02-19-2009, 01:19 AM
Leto von Beiwingen kam vom Kompaniegefechtsstand zurück und zog seine Stirn in Falten. Diese Geste von ihm hatte einen bestimmten Ruf - etwas stimmte nicht. Sein Panzer, ein mächtiger Dominator - Schema MBT, stand in gedeckter Aufstellung 150m vom nächsten Panzer des Zuges und meilenweit von der nächsten Siedlung in dem kleinen Dünental der koronischen Wüste. Die angebrachte Hochtarnung, ein an vier Stangen befestigtes Tarnnetz, stand fest im Boden verankert über dem Panzer. Von der Besatzung war nichts zu sehen. Der Gefreite Anruek, das jüngste Mitglied der Besatzung, befand sich im Alarmposten am oberen Ende einer Düne, um eventuell überraschend auftretenden Feind sofort aufklären und melden zu können. OG Altmark saß im Bug des Fahrzeuges, bereit die gewaltige Maschine des Dominators zum Leben zu erwecken und den Stahlkoloss angriffsbereit zu machen. Der Richtschütze, HG Fernheim, besetzte den Funk, um seinem Kommandanten bei dessen Rückkehr eine Datentafel mit dem Funkverkehr der letzten eineinhalb Stunden zu übergeben.
Leutnant von Beiwingen erreichte die Luke und stieg über das Heck des Panzers (so dass ihn die imaginären nicht sehen konnten) auf das Topdeck und ging zum Turm. Mit geübten Griffen öffnete der gebürtige Cadianer die Turmeinstiegsluke. Der Geruch von Maschinen- und Waffenöl, vermischt mit dem Schweißgeruch harter Arbeit schlug dem Aristokraten entgegen. Aus dem dunklen Inneren des Turms blickte ihm das rundliche, nach langen Tagen in der Wüste gebräunte Gesicht des Richtschützen mit erwartungsvollem Ausdruck in den Augen entgegen, währen eine Hand automatisch nach der Datentafel mit den Funksprüchen tastete. Bevor er jedoch das gesuchte Objekt in der Hand hatte, wie in von Beiwingen an: "Lagebesprechung, Manöverkritik und Befehlsausgebe in fünf hinter der IRA, Alarmposten verbleibt in jetziger. Ausführung!"
Fernheim war ein guter Soldat, dachte der Leutnant bei sich, vielleicht hin und wieder ein bisschen schwer von Begriff, aber zuverlässig. Der HG gab bereits via BV - Anlage die Anweisungen an den MKF weiter und kurz darauf öffnete sich die Bugluke. Ein sichtlich erleichtert aus der Enge und Hitze des Panzers kriechender Altmark kam zum Vorschein und glitt über den Rumpf des Dominator, um von dort über das Topdeck hinter dem Panzer Stellung zu beziehen. Geschmeidig folgte ihm Fernheim kurz nach dem er Anruek über Funk die neuen Befehle und eine Lageinfo übermittelt hatte. Beide Soldaten hatten ihre Automatikpistolen im Holster; zusätzlich führte Fernheim das kleine Funkgerät mitgeführt. Ein knapper Blick vom Kommandanten zeigte, dass der HG die richtige Einstellung an dem Gerät vorgenommen hatte. Er hockte hinter dem Panzer ab und wandte sich seinen beiden Soldaten zu. "Was fällt ihnen auf, OG?" fragte er, sich dem OG Altmark zuwendend. Altmark, der sich seit langem an den Perfektionsdrang seines Kommandanten gewöhnt hatte, blickte sich um. Der Panzer stand gut, das Hauptwaffensystem war nicht verdeckt...
