Chaos. Soviel wusste sie, dunkle Mächte waren auf dem Vormarsch, aber ihr Ziel, ihre Herkunft, ihre Absicht, all das blieb im Schatten des Warp verborgen. Sie lächelte, eine kalte Geste, der keine Spur von Humor inne zu wohnen schien. Wer könnte je die Absichten der widerwärtigen dunklen Wesen des Warp verstehen? Wer würde je ihre wahren Motive erkennen, ohne sich ihren ketzerischen Einflüssen hinzugeben? Sie schüttelte in einer unbewussten Reaktion auf ihre eigenen Gedanken ihren Kopf, sodass ihr Strähnen ihrer blonden Haare ins Gesicht fielen. Mit einer ebenso unbewussten, automatisierten Geste strich sie sich die Haare wieder aus den Augen und wandte sich erneut den Bergen von Akten zu. Meredem, eine Makropolwelt. Orex III, eine Agrarwelt. Syros, eine Minenkolonie. Keine Verbindungen untereinander. Keine Anhaltspunkte. Man hätte meinen können, dass es Zufall war, dass all diese Welten nun tot waren, wenn nicht dieses nicht greifbare Muster gewesen wäre. Ihre stahlgrauen Augen verengten sich vor Konzentration zu Schlitzen, was ihr in dem flackernden Dämmerlicht etwas katzenhaftes, dämonisches gab. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte sie es sehen, direkt vor ihren Augen. Für einen kurzen Augenblick erkannte sie das Muster, sie musste nur noch zugreifen und es festhalten.
Dann flog die die Tür zu ihrer Kammer mit einem Windzug auf, der entfernt an höhnisches Gelächter erinnern konnte. Fast erschrocken fuhr sie zusammen und hatte für einen Augenblick das seltsame Gefühl ertappt worden zu sein. Sie richtete den Blick auf die gerüstete Gestalt, die vor ihr stand und mit der Faust auf ihre gepanzerte Brust schlug, bevor sie auf ein unmerkliches Nicken hin den Raum betrat und einen weiteren Bericht mit ausdrucksloser Mine auf den Tisch legte. Eine hastige, ruckartige Bewegung mit Hand entließ die gerüstete Figur aus ihrer Anwesenheit. Sie beachtete sie nicht mehr, hörte nicht mehr, wie schwere Schritte hinter der Tür verhallten. Ihre Augen ruhten auf der leuchtenden Schrift des Berichtes, den sie gerade erhalten hatte. Nein, kein Bericht - ein Notruf. "Imperator, höre unser Flehen! Errette die Seelen der deinen und vergib uns armen Sündern! Schließe die Hölle und vernichte ihre Brut. Amen. Imperator, höre unser Flehen! Errette.."
Eine endlos wiederholte Wortkette, aus der ein Glied sie förmlich ansprang: die Brut der Hölle. Dämonen! Torgast V, der Ursprung des Notrufes, lag nur eine Wochenreise durch den Warp entfernt, so ihnen der Imperator eine ruhige Reise schenkte. "Torgast V!" murmelte sie, wie ein Mantra. Was hatte sie von diesem Notruf zu halten? War es ein Ersuchen um Verstärkung? War es ein Mortis-Schrei? Mit einem erneuten Kopfschütteln versuchte sie, Ordnung in ihren Gedanken zu schaffen. Sie würde dorthin gehen müssen, soviel stand für sie fest. Ihre Hand zitterte kaum merklich, als sie den Sprechknopf des einfachen, schiffsinternen Voxgerätes drückte. "Captain Pharon, setzen sie Kurs auf Torgast V!" Das leichte Mitschwingen von Erregung wurde durch das Lautsprechersystem unhörbar. Die tiefe, angenehme Stimme des Kommandanten der Jagdbote, der eine Bestätigung voxte, hörte sie schon wieder nicht mehr. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt wieder ihrem Schreibtisch und den Berichten.
