12-09-2020, 09:41 PM
Bedrohung und Lebensgefahr war Beldon gewohnt und so wirkte er zwar verängstigt, durch Naradas, mehr jedoch noch verdattert, woher ser sein Wissen bezog. Er sammelte sich und besorgte die verlangten Daten in Rekordzeit.
Der Jäger hatte mit leckender Kühlung zutun. Die versiegelten Becken, in denen die essentiellen Teile der Laserkanonen ruhten, waren undicht. Bis dieser Fehler behoben war, war der Stichling, ob es sich dabei um einen Spitznamen oder eine Typenbezeichnung handelte blieb unausgesprochen, nicht einsatzbereit.
Der, um einige Zähne ärmeren und eine Lektion in Hierarchie reichere Rasankuri, namens Draugge, war ein Kerl, aufmüpfig der Aufmüpfigkeit wegen. Dabei strebte er keine höheren Posten in den Rängen der Krieger an, sondern er testete schlicht gerne seine Grenzen, wie auch die des Gegenübers aus. In einem Heer aus Mutanten, Wahnsinnigen und leidenschaftlichen Mördern ein beachtlich gefährliches Hobby. Von dieser Marotte abgesehen, war Draugge ein fähiger Mann, mit schneller Auffassungsgabe und beweglichem Verstand. Letzterer vielleicht so beweglich, dass er sich lockerte und zunehmend in Gefilde abdriftete, die seiner selbstzerstörerischen Neigung und seinem verdrehten Humor nicht zum Besten gereichen würden.
Wenn er ob der gewalttätigen Zurechtweisung durch Naradas einen Groll gegen diesen hegte, so ließ er ihn nicht durchscheinen. Er saß grinsend auf seinem Sitz und fädelte die eigenen Zähne auf eine Schnur. Blut lief dabei aus seinem Mund und trocknete auf seinem Weg das Kinn hinunter. Des Weiteren foltge Susan ihrem Deimos auf diese gefährliche Mission. In ihr waren die Neugier und die Grausamkeit eines Kindes zu gleichgroßen Teilen ausgeprägt. Sie war ebenso versessen darauf Neues zu sehen, wie sie bereit war es, auf einen Wink ihres Herren hin, zu zerstören. Ihr geliebtes Scharfschützengewehr hatte sie schweren Herzens Rondo übergeben und die Präzisionswaffe gegen einen kruden Schießprügel, Marke Eigenbau eingetauscht. In ihrem Rucksack lagerten jedoch noch zwei Maschinenpistolen, die im Fall der Fälle mehr Funktionalität versprachen.
Dritter im Bunde der kämpfenden Gefolgschaft war ein kompaktes Kraftpaket namens Bleicher. Ein Mutant mit verformten Gesicht, dass aussah als hätte ein wenig talentierter Künstler versucht die Züge eines Menschen in Lehm zu bannen und es dann frustriert aufgegeben. Der Mund war schief, die Nase kaum vorhanden und die Augen nicht auf symmetrischer Höher. Er ging vorn übergebeugt, aufgrund seines gewaltigen Buckels, durch den sich ein Knochenkamm abzeichnete, der seinen Ursprung kaum in menschlicher Physiognomie zu haben schien. Der linke Arm war verkümmert, der rechte dafür überproportional und muskulös, als sei er mit Stahlseilen bespannt. Schusswaffen nutzte Bleicher, der seinen Namen aufgrund einer fleckig, grauen Pigmentstörung hatte, so gut wie nie. Sein kümmerlicher linker Arm hatte nicht die Kraft dazu, der Rechte nicht die Feinmotorik. Der Mutant verließ sich auf ein Stück Rohr von geeigneter Länge, mit dem er die Stärke des Armes in tödlichste, stumpfe Gewalt umformen konnte.
Wer hinter dem gemangelten Aussehen jedoch einen Narren vermutete, der irrte. Bleicher sprach nicht viel, da sein schiefer Mund, Worte in gebrabbelten Brei verwandelte. Doch wenn er es tat und man sich die Mühe machte das Gesagte verstehen zu wollen, erkannte man einen hellen Kopf mit einem durchaus feinen Sinn für Humor. Nach dem Tod von Sefla, in der Schlacht um den Funkraum, hatte Bleicher sich darum bemüht bei Naradas Kriegern Anschluss zu finden und die Stelle der Nurgeldienerin einzunehmen. Diese Mission versuchte er als eine Art Initiation zu nutzen.
Die drei Palta waren Techniker.