"Jawohl, Herr Leutnant. Die Abdeckklappen der Optiken sind nicht geschlossen." Bei diesen Worten zuckte Fernheim zusammen. Es wäre seine Aufgabe gewesen die Abdeckungen zu schließen. Er wusste, was jetzt kam und wappnete sich innerlich. "Und warum sind die Klappen geöffnet? Haben wir Ziele im Vorfeld, die wir bekämpfen müssen? In Anbetracht der Düne, hinter der wir stehen, glaube ich nicht, dass wir dann eine Chance hätten..." Fernheim sah seinen Kommandanten an. "Nein, Herr Leutnant. Keine Ziele. Ich habe vergessen die Optiken zu verschließen." Fernheim wusste genau, dass das Erfinden irgendwelcher Ausreden ihm nur noch mehr Ärger eingebracht hätte. Ein dämlicher Anfängerfehler. Stümperhaft. Erst letzte Woche hatte er sich lautstark über eine Panzerbesatzung lustig gemacht, die einen ähnlichen Fehler begangen hatte. „Dann, Hauptgefreiter“ fuhr von Beiwingen fort, „erklären sie mir ddoch mal, warum es so wichtig ist, dass die Optiken verschlossen werden, wenn wir untergezogen sind?“ Fernheim seufzte innerlich. Er kannte dieses Spiel zu genüge – die Tests des Kommandanten hörten nie auf. Aber sie hatten ihre Berechtigung. Auch wenn er es nur ungern zugab: dieser ständige Drang zur Perfektion, stundenlanges Üben der einfachsten Bewegungsabläufe und das fortwährende Wiederholen von Grundsätzen und Ablaufschemen hatte sie geschult und ihnen die nötige Handlungssicherheit gegeben, um sie bis jetzt jedesmal dem Schicksal ein Schnippchen schlagen zu lassen. „Die Optiken besitzen zum Teil reflektierende Scheiben und Glasverkleidungen. In ihnen bricht sich das Licht und zeigt dem Gegner bzw. dessen AB, VB oder Aufklärungseinheiten unsere Stellung an. Damit ist unser Stellungsraum – der unseres Panzers und der des Zuges – aufgeklärt. Das gefährdet den Erfolg der jeweiligen Mission. Deshalb ist es wichtig die Optiken zu verschließen. Handbuch für Panzerkampf, Cadia 345M33 Seite 112.“ zitierte Fernheim pflichtschuldig und bemerkte das zufriedene Nicken seines Kommandanten. Tadellos zitiert, Hauptgefreiter. Ich gehe davon aus, dass es sich bei diesem Fehler um eine einmalige Sache handelt. Sollte sich so etwas wiederholen, haben wir ein Wochenende Zeit, um bestehende Mängel direkt abzustellen.“ Er sah zu Altmark hinüber, der ein wenig teilnahmslos den Boden vor ihm zu betrachten schien. „Es wäre besser, wenn sie zuhören würden, Obergefreiter. Sie sind zwar nicht primär in der Verantwortung, aber auch ihnen hätte auffallen müssen, dass die Klappen nicht verschlossen sind. Denken sie bei nächsten Mal daran. Routine, Männer, bedeutet nachlassende Wachsamkeit. Und das bedeutet einen schnellen Tod. Trennung!“ Von Beiwingen verfiel während seinen Standpauken und Ansprachen oft in die Funkbetriebssprache – eine weitere seiner Marotten. Er zog die Handkarte aus der Beintasche seiner Uniform und legte sie, aufgefaltet, vor sich und die beiden Soldaten. „Wir befinden uns hier;“ sagte er und deutete mit seinem Finger auf einen Teil der Karte. Er schätzte, dass es ungefähr 23 Kilometer bis nach Kalltebe waren, der nächsten Siedlung, und 60 – 70 bis zu den Ausläufern von Ghomor. „Lage; Feind: Feindliche Kräfte sind seit 0500Z auf breiter Front mit zwei Panzer – und drei Infanterieregimentern auf die Makropole angetreten. Vermutete Absicht des Feindes ist es über Kalltebe und das dort befindliche Betriebsstoffdepot auf die Markropole selber anzutreten. Der Kommandant der IRA AETERNA zeichnete mit einem Stift die Wege nach, die die imaginären Feindtruppen nehmen würden. Der Angriff wird – so die Aufklärung in diesem Bereich – im schnellen Stoß mit Panzerkräften, Typ Leman Russ MBT, an der Spitze vorgetragen werden. Wir haben die Spitzen des Angriffs hier, hier und hier.