Sie stand auf der Brücke der Jagdbote. Die Antriebssysteme der schnellen Fregatte liefen auf einem Viertel ihrer Leistung, um sich so langsam dem Planeten Torgast V zu nähern. Sie trug nicht mehr die einfachen, ihre weibliche Figur verhüllenden Roben, sondern eine mit feinen Intarsien verzierte Rüstung. An ihrer Hüfte baumelte ein von Ketten gehaltenes und in abgewetztes Leder gebundenes Buch. "Wir nähern uns jetzt in einem weiten Bogen dem Planeten, Herrin." Der tiefe, kehlige Dialekt des Kapitäns der Jagdbote ließ sie ihre Mundwinkel in der Andeutung eines Lächelns verziehen. Auch das Wort "Herrin" kam so ehrfurchtsvoll, dass es sie fast erröten ließ. Ein wohlverdientes Zeichen des Respekts, sagte sie sich. War sie nicht auserwählt, um den Willen des Imperators durchzusetzen? "Danke, Captain", erwiderte sie mit einer ruhigen, fast lieblichen Stimme, der man trotzdem sofort entnehmen konnte, dass sie gewohnt war, Befehle zu geben. Ihre schmalen Augenbrauen zogen sich kurz drauf über der geraden, wohlgeformten Nase zusammen, als sie sich auf die taktischen Displays der Fregatte konzentrierte. "Irgendetwas Ungewöhnliches?" fragte sie in die nur von den Arbeitsgeräuschen der Brücke unterbrochene Stille. "Abgesehen natürlich von dem Fehlen jedweder Kommunikation", fügte sie in Gedanken hinzu. Auch wenn das hier nicht Hydraphur war, so hätte es doch zumindest den üblichen zivilen Funkverkehr geben müssen. "Ein Schiff verschwand auf der uns abgewandten Seite des Planeten kurz nach unserem Eintreffen. Die Langstreckensensoren konnten so schnell nicht volle Leistung entwickeln. Die Kennung ist daher unklar. Aber alle Hinweise deuten auf ein ziviles, imperiales Schiff hin. Keine Schiffe der Verteidigungsflotte sind im System, kein Funkverkehr, alle Frequenzen sind tot. Keine Signale vom Planeten. Unsere Sensoren empfangen aber...seltsame Ausschläge im energetischen Bereich von der Oberfläche."
Der Captain zuckte zusammen, als sich ihr Blick auf ihn richtete. "Captain, wir waren nur acht Tage im Warp. Torgast V hatte drei systemgebundene Monitore, ein stehendes Heer von einer halben Million Soldaten der PDF, Arbites und paramilitärische Milizen in den größeren Städten. Irgendetwas MUSS noch da sein! Spezifizieren Sie "Energiespitzen"!" Captain Pharon schluckte. "Die Sensoren erfassen nichts, Herrin. Die Ausschläge haben Ähnlichkeit mit den Signaturen, die Schiffe hinterlassen, die aus dem Warp austreten, sind allerdings nicht so stabil und viel zu nah an der Oberfläche des Planeten. Ich habe so etwas noch nie gesehen." Ihr Gesicht verdunkelte sich. Im Gegensatz zum Kommandanten der Jagdbote kannte sie dieses Phänomen sehr wohl. "Sehr gut, Captain. Halten Sie den Kurs und lassen die Crew auf Gefechtsstationen. Das Gellerfeld bleibt aktiv. Ich werde auf dem Planeten landen. Bei Erreichen von Torgast V gehen Sie in einen geostationären Orbit und warten dort fünf Stunden! Danach betrachten Sie uns bei nicht erfolgter Rückkehr als tot und kehren nach Thracian Primaris zurück. Sollte das verschwundene Schiff wieder auftauchen, halten Sie Abstand und informieren Sie mich sofort!" Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ die Brücke - und einen besorgt aussehenden Captain Pharon.
Sie ging in die kleine Kapelle der Jagdbote und kniete vor den im Halbkreis angeordneten Statuen nieder. In der Mitte, umspielt von geschickt angeordneten Leuchten und umschmeichelt von Weihrauch, den zwei Servitoren in autistischer Monotonie aus alten, schweren Gefäßen aufsteigen ließen, war schwebend eine überlebensgroße Statue des Imperators angebracht und starrte mit strengem Angesicht und leblosen, entrückten Augen auf sie nieder. Unter ihm, fast verborgen in all den Nebelschwaden, war ein niedriger Altar, auf dem halb vertrocknete Blumen und zwei, dicke, verstaubte Bücher lagen. Den Altar selber zierte an der Front ein verblichenes, verwundetes Herz, aus dem ein einsamer Bluttropfen quoll. Sie sank auf die Knie, und faltete die Hände. "A spiritu dominatus, Domine, libra nos, From the lighting and the tempest, Our Emperor, deliver us. From plague, Temptation and war, Our Emperor, deliver us, From the scourge of the Kraken, Our Emperor, deliver us. From the blasphemy of the Fallen, Our Emperor, deliver us, From the begetting of daemons, Our Emperor, deliver us, From the curse of the mutant, Our Emperor, deliver us, A morte perpetua, Domine, libra nos. That thou wouldst bring them only death, That thou shouldst spare none, That thou shouldst pardon none, We beseech thee, destroy them."
