11-10-2016, 12:40 AM
Yiarraith Fatas (nie fertig geworden)
Cherital stand auf der Brücke des Tsunami-Schlachtschiffes "Kian" und ließ seinen Tränen freien Lauf. Es ärgerte ihn nicht, dass die um ihn versammelten ranghohen Krieger sein offen zu Schau gestelltes Leid sehen konnten, spiegelten sich doch in ihren Gesichtern die gleichen Emotionen. Der Autarch des Weltenschiffs "Yiarraith Fatas" konnte es in diesem Augenblick keinem verübeln, hatten sie doch das wichtigste verloren, was den wenigen ihres Volkes noch geblieben war: Ihre Zuflucht. Die Zuflucht, die ihnen seit dem Fall der Eldar und der Geburt von Ihr, die dürstet, noch geblieben war. Stumm blickten die Krieger aus dem Sichtfenster der Brücke in die Dunkelheit, die nun vor ihnen lag. Keiner der stolzen Eldar war in der Lage zu sprechen. Keiner wollte.
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Wenige Stunden zuvor:
Explosionen erleuchteten den Kuppeldom im Herzen von Yiarraith Fatas. Umgestürzte Statuen großer Künstler und ausgebrannte Wracks von Kriegsfahrzeugen beider Seiten zeichneten ein deutliches Bild von dem, was sich seit zwei Tagen hier abgespielt hatte. Das einstmals idyllische Weltenschiff lag in Trümmern, die grazile Form an dutzenden Stellen von den barbarischen Angreifern brutal aufgebrochen, die Seen verpestet und die Einwohner abgeschlachtet. Zwei Tage hatten gereicht, um die Eldar von Yiarraith Fatas an den Rand zur Niederlage zu drängen. Cherital, Autarch des kleinen Weltenschiffs, schwang den Runenspeer "Garoth" in weitem Bogen und deutete seinen verbliebenen Kriegern an, eine weitere Wechselstellung zu beziehen. Sie durften nicht scheitern. Nicht jetzt, wo die Hilfe jeden Moment kommen musste. Bereits zu Beginn der Kämpfe waren Boten zu anderen Weltenschiffen entsandt worden, um Hilfe zu erbitten. Bisher hatte keines geantwortet, doch alle Verteidiger klammerten sich an die Hoffnung, dass ihre Brüder auf dem Weg waren. Wenig genug gab es noch, was verteidigt werden konnte: Nur noch die innersten Zirkel hielten dem Ansturm der Angreifer stand, die ein Meer aus Blut hinterließen, wo immer sie auf die Verteidiger trafen. Yiarraith Fatas würde nicht fallen - es war bereits gefallen. Cherital wusste es bereits. Alle wussten es, es wollte nu niemand wahr haben. Ein weiterer Stern am Himmel der Eldar würde verblassen, noch bevor der Tag um war. "Lasst alle, die keine Waffe mehr halten können auf die Schiffe bringen." Dieser knappe Befehl hatte ihn beinahe alles das an Kraft gekostet, was er noch in sich trug, barg er doch im Kern das Eingeständnis der Niederlage. Ein Exarch der Skorpionkrieger sah ihn durch den Helm an, wandte sich dann aber um und verschwand lautlos in den Schatten der Ruinen des Weltenschiffs, als eine Gestalt auf den Autarchen zuging. "Der Weg, den ihr nun nehmt, führt zum Untergang des Alten, birgt aber Leben im Neuen. Ich kann nicht sehen, wohin der Pfad führt, denn ihr müsst ihn ohne mich gehen. Mein Weg und der vieler meiner Brüder enden mit Yiarraith Fatas. Euer jedoch liegt im Schatten der Zukunft. " Runenprohet Ifiath senkte den Kopf und deutete ein Nicken an. Cherital wusste nicht, warum sie diesen Tag nicht hatten kommen sehen, doch er vertraute nach wie vor den Worten der Ältesten und Weisesten. "Meine Schuld ist die Anwesenheit der Feinde, und meine Sühne wird sein, das Überleben der Überlebenden