“ Von Beiwingen zeigte auf drei rot in die Karte eingetragene Symbole, die die Spitzen der feindlichen Panzerverbände darstellen sollten. Fernheim und Altmark sahen gespannt auf die Karte, während sie sich parallel Notizen machten. Der Leutnant legte viel wert darauf, dass, sollte er ausfallen, der Panzer seinen Auftrag weiter fort führen konnte – und das ging nur, wenn seine Besatzung die Befehle und zumindest einen Teil der Lage kannte. Eigene Lage: Unser Bataillon hat den Verfügungsraum ostwärts Kalltebe bezogen und bereitet sich auf den Angriff vor. Auftrag: 2./ 12 hat den Auftrag mit 3./ 12 einen Gegenangriff in die tiefe, linke Flanke des Feindes zu führen um ihn nachhaltig zu schwächen. Dabei übernimmt unser Zug, wie gewohnt, die Spitze während B- und C-Zug links bzw. rechts von uns bleiben. Entschluss KpChef wie folgt: 2./ greift an mit drei Zügen nebeneinander, Schwerpunkt Mitte bei A, B links, C rechts, entlang des Geröllfeldes bei C+12 – 45,Feindteile in deren tiefen Flanke um sie nachhaltig zu schwächen. Der Kommandant blickte auf. Seine beiden Soldaten hatten sich mittlerweile kleine Skizzen von Lage und Angriffsplan gemacht und sich die wichtigsten Punkte notiert. Von Beiwingen wandte sich wieder der Karte zu und zeigte auf einige weitere Punkte um Sammelräume, temporäre Ziele und Minenfelder zu zeigen, das Verhalten nach Abschluss des Angriffs anzusprechen und das Verhalten bei Feindkontakt auf dem Marsch zu befehlen – eine Standardprozedur. Nachdem er die neuen Funkfrequenzen festgelegt hatte lies er sich Teile des Befehls wiederholen – Vertrauen war gut, Kontrolle besser. „Fragen? Keine? Zeitvergleich. Es ist jetzt … 0817Z. Aufsitzen, Alarmposten einziehen und Marschbereitschaft herstellen. Meldung an mich, wenn fertig. Zeitansatz: 5 Minuten. Ausführung.“ Mit einem kurzen Nicken machten sich die Soldaten auf den Weg, um den Panzer marschbereit zu machen. Da Anruek immer noch im Alarmposten lag und die Gegend nach Feind absuchte, mussten sie es zu zweit machen. Normalerweise half der Kommandant bei solchen Arbeiten mit – doch als Strafe für den faux – pas von Fernheim stand der Leutnant hinter dem Panzer und sog an einem Lho – Stäbchen. Keine vier Minuten später war die Hochnetztarnung in den seitlichen Staukästen der verschwunden und Anruek kam die Düne hinunter und meldete dem Kommandanten die Marschbereitschaft des Panzers. Zufrieden schnippte von Beiwingen sein Lho- Stäbchen weg – nur um es eine Sekunde später pflichtbewusst wieder aufzuheben und in die Tasche zu stecken. Keine Spuren. Dann stieg er auf seinen Panzer und strich dem Dominator über das heiße Metall auf dem Turm. „Gutes Mädchen“ dachte er, bevor er, exakt um 0828Z, befahl den Motor anzulassen. Zeitgleich würden die anderen beiden Panzer des Zuges bzw. der Rest der 2./ und 3./ ihre Maschinen starten, um so dem Feind möglichst wenig Anhaltspunkte zur Ermittlung ihrer Stärke zu geben.
Dreißig Minuten später raste der Dominator IRAE AETERNA an der linken Flanke des 1. Zuges an der Spitze der Kompanie auf den Feind zu. Am Horizont konnte man bereits deutlich die Staub- und Abgaswolke der Feinde – in diesem Fall von einem der Kettenpanzerbataillone dargestellt – sehen. Die langsam vorankriechende Wolke aus aufgewirbeltem Staub und Abgasen befand sich erst auf zwölf, dann auf neun Uhr, als die schnellen Radpanzer begannen ihre Geschwindigkeit zu nutzen, um in die Flanke oder sogar hinter die feindlichen Verbände zu gelangen. Sie passierten die Leman Russ Panzer in ca. 10 km Entfernung und schlugen drehten bald darauf nach links ab, um die linke Flanke anzugreifen. Der Anblick war erhebend. Der Zugführer des A – Zuges hatte befohlen, dass der Zug in Linie angreifen sollte, also fuhren alle 3 Dominator auf fast gleicher Höhe mit 100m Abstand zwischen den Fahrzeugen durch die Wüste. Fast 100 Tonnen Stahl, 100 Tonnen geballte Macht des Imperiums. Die Leman Russ Panzer waren zwar schwerer gepanzert und bewaffnet, aber ihnen fehlte die Eleganz der Dominator MBTs. Leto von Beiwingen konnte sich nicht vorstellen seine IRA AETERNA noch einmal gegen einen anderen Panzer einzutauschen: Die taktischen Möglichkeiten kombiniert mit der Geschwindigkeit hatten es ihm angetan. Er sah zu den beiden anderen Panzern hinüber und konnte die Kommandanten schemenhaft erkennen, die hochaufgerichtet bis zum Bauch aus ihrer Luke schauten und wie er den Fahrtwind genossen.