Zwei Zwillingsschwestern, die sich alles, selbst ihren Namen zu teilen schienen, denn sie hießen Unna und Unna. Sprach man sie auf diesen Umstand an und auf die Gefahr der Verwechslung, die damit einherging, so lachten sie nur im Gleichklang. Denn was die eine wusste, dass wusste auch die andere. Sie stammten von Koron, wo sie in einer wilden Siedlung am Rande der Wüste aufgewachsen waren. Obwohl sie Technik eigentlich nur in Form von Schrott kannten, hatten sie ein übersinnliches Gespür für Maschinen, die sie wie lebende Dinge zu behandeln pflegten und deren Funktionsweisen sie eher spürten, als wirklich begriffen.
Letztlich war da noch NaAnakai Abdul al Rasim, den alle aber Rasim oder den Alten nannten. Er war ein Beduine aus den Giftwüsten um Rasankur und hätte sich gewiss nicht träumen lassen, dass es ihn einmal auf ein Sternenschiff verschlägt. Der Alte war blind, bewegte sich aber doch mit einer traumwandlerischen Sicherheit. Ihn leiteten die Götter, pflegte er zu sagen und dann mit den wenigen Zähnen zu grinsen, die ihm noch verblieben waren.
Tatsächlich sahen ihn viele als einen heiligen Mann an, der es verstand mit Geistern und Dämonen der Wüste zu reden. Darüber hinaus war er ein fähiger Heiler und trotz seines hohen Alters bewegte er sich agil und voller Kraft.
Mit dieser Streitmacht im Miniaturformat bemannte Naradas den Mannschaftstransportraumer und leitete den Startvorgang ein.
In jedem anderen System und selbst wenn es der unorganisierteste Piratenstützpunkt gewesen wäre, hätte es gewisse Regulierungen gegeben. Eine Leitstelle, Rücksprachen mit dem eigenen Schiff und Annäherungsanfragen an das Ziel.
Nicht so hier.
In den Funkkanälen herrschte entweder rauschende Stille oder Unterhaltungen, ohne Zusammenhang zu einem Anflugsprozedere. Auf einer Frequenz erklangen Schreie, auf einer anderen stammelte eine heisere Stimme Gebete an namenlose Schrecken.
Das Chaos machte seiner zweiten Wortbedeutung im Sinne von Durcheinander, alle nur erdenkliche Ehre.
Nicht viel anders war es, nachdem sie erst einmal den schützenden Schoss des Transporters verlassen hatten. Es gab einige automatisierte Funkfeuer, die Unbedarfte vor einer Annäherung an gewisse Kriegsschiffe warnten und mit sofortigem Abschuss drohten.
Sie passierten einen Frachter, der tot im All lag, treibende Trümmer um ausgefranzte Risse und Löcher in der Hülle, keine messbare Energieanzeige.
In einiger Entfernung lieferten sich zwei Jäger ein tödliches Katz- und Mausspiel und beharkten sich mit Leuchtspurgeschossen. Zwei größere Schiffe führten träge Manöver durch, deren Sinn sich einem Beobachter nicht erschloss. Leichen, Müll und Trümmer trieben ebenso im Nichts, wie Blasen aus Treibstoff.
Es gab Flugverkehr zwischen den Schlachtschiffen und der Station, aber jeder schien sein eigenes Ding zu machen. Eine leitende Hand ließ sich nicht im Ansatz erkennen.
Ein Zerstörer der Zorn-Klasse hatte tatsächlich an der Station festgemacht und wurde offenbar repariert.
Es gab drei solcher „Trockendocks“ und mehrere kleinere Anlegegestänge, die ein Betreten der Station ermöglichten.
Man konnte nicht direkt in die Station hineinfliegen, was einem Invasor die Landung erschweren mochte. Das Anlegegestänge konnte im Notfall abgesprengt oder von der Station aus beschossen werden.
Versuche einen Funkkontakt herzustellen blieben weiter fruchtlos. Naradas steuerte den Lander auf eine freie Dockklammer und verband den Universalring.
Zögerlich wurden der Druckausgleich und die Sauerstoffversorgung von der Automatik hergestellt und eine altersschwache Birne flackerte ein erbärmliches Grün. Die Schleuse öffnete sich zischend und statischer Dampf nahm für lange Sekunden die Sicht.
Den Rasankuri, schäbige Verkleidung hin oder her, sah man ihre Profession an. Sie betraten nicht blauäugig ein unbekanntes Gebiet, sie sicherten es. Die Waffen mochten sie zum Schein locker in der Hand halten, aber sie bewegten sich so, dass sie sich wie natürlich gegenseitig deckten, die Schussfelder überlappen ließen.