zu bewahren." Gedankenverloren betrachtete er den Runenspeer in seiner Hand. Wie viele Jahre hatte er damit verbracht, das Artefakt zurückzugewinnen? Wie viel Blut war geflossen, bis er es hatte bergen können? Cheritals Moment des größten Triumphes stellte sich so als Anfang des Endes seines bisherigen Lebens heraus. "Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Die Abschiedsworte seiner Eltern klangen nun wie Hohn in seinen Ohren, wie ein böses Omen voller Spott. Ja, er hatte seine Queste beenden können. Eine Queste, die viele Generationen seiner Familie gebunden hatte. Er hatte Garoth dem Dämonenfürsten Lozian'Kael entreißen können, doch um welchen Preis? Er hatte geglaubt, dass Yiarraith Fatas klein und versteckt genug gelegen sei, um den Augen der im Warp lauernden Jäger zu entgehen. Er hatte falsch gelegen. Wenige Wochen war seine Rückkehr nun her, wenige Wochen, die gereicht hatten, um ihm zu zeigen, dass er versagt hatte. Der Rat der Seher des Weltenschiffs hatte erkannt, dass der Runenspeer Garoth war, ja. Aber Garoth war verdorben, wie mit einem Fluch belegt und zerrte jeden Tag an seiner Seele. Cherital hielt stand. Noch. Er war stark und stolz und seine Barrieren hielten. Er hatte vom Rat erbeten der Bewahrer des Runenspeers zu sein, um einen Weg zu finden, die Verderbnis zu besiegen, die in ihm wohnte. Soviel war er seinem Großvater schuldig, aus dessen toten Händen das Artefakt aus glücklicheren Zeiten gestohlen worden war. Seine Familie, sein Ruf, die Ehre. Was war es jetzt noch wert? "Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Die letzten Worte seine Eltern, bevor er ausgezogen war, um die Invasoren vom Weltenschiff zu vertreiben. Er hatte beide noch einmal in den Arm genommen und war gegangen, in dem Glauben, sie in wenigen Tagen wieder zu sehen. Seine Eltern, die ihm, ihrem einzigen Spross, den Namen Cherital gegeben hatten, waren jetzt tot. Die Außenbezirke waren überrannt worden, als klobige Menschen in altertümlichen Servorüstungen und Horden von Kultisten die äußeren Bollwerke erstürmt hatten. Die Verteidiger des Weltenschiffs hatten sich zurückziehen müssen, hatten die Schrei ihrer Brüder und Schwestern gehört, als die grausamen Anhänger der Mächte des Chaos jeden zu Ehren ihre dunklen Götzen opferten, der zurückgeblieben war. Die Leichen seiner Eltern waren unter ihnen. "Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Ein Wunsch, der nie in Erfüllung gehen würde. Mühsam riss Cherital seine Gedanken aus der Vergangenheit los, um sich wieder der Gegenwart zuzuwenden. Die Evakuierung aller, die noch verblieben waren. Der Runenprophet blickte ihn immer noch an, seine Züge unter dem Helm verborgen. "Der innere Zirkel von Yiarraith Fatas wir auf dem Schiff verbleiben, um eine Barriere zu errichten, die euren Rückzug decken wird. Ihr habt nicht viel Zeit Autarch. Sucht euer Schicksal und vergesst uns nicht. Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Da waren sie wieder. Worte, die für Cherital endgültigen Abschied bedeuteten. Er nickt nur stumm und wandte sich ab. Dann gab er seinen Kriegern den Befehl zum Rückzug zum Raumhafen des kleinen Weltenschiffs. "Unsere Zuflucht ist verloren. Ehrt die Toten durch euer Leben. Diese Schlacht ist nicht zu gewinnen." Mehr brachte er nicht heraus, bevor er mit der Nachhut im Schutze der Barriere das Weltenschiff verließ.