„Fertigmachen, noch 2 bis Ziel“ krächzte eine Stimme über den Zug – Vox – Kanal. Von Beiwingen funkte eine kurze Bestätigung zurück und hörte Kurz darauf auch A3, den auf der rechten Flanke fahrenden Panzer, den Funkspruch bestätigen. „Es geht los. KE bereithalten, Auftreffen auf Panzerfeind in einer!“ informierte von Beiwingen seine Besatzung über BV, bevor er die Luke über sich schloss. „Der Imperator beschützt!“ [B] knurrte er und wandte sich seinen Optiken zu. Da waren sie…kolossale Leman Russ MBTs wendeten gerade, um sich der drohenden Gefahr in ihrer Flanke zuzuwenden. Zu spät…
[B] „Richtschütze, 12 Uhr, 3500, Kampfpanzer in Zufahrt, KE, Feuer!“ befahl er, als er den ersten Kampfpanzer ins Visier nahm. Automatisch und mit den geschulten Bewegungen tausendmaligen Trainings richtete Fernheim die 120mm Bordkanone des Dominators auf das Ziel aus, während bereits die rote Leuchte über seinem Kopf glühte – Anruek hatte die KE – Granate bereits im Patronenlager des Hauptwaffensystems untergebracht. Die IRA AETERNA war bereit Vernichtung auf ihre Gegner herab zu beschwören. „ABGEFEUERT!“ tönte Fernheims Stimme durch das BV – System, während sein Kommandant bereits das nächste Ziel aufgeklärt hatte. „Wirkung im Ziel?“ kam die nüchterne frage vom Leutnant. „ Panzer steht, Rauchentwicklung und Ausbootende.“ antwortete Fernheim, bevor er neue Anweisungen erhielt. „Richtschütze, Zielwechsel! 2 Uhr, 2300, Schützenpanzer in Querfahrt, KE, Feuer!“ Die Begeisterung in der Stimme des Kommandanten war kaum zu überhören, als er die Zielmeldung nach EREMZA (Einheit, Richtung, Entfernung, Munition, Ziel, Ausführung] gab. Sekundenbruchteile nachdem die rote Leuchte signalisiert hatte, dass Anruek eine neue Patrone zugeführt hatte, erbebte der Panzer unter dem Abschuss. „Abgefeuert! Treffer Zieloberkannte, verlege Haltepunkt eine halbe Zielbreite rechts, eine halbe Zielbreite tiefer.“ meldete der leicht geknickt klingende Richtschütze. „Kraftfahrer! SOFORT NACH LINKKS!“ brüllte von Beiwingen plötzlich und wurde mit einem harten Ruck, der durch den Panzer lief belohnt, gefolgt von einem unterdrückten Fluch, als Anruek gegen die Seite des Turms geschleudert wurde. „Zielwechsel nach rechts! Kampfpanzer 3 Uhr … Scheiße! Kraftfahrer halt.“ Frustriert starrte von Beiwingen die Nachricht auf seinem Monitor an. „Rumpftreffer – Fz vernichtet“ leuchtete ihm in hochgotisch entgegen. In einem Anflug von Jähzorn schlug gegen die blinkende Konsole und löste damit die Außendarstellung ihre Panzers aus. Rauch drang in dicken Schwaden aus dem Rumpf des Panzers und zeigte ihrem Gegner, dass dieses Fahrzeug vernichtet war. Dann sah er zu seiner Nemesis zurück: Ein Leman Russ MBT war nur knapp 60 m neben ihnen aus einem Dünental aufgetaucht und hatte nur Sekunden gebraucht, um die Lage zu erfassen – und den Dominator, der wie auf dem Präsentierteller vor ihm war. Der Rest war Formsache gewesen…
Sie hatten sie in eine Falle gelockt. Missmutig kam Leto von Beiwingen von der Übungsbesprechung wieder. Er hätte es sehen müssen. Wissen müssen. Die Spuren waren so plump offensichtlich gewesen. Sie hatten es ihnen viel zu leicht gemacht, und trotzdem war niemand auf die Idee gekommen, dass es eine Falle war. Eine komplette Kompanie des Bataillons hatte sich hervorragend getarnt in den Dünentälern versteckt und sich überrollen lassen, um dann im Rücken der Angreifer wieder aufzutauchen. Auf kurze Entfernung hatten die leichteren Typ Dominator MBTs keine Chance gehabt und waren binnen Sekunden aufgeraucht worden. Von Beiwingen war einer der ersten