Vor ihnen lag eine finstere Röhre. Unter Dreck und den Rückständen ungezählter Jahre ließen sich Fliesen erahnen. Die funktionierenden Leuchtelemente in Decke und Bodenhöhe stellten die Ausnahme von der Regel dar. Andere Schleusenzugänge unterbrachen die Wände in regelmäßigen Abständen.
Eine Bewegung ließ Waffenläufe emporzucken. Weiter hinten im Gang verschwand etwas, dass für den Herzschlag seiner Sichtbarkeit verteufelt wie ein viel zu großer Tausendfüßler aussah, in einem Stapel aus verrottenden Kisten.
Ob die hier Ferienwohnungen vermieten? gluckerte Bleicher und ging voran.
Er war ein Nahkämpfer und in solchen Situationen oblag es seinesgleichen die Spitze zu übernehmen. Erster am Feind oder den Kameraden anzeigen von wo das Feuer kam.
Die erste Seele die sie trafen, sah man einmal von dem Ungeziefer ab, war ein schwachsinnig grinsender Gimpel, der die Schleuse zum Hauptbereich bemannte. Er hatte ein besonderes Auge auf Susan und die Zwillinge geworfen, beschränkte sich aber auf schelle Blicke und dümmliches Glucksen.
Als Draugge in munter ansprach und scherzhaft fragte, ob er wohl der Stationsvorsteher sei und was er ihnen über diese traute Einrichtung berichten könne, begann er wie ein Affe zu lautieren. Ganz offenkundig war mit diesem Burschen nicht viel los und man ließ ihn in Ruhe seine Arbeit an der Schleuse verrichten. Hinter dieser befand sich ein verwaister Empfangsbereich, der einst der Abfertigung von Ankommenden gedient haben musste, jetzt aber leer und aufgegeben war. Dahinter folgte eine ebenfalls verlassene Wartehalle mit dem, was dereinst als Kantine gedient haben dürfte. Vielleicht jener Teil, in dem sich die verköstigt hatten, die die eigentliche Station nicht zu betreten gedachten. Eine Wand der großen Wartehalle war sonderbar verdreht und verformt und erinnerte an eine Mischung aus geschmolzenem Plastik und Wurzelwerk. Im Zentrum dieses Phänomens war ein Man mit der Wand verwachsen und zum großen Teil in ihr versunken. Entweder war hier das Opfer einer diabolischen Waffe zu sehen oder aber das Chaos hatte seine Klauen schon tief in diese Seite des Realraumes geschlagen. Viel sonderbarer war jedoch der Umstand, dass auf einer Station, wo für gewöhnlich jeder Zentimeter Lebens- und Arbeitsraum in Gold gemessen wurde, ein so großer Teil ungenutzt brach lag.
So sie weitergingen kamen ihnen zwei zerlumpte und abgemergelte Gesellen entgegen, die eine Kiste trugen. Als man die Gruppe um Naradas bemerkte, keifte einer von beiden los. Wir sind Eigentum von Kapitänin hier machte er ein sonderbar gluckerndes Geräusch, der Erlauchten und dreimal bespuckten. Wer uns anrührt und ihre Waren plündert den drückt sie an sich.
Außerdem sind wir krank!warf der andere ein und schlug sich mit der freien Hand gegen den wundschorfigen Kopf.
Ja krank! schrie der Erste
Krank! Krank! Krank! intonierten sie beide, während sie ihre Kiste zu den Andockschleusen schleppten, wo ihnen das geistlose Geplärre des Schleusenwartes als Antwort entgegenschallte.
Palta und Rasankuri sahen sich an, verkniffen sich jedoch jedweden Kommentar. Bis auf Draugge jedenfalls, der lächelnd bemerkte: Ich vermisse meinen Un-Anbara , dann könnte ich zu all dem durchgehend grinsen, ohne die Mundwinkel allzu sehr zu belasten. Er klapperte mit der Kette aus seinen eigenen Zähnen, als sei dies irgendwie ein Ersatz für schallendes Gelächter.
Endlich gelangten sie in den belebten Bereich. Der Korridor aus dem sie traten, lag nicht ebenerdig zu der großen Halle, die sich vor ihnen auftat. Viel mehr schritten sie auf eine Balustrade, von der weitere Gänge abgingen.
Unter ihnen breitete sich derweil ein Bild von ausgesuchter Groteske aus. Das Erste, von dem das Auge dem Hirn weiszumachen versuchte, dass es tatsächlich da war, war ein gewaltiges, trichterförmiges Loch, mitten in der Halle. Groß genug, dass ihr Transportschiff der Länge nach hineingepasst hätte. Es zog sich nach unten verdreht in schwarze Abgründe und spottete dabei jeder Konstruktionsweise der Station. Es schnitt nicht etwa durch Decks und Ebenen, sondern schien aus solider, in sich verdrehter Struktur zu bestehen, die unsäglich andersweltlich und organisch anmutete.