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Cherital stand noch auf der Brücke, als alle anderen hochrangigen Überlebenden bereits gegangen waren. Die Last, die er nun trug, wog schwer auf seinen Schultern. Nur wenige Runenleser hatten den Angriff der Horden des Chaos überlebt, alle Runenpropheten hatten sich geopfert um den letzten Verblieben den Rückzug zu ermöglichen. Er stand nahezu allein vor dem Abgrund der Ungewissheit, unfähig zu entscheiden, wie es weitergehen sollte. Garoth, der Runenspeer, der Begründer des Übels, lehnte neben ihm an der Brüstung der kleinen Empore, von der aus er die Brücke überwachen konnte. Sie waren nun im Netz der Tausend Tore, entkommen, um einer ungewissen Zukunft entgegen zu sehen. Nicht zum ersten Mal stellte sich Cherital insgeheim die Frage, ob ein Tod in Ehren der Schande, die er nun vor sich her trug, vorzuziehen gewesen wäre. Seine Eltern, seine Verwandten, seine Freunde... Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter und er zuckte zusammen. Kerunlann, Exarchin eins Banshee-Schreines stand hinter ihm. Sie hatte ihre Maske abgesetzt und sah ihn aus traurigen Augen an. "Der Krieger in mir weist mich an stark zu sein, doch der Eldar in mir hat eine zerrissene Seele. Um den Eldar zu schützen, muss der Krieger der stärkere sein." Cherital nickte, den Rat akzeptierend. Er musste stark sein, denn er musste sein Volk schützen. "Danke, Exarch. In zwei Zyklen möchte ich einen Rat der Exarchen einberufen. Sorgt bitte dafür, dass alle kommen. Ich denke, dass die Zeit zu trauern kommen wird. Die Zeit zu überleben scheint aber bereits begonnen zu haben." Mit einem angedeuteten Lächeln, das sowohl Respekt, als auch Verständnis ausdrücken konnte, verschwand die Exarchin so anmutig und leise, wie sie gekommen war. Cherital blieb noch mehrere Sekunden auf der Brücke. Sein Stolz hatte ihn zu einem mitleidsheischenden Schwächling werden lassen. Er würde dafür Sorge tragen, dass sich das nicht wiederholen würde. Mit grimmigem Gesicht verließ Cherital die Brücke und zog sich in seine Kabine zurück, um sich auf das vorzubereiten, was ihn im Rat erwarten würde. Nicht das er eine Wahl hätte - aber genau die hatten sie alle nicht. Sie hatten sie nie.
Cherital betrat als letzter den Versammlungsraum im Herzen der "Kian". Erwartungsvolle Blicke der Exarchen begleiteten ihn, als er in die Mitte des Ovals, in dem die Stühle angeordnet waren, schritt, um sich an die letzten Überlebenden zu wenden. Noch einmal schossen ihm die Bilder der verzweifelten Flucht durch den Kopf. Die einstmals stolze, wenn auch kleine Flotte von Yiarraith Fatas hatte bereits beim ersten Ansturm der Diener der dunklen Mächte erhebliche Verluste erlitten und sich daraufhin auf schnelle Angriffe auf exponierte Ziele verlegt. Der Schaden, den sie hatte anrichten können, war beträchtlich gewesen, und trotzdem nicht genug. Kalte Wut flammte kurzzeitig im Autarchen auf, als er an die Vernichtung der "Liril" dachte, dem Stolz der Flotte, die zwar unzählige Schiffe des Feindes mit sich in den Tod gerissen hatte, aber letztendlich auch den Untergang des Weltenschiffs nicht hatte verhindern können. Am schlimmsten waren die Verluste während der Evakuierung gewesen, als die Schiffe der Eldar die Überlebenden aufnehmen mussten. Zu Dutzenden hatten sich die grausam entarteten und klobigen Raumschiffe der Menschen auf die nahezu wehrlos wartenden Schiffe seines Volkes gestürzt und viele von ihnen in feurige Explosionen verwandelt. Wenigen genug war es gelungen, dieser Hölle zu entkommen. Seine Flotte, wenn man es denn so nennen konnte, bestand nur noch aus einigen Transportschiffen, den Schattenjägern "Finnaid" und "Asterian", der Monsun-Fregatte "Ifieth", dem Hurrikan-Kreuzer "Lir" und dem Solaris-Kreuzer "Liran", sowie natürlich seinem Flaggschiff, der "Kian". Wenige, viel zu wenige, und doch genug, um sie schützen zu müssen. Das Vermächtnis ihrer Vorfahren musste bewahrt werden. Seine Augen suchten Kerunlann und fanden sie in einer der hinteren Reihen. Dankbar sah er sie einen Moment an, doch ihre Mine blieb völlig ausdruckslos, wieder ganz die Exarchin. Dann, nach einem kurzen, tiefen Atemzug, begann er langsam zu sprechen. "Brüder und Schwestern. Wir alle haben etwas verloren, das wir niemals hätten verlieren dürfen. Wir