Immer wieder wiederholte sie diese Worte, fand Frieden in ihrem vertrauten Klang und Zuflucht in ihrem Inhalt. Dann legte sich eine gepanzerte Hand von hinten auf ihren rechten Schulterpanzer und riss sie aus ihrer Apathie. Sie blickte auf und sah in ein von Brandnarben grässlich entstelltes Gesicht, das in krassem Gegensatz zu ihren feinen Gesichtszügen mit den roten, vollen Lippen stand. "Ihr werdet erwartet, Prioris." Sie hatte nicht bemerkt, wie viel Zeit vergangen war, seit sie in die Kapelle gekommen war. Sie nickte stumm und sah noch einmal zum Gesicht des Imperators auf. Doch der steinerne Riese blieb stumm.
Prioris Jana Tordredson vom Orden des Verwundeten Herzens schritt durch die Korridore der Jagdbote. Seit sie von ihrer Principalis den Auftrag bekommen hatte, die Vorgänge im Helican Subsektor zu untersuchen, war sie ihrem Ziel nie so nahe gewesen. Sie wusste immer noch nicht, womit sie es zu tun hatte - aber sie wusste, dass sie es vernichten musste. Das war sie dem Imperator schuldig. Sie war sich nur nicht sicher, ob ein Trupp Celestias, auch wenn es zweifelsohne die Besten des Ordens waren, ausreichen würde. Sie schob ihre Zweifel beiseite und strich sich mit einer Hand eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn. Wie alle Schwestern ihres Trupps trug sie keinen Helm, vier rechtschaffene Godwyn-Bolter und ein schwerer Flammenwerfer mussten heute genügen. Und wenn sie erst hinter das Geheimnis des Musters gekommen wäre, konnte sie immer noch Verstärkung anfordern. Zunächst sollte ihre Konzentration jedoch ihrer derzeitigen Mission gelten. Sie musste herausfinden, was auf diesem Planeten geschehen war. Was auf den anderen Planeten geschehen war.
Im Hangar angekommen, warteten bereits ihr Arvus und ihre Schwestern auf sie. Vier Veteraninnen von untadeligem Ruf; jede mit der Erfahrung aus mehreren Kreuzzügen. Sie brauchte keine lange Rede, um ihnen zu vermitteln, was sie zu erwarten hatten. "Schwestern, das ist eine Aufklärungsmission. Vermutlich dämonischer Befall. Unser Auftrag ist es, nach Hinweisen Ausschau zu halten. Wir werden unsere Suche im Palast des Gouverneurs beginnen." Sie faltete die Hände. "Lasst uns gemeinsam unsere Seelen dem Imperator empfehlen und um seinen Schutz bitten." Wie ein Person fielen die Schwestern des Adeptus Sororitas auf ein Knie und begannen zu beten. Erst nach einer für einen unbeteiligten Zuschauer gefühlten Ewigkeit beendeten sie ihre gemeinsamen rituellen, fast archaisch anmutenden Gebete und verschwanden im Arvus. Kurz darauf betete Captain Pharon auf der Brücke der Jagdbote im Angesicht der schnell verschwindenden Triebwerke des Landungsschiffes für eine sichere und vor allem schnelle Rückkehr der Schwestern.
Der Planet bot ein Bild des Grauens. Es war nicht der Tod in all seinen Facetten, der auf die Schwestern gewartet hatte, nicht die völlige Zerstörung, die das Chaos hinterließ. Das hier war anders. Keine Toten, keine Zerstörung, außer den geschändeten Insignien des göttlichen Imperators. Trotzdem war es in der Luft: der süßliche, ekelerregende Gestank des Chaos, wie Moschus oder das aufdringliche und gleichzeitig anziehende Parfum eine Hure.
Die Prioris umklammerte ihren Bolter. Hätte sie nicht ihre Rüstung getragen, so hätte man sehen können, dass auf ihren feingliedrigen Fingern jeder Knöchel weiß hervorgetreten war. "Diora, Graniel, Aletta - ihr drei geht entlang der Allee und nähert euch dem Palast von hinten. Das Archiv liegt im ersten Stock. Babeta, ihr kommt mit mir. Wir werden den direkten Weg nehmen." Während Graniel zum letzten mal ihren schweren Flammenwerfer kontrollierte, murmelten ihre Schwestern ein kurzes Gebet über ihre Bolter. Danach trennten sich die Wege der Celestias.