Aus diesem Trichter ragte ein langer Stab heraus, der so dünn und fein aussah, dass man, wenn man einen Schritt nach links oder rechts machte, ihn aus den Augen verlieren konnte. Fast so, als besäße dieses seltsame Ding keine Tiefe. War dies schon absonderlich, so war es doch nichts gegen das Wesen, das auf der Spitze jenes dünnen Stifts saß.
Fett, krötenaritg, insektenhaft.
All das waren Begriffe die man heranziehen mochte, die aber nicht im Mindesten beschrieben, was dort thronte. Allein, dass es auf der Spitze dieser sonderbaren Nadel sitzen konnte, spottete allem, was der Mensch als logisch und Machbar erachtete. Das Geschöpf hätte von der eigenen Leibesfülle aufgespießt werden müssten, die Nadel hätte brechen müssten, die unsägliche Kreatur hätte mindesten keinen Halt auf all dem finden dürfen.
Doch alles Hätte und Müsste war hier müssig, denn es war wie es war. Es hockte wo es hockte und schien dies auch überaus bequem zu finden. Die fleischigen Hände über dem Bauch verschränkt, die hervorquellenden Augen halb geschlossen.
Um den Abgrund, dessen unbestreitbares Zentrum es war, drehte sich ein sonderbarer Reigen aus Mensch, Mutant und allem anderen. Hunderte mussten es sein, die sich in einer langsamen Spiralbewegung um den Abgrund herum bewegten. Sie taten dies in einem langsamen, monotonem Gang. Einige verließen das Schauspiel, andere schlossen sich an.
Gefährlich wurde es am Rand des Trichters, wo der Druck und die Bewegung dazu führen konnten das… da geschah es auch schon!
Ein Unglücklicher wurde zu weit in die Mitte gedrückt und stürzte lautlos in die Tiefe. Die Kreatur öffnete die Augen einen Spalt weit und legte sich die wulstigen Lippen. Alldieweil war dieses Ableben durch Fallen in unaussprechliche Sphären scheinbar nicht das Ziel des Reigens. Denn wenn auch der eine oder andere stürzte, verließen doch weit mehr das Kreisen wieder, auch wenn sie nah am Abgrund entlang gewandert waren. Dieses Abstruse Bild wurde von den tragenden Klängen einiger Carnyx begleitet, wobei nicht ganz klar war, ob sie zu diesem Schauspiel gehörten oder zu dem ganzen Irrsinnsgemälde.
Denn obschon das Ungeheuer und der Abgrund den unbestreitbaren Blickfang ausmachten, entspann sich ringsherum ein Wirrwarr unterschiedlichster Aktivitäten.
Einige durchaus in einen Hangar oder die Promenade einer Raumstation gehörig, andere vollkommen abstrus. So gab es Arbeiter, die Mannsdicke Stahlplatten auf manuellen Wagen schoben und sich mit nacktem Oberkörper abmühten, von den Peitschen ihrer Antreiber motiviert. Gruppen von Bewaffneten standen herum und beäugten andere Krieger, als warteten sie darauf, wer den ersten Schritt täte.
Elende lagerten an den Wänden, halb ruhend, halb siechend.
Handel und Tausch wurde ebenso betrieben, wie Raub, Betrug, Zeter und Mordio.
Auf allen Vieren, bei denen es sich um Stelzen handelte, schritt eine dürre Gestalt durch die Massen und besprühte sie mit einem rosa Nebel,
Eine Xenokreatur, haarig und ohne erkennbaren Kopf griff einen unbedarften Mann und riss ihn in Stücke, wodurch sich kurzzeitig ein entsetzter Kreis bildete, bevor sie die Bestie durch das Kauen auf seiner Beute beruhigte und der Kreis sich wieder schloss.
Aus der Masse der Hier versammelten ragten hier und da Gerüstete auf, bei denen es sich um Space Marines handeln musste. Fünf ließen sich von hier oben zählen, wobei einer dicker gepanzert und schwerer Bewaffnet als die anderen aussah. Sein, zwischen den aufragenden Schultern sitzendes, Haupt war mit Stoßzähnen verziert, Stacheln auf seinem Rücken hielten aufgespießte Totenschädel verschiedenster Art. Das was man gemein hin einen Terminator nannte.
Unter dem Gewölbe der Decke, die sich über all diesen Irrsinn spannte, klebte eine Dunkelheit, als wäre dort Nacht gefangen wurden. In diesem tintigen Schwarz bewegte sich dann und wann etwas, stach eine Gliedmaße ins Licht hinaus, nur um sich erschrocken zuckend zurückzuziehen.