gewesen. Der einzige Lichtblick war seine Besatzung gewesen, die sich achtbar geschlagen hatte. Ein vernichteter Leman Russ MBT und ein Turmtreffer an einem Chimäre TPz waren kein schlechtes Ergebnis. Wenigstens hatte er die Genehmigung bekommen, eine Unterrichtssitzung einzuschieben. Die Genauigkeit beim Zielen konnte definitiv noch verbessert werden. Und Anruek war ein wenig langsam beim ersten Ladevorgang. Der Fahrer hatte zwei Mal größere Steine übersehen…genug Stoff, um eine Stunde Grundlagenwiederholung zu rechtfertigen, bevor es an den technischen Dienst gehen würde. Ach ja – da fiel ihm ein, dass er Altmark noch auf die Achse aufmerksam machen wollte…
Leutnant von Beiwingen erreichte die Luke und stieg über das Heck des Panzers (so dass ihn die imaginären nicht sehen konnten) auf das Topdeck und ging zum Turm. Mit geübten Griffen öffnete der gebürtige Cadianer die Turmeinstiegsluke. Der Geruch von Maschinen- und Waffenöl, vermischt mit dem Schweißgeruch harter Arbeit schlug dem Aristokraten entgegen. Aus dem dunklen Inneren des Turms blickte ihm das rundliche, nach langen Tagen in der Wüste gebräunte Gesicht des Richtschützen mit erwartungsvollem Ausdruck in den Augen entgegen, währen eine Hand automatisch nach der Datentafel mit den Funksprüchen tastete. Bevor er jedoch das gesuchte Objekt in der Hand hatte, wie in von Beiwingen an: "Lagebesprechung, Manöverkritik und Befehlsausgebe in fünf hinter der IRA, Alarmposten verbleibt in jetziger. Ausführung!"
Fernheim war ein guter Soldat, dachte der Leutnant bei sich, vielleicht hin und wieder ein bisschen schwer von Begriff, aber zuverlässig. Der HG gab bereits via BV - Anlage die Anweisungen an den MKF weiter und kurz darauf öffnete sich die Bugluke. Ein sichtlich erleichtert aus der Enge und Hitze des Panzers kriechender Altmark kam zum Vorschein und glitt über den Rumpf des Dominator, um von dort über das Topdeck hinter dem Panzer Stellung zu beziehen. Geschmeidig folgte ihm Fernheim kurz nach dem er Anruek über Funk die neuen Befehle und eine Lageinfo übermittelt hatte. Beide Soldaten hatten ihre Automatikpistolen im Holster; zusätzlich führte Fernheim das kleine Funkgerät mitgeführt. Ein knapper Blick vom Kommandanten zeigte, dass der HG die richtige Einstellung an dem Gerät vorgenommen hatte. Er hockte hinter dem Panzer ab und wandte sich seinen beiden Soldaten zu. "Was fällt ihnen auf, OG?" fragte er, sich dem OG Altmark zuwendend. Altmark, der sich seit langem an den Perfektionsdrang seines Kommandanten gewöhnt hatte, blickte sich um. Der Panzer stand gut, das Hauptwaffensystem war nicht verdeckt...
"Jawohl, Herr Leutnant. Die Abdeckklappen der Optiken sind nicht geschlossen." Bei diesen Worten zuckte Fernheim zusammen. Es wäre seine Aufgabe gewesen die Abdeckungen zu schließen. Er wusste, was jetzt kam und wappnete sich innerlich. "Und warum sind die Klappen geöffnet? Haben wir Ziele im Vorfeld, die wir bekämpfen müssen? In Anbetracht der Düne, hinter der wir stehen, glaube ich nicht, dass wir dann eine Chance hätten..." Fernheim sah seinen Kommandanten an. "Nein, Herr Leutnant. Keine Ziele. Ich habe vergessen die Optiken zu verschließen." Fernheim wusste genau, dass das Erfinden irgendwelcher Ausreden ihm nur noch mehr Ärger eingebracht hätte. Ein dämlicher Anfängerfehler. Stümperhaft. Erst letzte Woche hatte er sich lautstark über eine Panzerbesatzung lustig gemacht, die einen ähnlichen Fehler begangen hatte. „Dann, Hauptgefreiter“ fuhr von Beiwingen fort, „erklären sie mir ddoch mal, warum es so wichtig ist, dass die Optiken verschlossen werden, wenn wir untergezogen sind?