haben etwas verloren, was an Wert nicht zu überbieten ist. Wir verloren unsere Zuflucht, unsere Heimat, unser aller zu Hause. Wir verloren Freunde und Verwandte, wir verloren unsere Familien und große Teile unseres Volkes. Wir haben viel verloren und werden weitere harte Prüfungen zu erdulden haben. Wir Eldar sind eine schwindende Rasse und der Verlust eines einzelnen Eldar versetzt die Galaxis in Trauer. Die vergangenen Tage aber waren eine Katastrophe. Wir haben viel verloren, ja. Wir dürfen aber nicht noch mehr verlieren. Unser Mut, unsere Wut, unsere Liebe - all das muss in den Dienst von Yiarraith Fatas gestellt werden. Wir alle, jeder einzelne von uns, ist nun Wächter eines bedrohten Volkes, dem er selber angehört. Wir werden überleben. Wir werden unsere Rache bekommen. Nicht heute, auch nicht morgen. Vielleicht werden viele es nicht erleben. Aber heute, hier und jetzt, müssen wir als Einheit, als Volk, als Gemeinschaft, unser Leben nur einem Ziel unterordnen: der Bewahrung unseres Volkes, dem Überleben von Yiarraith Fatas." Stille war die Antwort auf seine Worte, doch keine Stille von jener Art, die betretenes Schweigen zeigt, sondern Stille von der Natur, die deutlich macht, dass alle Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Cherital sah sich im Raum um und blickte in entschlossene Gesichter. "Ich bin bereit weiter Autarch zu sein, doch will ich diese Entscheidung nicht treffen. Meine Taten haben zum Untergang meiner Zuflucht geführt und ein Rat der Krieger soll die Geschicke lenken. Ich bitte daher den Rat der Krieger, besetzt durch die Exarchen, einen Autarchen zu wählen, der die Reste unseres Volkes in die Zukunft führt." Es setzte kein Murmeln ein, kein Raunen, wie es bei niederen Völkern wohl eingetreten wäre. Vielmehr war es ein einzelner Exarch der Kriegsfalken, Zamor, der das Wort ergriff. "Demut ist eine Tugend, die wir brauchen. Die Verantwortung zu übernehmen ist das Zeichen eines großen Eldar. Der Rat hat seine Entscheidung bereits getroffen. Cherital war und ist Autarch." Der Angesprochene widersprach umgehend. "Cherital ist tot, denn wenig Liebe habe ich noch in meinem Herzen. Ich will Camion geheißen werden, um mich stets daran zu erinnern, was mein Ziel ist. Doch dankend nehme ich die Bürde auf mich." Erleichtert blickte sich Camion im Raum um und begann, seinen Plan zu erläutern. Kein Eldar von Yiarraith Fatas würde mehr in die Schlacht ziehen, wenn er nicht unbedingt gebraucht würde. Die Beschützer der Überlebenden waren die wenigen Aspektkrieger, die noch geblieben waren. Sie würden es auch sein, die die Flotte mit alledem versorgen würden, was man brauchte, denn an eine autarke Versorgung der Flotte war nicht zu denken. Man würde sich auf das Netz der Tausend Tore verlassen müssen, und auf Hilfe von anderen Weltenschiffen. Die wenigen schweren Fahrzeuge und Einheiten die noch vorhanden waren, durften nicht riskiert werden. Ganz der Krieger redete er lange und merkte lange Zeit nicht, wie er schwächer wurde. Die Zeit verging und der Rat erörterte vielerlei Dinge. Es waren nur wenige Gardisten übrig, wenige schwere Waffen. Die meisten der Überlebenden Krieger waren Aspektkrieger, die sich auf schnelle Angriffe und Rückzüge spezialisiert hatten. So war es ihnen am Ende gelungen, sich den Klauen der Chaosanbeter zu entziehen. Als der Rat beendet war, war Camion erschöpft, aber glücklich. Sie waren geeint im Rat und sie würden geeint in eine Zukunft gehen, die sie vielleicht nicht kannten, aber der sie nicht angstvoll entgegensehen mussten. Die Flamme der Eldar brannte noch.
Müde ließ sich Camion auf einen Sessel in seiner Kabine sinken. Der Tag schien ihn mehr angestrengt zu haben, als er hatte wahrhaben wollen. Er fühlte sich nun leer, von der Erleichterung und der Zuversicht war wenig mehr über als ein leicht glimmender Funke in seinem Inneren. Es klopfte. Überrascht gewährte Camion dem späten Besucher Einlass. Es war Arbiel, eine der wenigen überlebenden Runenleser, die mit einer Einheit Gardisten entkommen war. "Ich bitte um Verzeihung, Autarch, doch ist mein Anliegen von großer Dringlichkeit." begann sie. Ihre Stimme konnte kaum ihre Besorgnis verstecken, als sie mit scheuen Augen den Raum inspizierte. Ihr Blick blieb auf dem Runenspeer "Garoth" hängen. "Es geht um euer Verhängnis."