Es war der passende Himmel für diese Welt.
Der Jäger hatte mit leckender Kühlung zutun. Die versiegelten Becken, in denen die essentiellen Teile der Laserkanonen ruhten, waren undicht. Bis dieser Fehler behoben war, war der Stichling, ob es sich dabei um einen Spitznamen oder eine Typenbezeichnung handelte blieb unausgesprochen, nicht einsatzbereit.
Der, um einige Zähne ärmeren und eine Lektion in Hierarchie reichere Rasankuri, namens Draugge, war ein Kerl, aufmüpfig der Aufmüpfigkeit wegen. Dabei strebte er keine höheren Posten in den Rängen der Krieger an, sondern er testete schlicht gerne seine Grenzen, wie auch die des Gegenübers aus. In einem Heer aus Mutanten, Wahnsinnigen und leidenschaftlichen Mördern ein beachtlich gefährliches Hobby. Von dieser Marotte abgesehen, war Draugge ein fähiger Mann, mit schneller Auffassungsgabe und beweglichem Verstand. Letzterer vielleicht so beweglich, dass er sich lockerte und zunehmend in Gefilde abdriftete, die seiner selbstzerstörerischen Neigung und seinem verdrehten Humor nicht zum Besten gereichen würden.
Wenn er ob der gewalttätigen Zurechtweisung durch Naradas einen Groll gegen diesen hegte, so ließ er ihn nicht durchscheinen. Er saß grinsend auf seinem Sitz und fädelte die eigenen Zähne auf eine Schnur. Blut lief dabei aus seinem Mund und trocknete auf seinem Weg das Kinn hinunter. Des Weiteren foltge Susan ihrem Deimos auf diese gefährliche Mission. In ihr waren die Neugier und die Grausamkeit eines Kindes zu gleichgroßen Teilen ausgeprägt. Sie war ebenso versessen darauf Neues zu sehen, wie sie bereit war es, auf einen Wink ihres Herren hin, zu zerstören. Ihr geliebtes Scharfschützengewehr hatte sie schweren Herzens Rondo übergeben und die Präzisionswaffe gegen einen kruden Schießprügel, Marke Eigenbau eingetauscht. In ihrem Rucksack lagerten jedoch noch zwei Maschinenpistolen, die im Fall der Fälle mehr Funktionalität versprachen.
Dritter im Bunde der kämpfenden Gefolgschaft war ein kompaktes Kraftpaket namens Bleicher. Ein Mutant mit verformten Gesicht, dass aussah als hätte ein wenig talentierter Künstler versucht die Züge eines Menschen in Lehm zu bannen und es dann frustriert aufgegeben. Der Mund war schief, die Nase kaum vorhanden und die Augen nicht auf symmetrischer Höher. Er ging vorn übergebeugt, aufgrund seines gewaltigen Buckels, durch den sich ein Knochenkamm abzeichnete, der seinen Ursprung kaum in menschlicher Physiognomie zu haben schien. Der linke Arm war verkümmert, der rechte dafür überproportional und muskulös, als sei er mit Stahlseilen bespannt. Schusswaffen nutzte Bleicher, der seinen Namen aufgrund einer fleckig, grauen Pigmentstörung hatte, so gut wie nie. Sein kümmerlicher linker Arm hatte nicht die Kraft dazu, der Rechte nicht die Feinmotorik. Der Mutant verließ sich auf ein Stück Rohr von geeigneter Länge, mit dem er die Stärke des Armes in tödlichste, stumpfe Gewalt umformen konnte.
Wer hinter dem gemangelten Aussehen jedoch einen Narren vermutete, der irrte. Bleicher sprach nicht viel, da sein schiefer Mund, Worte in gebrabbelten Brei verwandelte. Doch wenn er es tat und man sich die Mühe machte das Gesagte verstehen zu wollen, erkannte man einen hellen Kopf mit einem durchaus feinen Sinn für Humor. Nach dem Tod von Sefla, in der Schlacht um den Funkraum, hatte Bleicher sich darum bemüht bei Naradas Kriegern Anschluss zu finden und die Stelle der Nurgeldienerin einzunehmen. Diese Mission versuchte er als eine Art Initiation zu nutzen.
Die drei Palta waren Techniker.