“ Fernheim seufzte innerlich. Er kannte dieses Spiel zu genüge – die Tests des Kommandanten hörten nie auf. Aber sie hatten ihre Berechtigung. Auch wenn er es nur ungern zugab: dieser ständige Drang zur Perfektion, stundenlanges Üben der einfachsten Bewegungsabläufe und das fortwährende Wiederholen von Grundsätzen und Ablaufschemen hatte sie geschult und ihnen die nötige Handlungssicherheit gegeben, um sie bis jetzt jedesmal dem Schicksal ein Schnippchen schlagen zu lassen. „Die Optiken besitzen zum Teil reflektierende Scheiben und Glasverkleidungen. In ihnen bricht sich das Licht und zeigt dem Gegner bzw. dessen AB, VB oder Aufklärungseinheiten unsere Stellung an. Damit ist unser Stellungsraum – der unseres Panzers und der des Zuges – aufgeklärt. Das gefährdet den Erfolg der jeweiligen Mission. Deshalb ist es wichtig die Optiken zu verschließen. Handbuch für Panzerkampf, Cadia 345M33 Seite 112.“ zitierte Fernheim pflichtschuldig und bemerkte das zufriedene Nicken seines Kommandanten. Tadellos zitiert, Hauptgefreiter. Ich gehe davon aus, dass es sich bei diesem Fehler um eine einmalige Sache handelt. Sollte sich so etwas wiederholen, haben wir ein Wochenende Zeit, um bestehende Mängel direkt abzustellen.“ Er sah zu Altmark hinüber, der ein wenig teilnahmslos den Boden vor ihm zu betrachten schien. „Es wäre besser, wenn sie zuhören würden, Obergefreiter. Sie sind zwar nicht primär in der Verantwortung, aber auch ihnen hätte auffallen müssen, dass die Klappen nicht verschlossen sind. Denken sie bei nächsten Mal daran. Routine, Männer, bedeutet nachlassende Wachsamkeit. Und das bedeutet einen schnellen Tod. Trennung!“ Von Beiwingen verfiel während seinen Standpauken und Ansprachen oft in die Funkbetriebssprache – eine weitere seiner Marotten. Er zog die Handkarte aus der Beintasche seiner Uniform und legte sie, aufgefaltet, vor sich und die beiden Soldaten. „Wir befinden uns hier;“ sagte er und deutete mit seinem Finger auf einen Teil der Karte. Er schätzte, dass es ungefähr 23 Kilometer bis nach Kalltebe waren, der nächsten Siedlung, und 60 – 70 bis zu den Ausläufern von Ghomor. „Lage; Feind: Feindliche Kräfte sind seit 0500Z auf breiter Front mit zwei Panzer – und drei Infanterieregimentern auf die Makropole angetreten. Vermutete Absicht des Feindes ist es über Kalltebe und das dort befindliche Betriebsstoffdepot auf die Markropole selber anzutreten. Der Kommandant der IRA AETERNA zeichnete mit einem Stift die Wege nach, die die imaginären Feindtruppen nehmen würden. Der Angriff wird – so die Aufklärung in diesem Bereich – im schnellen Stoß mit Panzerkräften, Typ Leman Russ MBT, an der Spitze vorgetragen werden. Wir haben die Spitzen des Angriffs hier, hier und hier.“ Von Beiwingen zeigte auf drei rot in die Karte eingetragene Symbole, die die Spitzen der feindlichen Panzerverbände darstellen sollten. Fernheim und Altmark sahen gespannt auf die Karte, während sie sich parallel Notizen machten. Der Leutnant legte viel wert darauf, dass, sollte er ausfallen, der Panzer seinen Auftrag weiter fort führen konnte – und das ging nur, wenn seine Besatzung die Befehle und zumindest einen Teil der Lage kannte. Eigene Lage: Unser Bataillon hat den Verfügungsraum ostwärts Kalltebe bezogen und bereitet sich auf den Angriff vor. Auftrag: 2./ 12 hat den Auftrag mit 3./ 12 einen Gegenangriff in die tiefe, linke Flanke des Feindes zu führen um ihn nachhaltig zu schwächen. Dabei übernimmt unser Zug, wie gewohnt, die Spitze während B- und C-Zug links bzw. rechts von uns bleiben. Entschluss KpChef wie