Cherital stand auf der Brücke des Tsunami-Schlachtschiffes "Kian" und ließ seinen Tränen freien Lauf. Es ärgerte ihn nicht, dass die um ihn versammelten ranghohen Krieger sein offen zu Schau gestelltes Leid sehen konnten, spiegelten sich doch in ihren Gesichtern die gleichen Emotionen. Der Autarch des Weltenschiffs "Yiarraith Fatas" konnte es in diesem Augenblick keinem verübeln, hatten sie doch das wichtigste verloren, was den wenigen ihres Volkes noch geblieben war: Ihre Zuflucht. Die Zuflucht, die ihnen seit dem Fall der Eldar und der Geburt von Ihr, die dürstet, noch geblieben war. Stumm blickten die Krieger aus dem Sichtfenster der Brücke in die Dunkelheit, die nun vor ihnen lag. Keiner der stolzen Eldar war in der Lage zu sprechen. Keiner wollte.
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Wenige Stunden zuvor:
Explosionen erleuchteten den Kuppeldom im Herzen von Yiarraith Fatas. Umgestürzte Statuen großer Künstler und ausgebrannte Wracks von Kriegsfahrzeugen beider Seiten zeichneten ein deutliches Bild von dem, was sich seit zwei Tagen hier abgespielt hatte. Das einstmals idyllische Weltenschiff lag in Trümmern, die grazile Form an dutzenden Stellen von den barbarischen Angreifern brutal aufgebrochen, die Seen verpestet und die Einwohner abgeschlachtet. Zwei Tage hatten gereicht, um die Eldar von Yiarraith Fatas an den Rand zur Niederlage zu drängen. Cherital, Autarch des kleinen Weltenschiffs, schwang den Runenspeer "Garoth" in weitem Bogen und deutete seinen verbliebenen Kriegern an, eine weitere Wechselstellung zu beziehen. Sie durften nicht scheitern. Nicht jetzt, wo die Hilfe jeden Moment kommen musste. Bereits zu Beginn der Kämpfe waren Boten zu anderen Weltenschiffen entsandt worden, um Hilfe zu erbitten. Bisher hatte keines geantwortet, doch alle Verteidiger klammerten sich an die Hoffnung, dass ihre Brüder auf dem Weg waren. Wenig genug gab es noch, was verteidigt werden konnte: Nur noch die innersten Zirkel hielten dem Ansturm der Angreifer stand, die ein Meer aus Blut hinterließen, wo immer sie auf die Verteidiger trafen. Yiarraith Fatas würde nicht fallen - es war bereits gefallen. Cherital wusste es bereits. Alle wussten es, es wollte nu niemand wahr haben. Ein weiterer Stern am Himmel der Eldar würde verblassen, noch bevor der Tag um war. "Lasst alle, die keine Waffe mehr halten können auf die Schiffe bringen." Dieser knappe Befehl hatte ihn beinahe alles das an Kraft gekostet, was er noch in sich trug, barg er doch im Kern das Eingeständnis der Niederlage. Ein Exarch der Skorpionkrieger sah ihn durch den Helm an, wandte sich dann aber um und verschwand lautlos in den Schatten der Ruinen des Weltenschiffs, als eine Gestalt auf den Autarchen zuging. "Der Weg, den ihr nun nehmt, führt zum Untergang des Alten, birgt aber Leben im Neuen. Ich kann nicht sehen, wohin der Pfad führt, denn ihr müsst ihn ohne mich gehen. Mein Weg und der vieler meiner Brüder enden mit Yiarraith Fatas. Euer jedoch liegt im Schatten der Zukunft. " Runenprohet Ifiath senkte den Kopf und deutete ein Nicken an. Cherital wusste nicht, warum sie diesen Tag nicht hatten kommen sehen, doch er vertraute nach wie vor den Worten der Ältesten und Weisesten. "Meine Schuld ist die Anwesenheit der Feinde, und meine Sühne wird sein, das Überleben der Überlebenden zu bewahren." Gedankenverloren betrachtete er den Runenspeer in seiner Hand. Wie viele Jahre hatte er damit verbracht, das Artefakt zurückzugewinnen? Wie viel Blut war geflossen, bis er es hatte bergen können? Cheritals Moment des größten Triumphes stellte sich so als Anfang des Endes seines bisherigen Lebens heraus. "Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Die Abschiedsworte seiner Eltern klangen nun