Zwei Zwillingsschwestern, die sich alles, selbst ihren Namen zu teilen schienen, denn sie hießen Unna und Unna. Sprach man sie auf diesen Umstand an und auf die Gefahr der Verwechslung, die damit einherging, so lachten sie nur im Gleichklang. Denn was die eine wusste, dass wusste auch die andere. Sie stammten von Koron, wo sie in einer wilden Siedlung am Rande der Wüste aufgewachsen waren. Obwohl sie Technik eigentlich nur in Form von Schrott kannten, hatten sie ein übersinnliches Gespür für Maschinen, die sie wie lebende Dinge zu behandeln pflegten und deren Funktionsweisen sie eher spürten, als wirklich begriffen.
Letztlich war da noch NaAnakai Abdul al Rasim, den alle aber Rasim oder den Alten nannten. Er war ein Beduine aus den Giftwüsten um Rasankur und hätte sich gewiss nicht träumen lassen, dass es ihn einmal auf ein Sternenschiff verschlägt. Der Alte war blind, bewegte sich aber doch mit einer traumwandlerischen Sicherheit. Ihn leiteten die Götter, pflegte er zu sagen und dann mit den wenigen Zähnen zu grinsen, die ihm noch verblieben waren.
Tatsächlich sahen ihn viele als einen heiligen Mann an, der es verstand mit Geistern und Dämonen der Wüste zu reden. Darüber hinaus war er ein fähiger Heiler und trotz seines hohen Alters bewegte er sich agil und voller Kraft.
Mit dieser Streitmacht im Miniaturformat bemannte Naradas den Mannschaftstransportraumer und leitete den Startvorgang ein.
In jedem anderen System und selbst wenn es der unorganisierteste Piratenstützpunkt gewesen wäre, hätte es gewisse Regulierungen gegeben. Eine Leitstelle, Rücksprachen mit dem eigenen Schiff und Annäherungsanfragen an das Ziel.
Nicht so hier.
In den Funkkanälen herrschte entweder rauschende Stille oder Unterhaltungen, ohne Zusammenhang zu einem Anflugsprozedere. Auf einer Frequenz erklangen Schreie, auf einer anderen stammelte eine heisere Stimme Gebete an namenlose Schrecken.
Das Chaos machte seiner zweiten Wortbedeutung im Sinne von Durcheinander, alle nur erdenkliche Ehre.
Nicht viel anders war es, nachdem sie erst einmal den schützenden Schoss des Transporters verlassen hatten. Es gab einige automatisierte Funkfeuer, die Unbedarfte vor einer Annäherung an gewisse Kriegsschiffe warnten und mit sofortigem Abschuss drohten.
Sie passierten einen Frachter, der tot im All lag, treibende Trümmer um ausgefranzte Risse und Löcher in der Hülle, keine messbare Energieanzeige.
In einiger Entfernung lieferten sich zwei Jäger ein tödliches Katz- und Mausspiel und beharkten sich mit Leuchtspurgeschossen. Zwei größere Schiffe führten träge Manöver durch, deren Sinn sich einem Beobachter nicht erschloss. Leichen, Müll und Trümmer trieben ebenso im Nichts, wie Blasen aus Treibstoff.
Es gab Flugverkehr zwischen den Schlachtschiffen und der Station, aber jeder schien sein eigenes Ding zu machen. Eine leitende Hand ließ sich nicht im Ansatz erkennen.
Ein Zerstörer der Zorn-Klasse hatte tatsächlich an der Station festgemacht und wurde offenbar repariert.
Es gab drei solcher „Trockendocks“ und mehrere kleinere Anlegegestänge, die ein Betreten der Station ermöglichten.
Man konnte nicht direkt in die Station hineinfliegen, was einem Invasor die Landung erschweren mochte. Das Anlegegestänge konnte im Notfall abgesprengt oder von der Station aus beschossen werden.
Versuche einen Funkkontakt herzustellen blieben weiter fruchtlos. Naradas steuerte den Lander auf eine freie Dockklammer und verband den Universalring.
Zögerlich wurden der Druckausgleich und die Sauerstoffversorgung von der Automatik hergestellt und eine altersschwache Birne flackerte ein erbärmliches Grün. Die Schleuse öffnete sich zischend und statischer Dampf nahm für lange Sekunden die Sicht.
Den Rasankuri, schäbige Verkleidung hin oder her, sah man ihre Profession an. Sie betraten nicht blauäugig ein unbekanntes Gebiet, sie sicherten es. Die Waffen mochten sie zum Schein locker in der Hand halten, aber sie bewegten sich so, dass sie sich wie natürlich gegenseitig deckten, die Schussfelder überlappen ließen.
Vor ihnen lag eine finstere Röhre. Unter Dreck und den Rückständen ungezählter Jahre ließen sich Fliesen erahnen. Die funktionierenden Leuchtelemente in Decke und Bodenhöhe stellten die Ausnahme von der Regel dar. Andere Schleusenzugänge unterbrachen die Wände in regelmäßigen Abständen.