folgt: 2./ greift an mit drei Zügen nebeneinander, Schwerpunkt Mitte bei A, B links, C rechts, entlang des Geröllfeldes bei C+12 – 45,Feindteile in deren tiefen Flanke um sie nachhaltig zu schwächen. Der Kommandant blickte auf. Seine beiden Soldaten hatten sich mittlerweile kleine Skizzen von Lage und Angriffsplan gemacht und sich die wichtigsten Punkte notiert. Von Beiwingen wandte sich wieder der Karte zu und zeigte auf einige weitere Punkte um Sammelräume, temporäre Ziele und Minenfelder zu zeigen, das Verhalten nach Abschluss des Angriffs anzusprechen und das Verhalten bei Feindkontakt auf dem Marsch zu befehlen – eine Standardprozedur. Nachdem er die neuen Funkfrequenzen festgelegt hatte lies er sich Teile des Befehls wiederholen – Vertrauen war gut, Kontrolle besser. „Fragen? Keine? Zeitvergleich. Es ist jetzt … 0817Z. Aufsitzen, Alarmposten einziehen und Marschbereitschaft herstellen. Meldung an mich, wenn fertig. Zeitansatz: 5 Minuten. Ausführung.“ Mit einem kurzen Nicken machten sich die Soldaten auf den Weg, um den Panzer marschbereit zu machen. Da Anruek immer noch im Alarmposten lag und die Gegend nach Feind absuchte, mussten sie es zu zweit machen. Normalerweise half der Kommandant bei solchen Arbeiten mit – doch als Strafe für den faux – pas von Fernheim stand der Leutnant hinter dem Panzer und sog an einem Lho – Stäbchen. Keine vier Minuten später war die Hochnetztarnung in den seitlichen Staukästen der verschwunden und Anruek kam die Düne hinunter und meldete dem Kommandanten die Marschbereitschaft des Panzers. Zufrieden schnippte von Beiwingen sein Lho- Stäbchen weg – nur um es eine Sekunde später pflichtbewusst wieder aufzuheben und in die Tasche zu stecken. Keine Spuren. Dann stieg er auf seinen Panzer und strich dem Dominator über das heiße Metall auf dem Turm. „Gutes Mädchen“ dachte er, bevor er, exakt um 0828Z, befahl den Motor anzulassen. Zeitgleich würden die anderen beiden Panzer des Zuges bzw. der Rest der 2./ und 3./ ihre Maschinen starten, um so dem Feind möglichst wenig Anhaltspunkte zur Ermittlung ihrer Stärke zu geben.
Dreißig Minuten später raste der Dominator IRAE AETERNA an der linken Flanke des 1. Zuges an der Spitze der Kompanie auf den Feind zu. Am Horizont konnte man bereits deutlich die Staub- und Abgaswolke der Feinde – in diesem Fall von einem der Kettenpanzerbataillone dargestellt – sehen. Die langsam vorankriechende Wolke aus aufgewirbeltem Staub und Abgasen befand sich erst auf zwölf, dann auf neun Uhr, als die schnellen Radpanzer begannen ihre Geschwindigkeit zu nutzen, um in die Flanke oder sogar hinter die feindlichen Verbände zu gelangen. Sie passierten die Leman Russ Panzer in ca. 10 km Entfernung und schlugen drehten bald darauf nach links ab, um die linke Flanke anzugreifen. Der Anblick war erhebend. Der Zugführer des A – Zuges hatte befohlen, dass der Zug in Linie angreifen sollte, also fuhren alle 3 Dominator auf fast gleicher Höhe mit 100m Abstand zwischen den Fahrzeugen durch die Wüste. Fast 100 Tonnen Stahl, 100 Tonnen geballte Macht des Imperiums. Die Leman Russ Panzer waren zwar schwerer gepanzert und bewaffnet, aber ihnen fehlte die Eleganz der Dominator MBTs. Leto von Beiwingen konnte sich nicht vorstellen seine IRA AETERNA noch einmal gegen einen anderen Panzer einzutauschen: Die taktischen Möglichkeiten kombiniert mit der Geschwindigkeit hatten es ihm angetan. Er sah zu den beiden anderen Panzern hinüber und konnte die Kommandanten schemenhaft erkennen, die hochaufgerichtet bis zum Bauch aus ihrer Luke schauten und wie er den Fahrtwind genossen.