Der Arvus hatte sie in einem eigentlich dicht besiedelten Gebiet abgesetzt, genauer in einem Park. Nebelschwaden zogen über das saftige grüne Gras und ließen alles, was weiter als 30 Schritt entfernt lag, zu Schemen verschwimmen. Doch nirgends waren die Spuren von Kämpfen zu sehen, nichts deutete darauf hin, dass es hier jemals Krieg gegeben hatte. Auch aus der Luft hatte man entlang der Hauptstadt des Planeten keine Anzeichen für Gefechte gefunden. Langsam ging die Prioris in den Nebel, den Bolter immer entlang ihres Blickes gerichtet, den Finger nur einen Millimeter vom Abzug entfernt. Ihre Anspannung nahm mit jedem Schritt zu, den sie in den Nebel ging. Sie ging an Bäumen vorbei, die ihr falsch vorkamen, ohne dass sie sagen konnte, warum. Das Gras war grüner, als es sein sollte und lud förmlich dazu ein, es sich darin gemütlich zu machen. Sie konnte förmlich die verliebten Paare sehen, die hier vor nicht allzu langer Zeit Arm in Arm gelegen hatten. Tordredson verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihre Umgebung. Schemenhaft war vor ihr eine Mauer oder Hecke zu erkennen, dahinter hohe, dunkle Schatten, die das Ende des Parks bedeuten mochten. Das war der Moment, in dem der Wind aufkam. Und mit ihm die Stimme.
Leises Wispern erfüllte ihren Kopf, drang in ihr Hirn. Worte, die sie nicht verstand, Worte, die schön und abstoßen zugleich waren. Für eine Sekunde war die Prioris versucht, sich den Stimmen hinzugeben. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie versucht, ihre Eide zu brechen. Nicht länger. Der Moment des Zweifels verging, als sich Tordredson in einen Mantel aus Gebeten hüllte, sich ganz und gar von der Kraft des Glaubens durchströmen ließ. Die Tonart der Stimmen änderte sich, aus schmeichelnden Flüstereien wurde zuerst hönisches Gelächter, dann leise Wut. Dann verschwanden die Stimmen und die Welt versank wieder in der unmenschlichen, leeren Stille. Die Prioris blickte sich um und sah Schwester Babeta, die sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. "War...war...was war das?" stammelte die Celestia. "Beim Imperator, so etwas habe ich noch nie erlebt. Meine Mutter hat zu mir gesprochen. Prioris, diese Welt ist falsch!" "Mut, Schwester", gab Prioris Tordredson zurück, "Mut und Glaube sind unser Schild. Der Imperator beschützt die seinen!" Was immer auch zu ihrer Schwester gesprochen hatte, war nicht ihre Mutter gewesen. Die Schwestern des Adeptus Sororitas hatten keine Mutter - nur einen Vater auf dem Goldenen Thron. Ein Griff zum Voxgerät öffnete einen Kanal zu den anderen Celestias, aber nur statisches Rauschen und Interferenzen antworteten ihren Worten. "Der Imperator beschützt!" murmelte sie, bevor sie mit einer knappen Geste andeutete, dass es weiter ging.
Tordredson ging voraus und durchbrach den Nebel, der über dem Park lag. Die Häuser dahinter wirkten unscheinbar, Habblocks wie in jeder imperialen Siedlung üblich. Unüblich waren die Gemälde. Männer, die Frauen zu Füßen lagen, Frauen mit Peitschen, Frauen mit nur einer Brust und obszönere Perversionen. Kultgemälde. Tordredson erschauerte, als sie die Handschrift erkannte, die die bis hierhin unsichtbare Macht hinterlassen hatte. Vorsichtig ging sie weiter, doch das Leben schien die Hauptstadt geflohen zu sein. Die Stille schien die beiden Schwestern zu umhüllen wie Watte. Nach einer Zeit, die beiden Schwestern vorkam wie eine Ewigkeit, ragten die hohen Türme des Imperialen Palastes vor ihnen auf, dem Sitz des planetaren Herrschers. Jeder einzelne Adler, jeder Blitz, einfach jedes Emblem des Imperiums war verstümmelt worden. Die Statuen, die einstmals stolz und erhaben über den Weg zum Haupttor des Palastes gewacht hatten, waren entweiht und durch ekelhaft pervertierte, lüsterne Gestalten ersetzt worden, die an ihrer statt nun vom Niedergang der Gesellschaft auf Torgast V kündeten. Die große Tür des Basilika-ähnlichen Baus stand offen. Tordredson versuchte erneut, in Verbindung mit ihren drei anderen Schwestern zu treten, doch dieses Mal erhielt sie nicht einmal statisches Rauschen als Antwort auf ihre Fragen.