Eine Bewegung ließ Waffenläufe emporzucken. Weiter hinten im Gang verschwand etwas, dass für den Herzschlag seiner Sichtbarkeit verteufelt wie ein viel zu großer Tausendfüßler aussah, in einem Stapel aus verrottenden Kisten.
Ob die hier Ferienwohnungen vermieten? gluckerte Bleicher und ging voran.
Er war ein Nahkämpfer und in solchen Situationen oblag es seinesgleichen die Spitze zu übernehmen. Erster am Feind oder den Kameraden anzeigen von wo das Feuer kam.
Die erste Seele die sie trafen, sah man einmal von dem Ungeziefer ab, war ein schwachsinnig grinsender Gimpel, der die Schleuse zum Hauptbereich bemannte. Er hatte ein besonderes Auge auf Susan und die Zwillinge geworfen, beschränkte sich aber auf schelle Blicke und dümmliches Glucksen.
Als Draugge in munter ansprach und scherzhaft fragte, ob er wohl der Stationsvorsteher sei und was er ihnen über diese traute Einrichtung berichten könne, begann er wie ein Affe zu lautieren. Ganz offenkundig war mit diesem Burschen nicht viel los und man ließ ihn in Ruhe seine Arbeit an der Schleuse verrichten. Hinter dieser befand sich ein verwaister Empfangsbereich, der einst der Abfertigung von Ankommenden gedient haben musste, jetzt aber leer und aufgegeben war. Dahinter folgte eine ebenfalls verlassene Wartehalle mit dem, was dereinst als Kantine gedient haben dürfte. Vielleicht jener Teil, in dem sich die verköstigt hatten, die die eigentliche Station nicht zu betreten gedachten. Eine Wand der großen Wartehalle war sonderbar verdreht und verformt und erinnerte an eine Mischung aus geschmolzenem Plastik und Wurzelwerk. Im Zentrum dieses Phänomens war ein Man mit der Wand verwachsen und zum großen Teil in ihr versunken. Entweder war hier das Opfer einer diabolischen Waffe zu sehen oder aber das Chaos hatte seine Klauen schon tief in diese Seite des Realraumes geschlagen. Viel sonderbarer war jedoch der Umstand, dass auf einer Station, wo für gewöhnlich jeder Zentimeter Lebens- und Arbeitsraum in Gold gemessen wurde, ein so großer Teil ungenutzt brach lag.
So sie weitergingen kamen ihnen zwei zerlumpte und abgemergelte Gesellen entgegen, die eine Kiste trugen. Als man die Gruppe um Naradas bemerkte, keifte einer von beiden los. Wir sind Eigentum von Kapitänin hier machte er ein sonderbar gluckerndes Geräusch, der Erlauchten und dreimal bespuckten. Wer uns anrührt und ihre Waren plündert den drückt sie an sich.
Außerdem sind wir krank!warf der andere ein und schlug sich mit der freien Hand gegen den wundschorfigen Kopf.
Ja krank! schrie der Erste
Krank! Krank! Krank! intonierten sie beide, während sie ihre Kiste zu den Andockschleusen schleppten, wo ihnen das geistlose Geplärre des Schleusenwartes als Antwort entgegenschallte.
Palta und Rasankuri sahen sich an, verkniffen sich jedoch jedweden Kommentar. Bis auf Draugge jedenfalls, der lächelnd bemerkte: Ich vermisse meinen Un-Anbara , dann könnte ich zu all dem durchgehend grinsen, ohne die Mundwinkel allzu sehr zu belasten. Er klapperte mit der Kette aus seinen eigenen Zähnen, als sei dies irgendwie ein Ersatz für schallendes Gelächter.
Endlich gelangten sie in den belebten Bereich. Der Korridor aus dem sie traten, lag nicht ebenerdig zu der großen Halle, die sich vor ihnen auftat. Viel mehr schritten sie auf eine Balustrade, von der weitere Gänge abgingen.
Unter ihnen breitete sich derweil ein Bild von ausgesuchter Groteske aus. Das Erste, von dem das Auge dem Hirn weiszumachen versuchte, dass es tatsächlich da war, war ein gewaltiges, trichterförmiges Loch, mitten in der Halle. Groß genug, dass ihr Transportschiff der Länge nach hineingepasst hätte. Es zog sich nach unten verdreht in schwarze Abgründe und spottete dabei jeder Konstruktionsweise der Station. Es schnitt nicht etwa durch Decks und Ebenen, sondern schien aus solider, in sich verdrehter Struktur zu bestehen, die unsäglich andersweltlich und organisch anmutete.