„Fertigmachen, noch 2 bis Ziel“ krächzte eine Stimme über den Zug – Vox – Kanal. Von Beiwingen funkte eine kurze Bestätigung zurück und hörte Kurz darauf auch A3, den auf der rechten Flanke fahrenden Panzer, den Funkspruch bestätigen. „Es geht los. KE bereithalten, Auftreffen auf Panzerfeind in einer!“ informierte von Beiwingen seine Besatzung über BV, bevor er die Luke über sich schloss. „Der Imperator beschützt!“ [B] knurrte er und wandte sich seinen Optiken zu. Da waren sie…kolossale Leman Russ MBTs wendeten gerade, um sich der drohenden Gefahr in ihrer Flanke zuzuwenden. Zu spät…
[B] „Richtschütze, 12 Uhr, 3500, Kampfpanzer in Zufahrt, KE, Feuer!“ befahl er, als er den ersten Kampfpanzer ins Visier nahm. Automatisch und mit den geschulten Bewegungen tausendmaligen Trainings richtete Fernheim die 120mm Bordkanone des Dominators auf das Ziel aus, während bereits die rote Leuchte über seinem Kopf glühte – Anruek hatte die KE – Granate bereits im Patronenlager des Hauptwaffensystems untergebracht. Die IRA AETERNA war bereit Vernichtung auf ihre Gegner herab zu beschwören. „ABGEFEUERT!“ tönte Fernheims Stimme durch das BV – System, während sein Kommandant bereits das nächste Ziel aufgeklärt hatte. „Wirkung im Ziel?“ kam die nüchterne frage vom Leutnant. „ Panzer steht, Rauchentwicklung und Ausbootende.“ antwortete Fernheim, bevor er neue Anweisungen erhielt. „Richtschütze, Zielwechsel! 2 Uhr, 2300, Schützenpanzer in Querfahrt, KE, Feuer!“ Die Begeisterung in der Stimme des Kommandanten war kaum zu überhören, als er die Zielmeldung nach EREMZA (Einheit, Richtung, Entfernung, Munition, Ziel, Ausführung] gab. Sekundenbruchteile nachdem die rote Leuchte signalisiert hatte, dass Anruek eine neue Patrone zugeführt hatte, erbebte der Panzer unter dem Abschuss. „Abgefeuert! Treffer Zieloberkannte, verlege Haltepunkt eine halbe Zielbreite rechts, eine halbe Zielbreite tiefer.“ meldete der leicht geknickt klingende Richtschütze. „Kraftfahrer! SOFORT NACH LINKKS!“ brüllte von Beiwingen plötzlich und wurde mit einem harten Ruck, der durch den Panzer lief belohnt, gefolgt von einem unterdrückten Fluch, als Anruek gegen die Seite des Turms geschleudert wurde. „Zielwechsel nach rechts! Kampfpanzer 3 Uhr … Scheiße! Kraftfahrer halt.“ Frustriert starrte von Beiwingen die Nachricht auf seinem Monitor an. „Rumpftreffer – Fz vernichtet“ leuchtete ihm in hochgotisch entgegen. In einem Anflug von Jähzorn schlug gegen die blinkende Konsole und löste damit die Außendarstellung ihre Panzers aus. Rauch drang in dicken Schwaden aus dem Rumpf des Panzers und zeigte ihrem Gegner, dass dieses Fahrzeug vernichtet war. Dann sah er zu seiner Nemesis zurück: Ein Leman Russ MBT war nur knapp 60 m neben ihnen aus einem Dünental aufgetaucht und hatte nur Sekunden gebraucht, um die Lage zu erfassen – und den Dominator, der wie auf dem Präsentierteller vor ihm war. Der Rest war Formsache gewesen…
Sie hatten sie in eine Falle gelockt. Missmutig kam Leto von Beiwingen von der Übungsbesprechung wieder. Er hätte es sehen müssen. Wissen müssen. Die Spuren waren so plump offensichtlich gewesen. Sie hatten es ihnen viel zu leicht gemacht, und trotzdem war niemand auf die Idee gekommen, dass es eine Falle war. Eine komplette Kompanie des Bataillons hatte sich hervorragend getarnt in den Dünentälern versteckt und sich überrollen lassen, um dann im Rücken der Angreifer wieder aufzutauchen. Auf kurze Entfernung hatten die leichteren Typ Dominator MBTs keine Chance gehabt und waren binnen Sekunden aufgeraucht worden. Von Beiwingen war einer der ersten gewesen. Der einzige Lichtblick war seine Besatzung gewesen, die sich achtbar geschlagen hatte. Ein vernichteter Leman Russ MBT und ein Turmtreffer an einem Chimäre TPz waren kein schlechtes Ergebnis. Wenigstens hatte er die Genehmigung bekommen, eine Unterrichtssitzung einzuschieben. Die Genauigkeit beim Zielen konnte definitiv noch verbessert werden. Und Anruek war ein wenig langsam beim ersten Ladevorgang. Der Fahrer hatte zwei Mal größere Steine übersehen…genug Stoff, um eine Stunde Grundlagenwiederholung zu rechtfertigen, bevor es an den technischen Dienst gehen würde. Ach ja – da fiel ihm ein, dass er Altmark noch auf die Achse aufmerksam machen wollte…