Aus diesem Trichter ragte ein langer Stab heraus, der so dünn und fein aussah, dass man, wenn man einen Schritt nach links oder rechts machte, ihn aus den Augen verlieren konnte. Fast so, als besäße dieses seltsame Ding keine Tiefe. War dies schon absonderlich, so war es doch nichts gegen das Wesen, das auf der Spitze jenes dünnen Stifts saß.
Fett, krötenaritg, insektenhaft.
All das waren Begriffe die man heranziehen mochte, die aber nicht im Mindesten beschrieben, was dort thronte. Allein, dass es auf der Spitze dieser sonderbaren Nadel sitzen konnte, spottete allem, was der Mensch als logisch und Machbar erachtete. Das Geschöpf hätte von der eigenen Leibesfülle aufgespießt werden müssten, die Nadel hätte brechen müssten, die unsägliche Kreatur hätte mindesten keinen Halt auf all dem finden dürfen.
Doch alles Hätte und Müsste war hier müssig, denn es war wie es war. Es hockte wo es hockte und schien dies auch überaus bequem zu finden. Die fleischigen Hände über dem Bauch verschränkt, die hervorquellenden Augen halb geschlossen.
Um den Abgrund, dessen unbestreitbares Zentrum es war, drehte sich ein sonderbarer Reigen aus Mensch, Mutant und allem anderen. Hunderte mussten es sein, die sich in einer langsamen Spiralbewegung um den Abgrund herum bewegten. Sie taten dies in einem langsamen, monotonem Gang. Einige verließen das Schauspiel, andere schlossen sich an.
Gefährlich wurde es am Rand des Trichters, wo der Druck und die Bewegung dazu führen konnten das… da geschah es auch schon!
Ein Unglücklicher wurde zu weit in die Mitte gedrückt und stürzte lautlos in die Tiefe. Die Kreatur öffnete die Augen einen Spalt weit und legte sich die wulstigen Lippen. Alldieweil war dieses Ableben durch Fallen in unaussprechliche Sphären scheinbar nicht das Ziel des Reigens. Denn wenn auch der eine oder andere stürzte, verließen doch weit mehr das Kreisen wieder, auch wenn sie nah am Abgrund entlang gewandert waren. Dieses Abstruse Bild wurde von den tragenden Klängen einiger Carnyx begleitet, wobei nicht ganz klar war, ob sie zu diesem Schauspiel gehörten oder zu dem ganzen Irrsinnsgemälde.
Denn obschon das Ungeheuer und der Abgrund den unbestreitbaren Blickfang ausmachten, entspann sich ringsherum ein Wirrwarr unterschiedlichster Aktivitäten.
Einige durchaus in einen Hangar oder die Promenade einer Raumstation gehörig, andere vollkommen abstrus. So gab es Arbeiter, die Mannsdicke Stahlplatten auf manuellen Wagen schoben und sich mit nacktem Oberkörper abmühten, von den Peitschen ihrer Antreiber motiviert. Gruppen von Bewaffneten standen herum und beäugten andere Krieger, als warteten sie darauf, wer den ersten Schritt täte.
Elende lagerten an den Wänden, halb ruhend, halb siechend.
Handel und Tausch wurde ebenso betrieben, wie Raub, Betrug, Zeter und Mordio.
Auf allen Vieren, bei denen es sich um Stelzen handelte, schritt eine dürre Gestalt durch die Massen und besprühte sie mit einem rosa Nebel,
Eine Xenokreatur, haarig und ohne erkennbaren Kopf griff einen unbedarften Mann und riss ihn in Stücke, wodurch sich kurzzeitig ein entsetzter Kreis bildete, bevor sie die Bestie durch das Kauen auf seiner Beute beruhigte und der Kreis sich wieder schloss.
Aus der Masse der Hier versammelten ragten hier und da Gerüstete auf, bei denen es sich um Space Marines handeln musste. Fünf ließen sich von hier oben zählen, wobei einer dicker gepanzert und schwerer Bewaffnet als die anderen aussah. Sein, zwischen den aufragenden Schultern sitzendes, Haupt war mit Stoßzähnen verziert, Stacheln auf seinem Rücken hielten aufgespießte Totenschädel verschiedenster Art. Das was man gemein hin einen Terminator nannte.
Unter dem Gewölbe der Decke, die sich über all diesen Irrsinn spannte, klebte eine Dunkelheit, als wäre dort Nacht gefangen wurden. In diesem tintigen Schwarz bewegte sich dann und wann etwas, stach eine Gliedmaße ins Licht hinaus, nur um sich erschrocken zuckend zurückzuziehen.
Es war der passende Himmel für diese Welt.