wie Hohn in seinen Ohren, wie ein böses Omen voller Spott. Ja, er hatte seine Queste beenden können. Eine Queste, die viele Generationen seiner Familie gebunden hatte. Er hatte Garoth dem Dämonenfürsten Lozian'Kael entreißen können, doch um welchen Preis? Er hatte geglaubt, dass Yiarraith Fatas klein und versteckt genug gelegen sei, um den Augen der im Warp lauernden Jäger zu entgehen. Er hatte falsch gelegen. Wenige Wochen war seine Rückkehr nun her, wenige Wochen, die gereicht hatten, um ihm zu zeigen, dass er versagt hatte. Der Rat der Seher des Weltenschiffs hatte erkannt, dass der Runenspeer Garoth war, ja. Aber Garoth war verdorben, wie mit einem Fluch belegt und zerrte jeden Tag an seiner Seele. Cherital hielt stand. Noch. Er war stark und stolz und seine Barrieren hielten. Er hatte vom Rat erbeten der Bewahrer des Runenspeers zu sein, um einen Weg zu finden, die Verderbnis zu besiegen, die in ihm wohnte. Soviel war er seinem Großvater schuldig, aus dessen toten Händen das Artefakt aus glücklicheren Zeiten gestohlen worden war. Seine Familie, sein Ruf, die Ehre. Was war es jetzt noch wert? "Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Die letzten Worte seine Eltern, bevor er ausgezogen war, um die Invasoren vom Weltenschiff zu vertreiben. Er hatte beide noch einmal in den Arm genommen und war gegangen, in dem Glauben, sie in wenigen Tagen wieder zu sehen. Seine Eltern, die ihm, ihrem einzigen Spross, den Namen Cherital gegeben hatten, waren jetzt tot. Die Außenbezirke waren überrannt worden, als klobige Menschen in altertümlichen Servorüstungen und Horden von Kultisten die äußeren Bollwerke erstürmt hatten. Die Verteidiger des Weltenschiffs hatten sich zurückziehen müssen, hatten die Schrei ihrer Brüder und Schwestern gehört, als die grausamen Anhänger der Mächte des Chaos jeden zu Ehren ihre dunklen Götzen opferten, der zurückgeblieben war. Die Leichen seiner Eltern waren unter ihnen. "Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Ein Wunsch, der nie in Erfüllung gehen würde. Mühsam riss Cherital seine Gedanken aus der Vergangenheit los, um sich wieder der Gegenwart zuzuwenden. Die Evakuierung aller, die noch verblieben waren. Der Runenprophet blickte ihn immer noch an, seine Züge unter dem Helm verborgen. "Der innere Zirkel von Yiarraith Fatas wir auf dem Schiff verbleiben, um eine Barriere zu errichten, die euren Rückzug decken wird. Ihr habt nicht viel Zeit Autarch. Sucht euer Schicksal und vergesst uns nicht. Shea nudh Asuryanish ereintha Asuryanat!" Da waren sie wieder. Worte, die für Cherital endgültigen Abschied bedeuteten. Er nickt nur stumm und wandte sich ab. Dann gab er seinen Kriegern den Befehl zum Rückzug zum Raumhafen des kleinen Weltenschiffs. "Unsere Zuflucht ist verloren. Ehrt die Toten durch euer Leben. Diese Schlacht ist nicht zu gewinnen." Mehr brachte er nicht heraus, bevor er mit der Nachhut im Schutze der Barriere das Weltenschiff verließ.
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Cherital stand noch auf der Brücke, als alle anderen hochrangigen Überlebenden bereits gegangen waren. Die Last, die er nun trug, wog schwer auf seinen Schultern. Nur wenige Runenleser hatten den Angriff der Horden des Chaos überlebt, alle Runenpropheten hatten sich geopfert um den letzten Verblieben den Rückzug zu ermöglichen. Er stand nahezu allein vor dem Abgrund der Ungewissheit, unfähig zu entscheiden, wie es weitergehen sollte. Garoth, der Runenspeer, der Begründer des Übels, lehnte neben ihm an der Brüstung der kleinen Empore, von der aus er die Brücke überwachen konnte. Sie waren nun im Netz der Tausend Tore, entkommen, um einer ungewissen Zukunft entgegen zu sehen. Nicht zum ersten Mal stellte sich Cherital insgeheim die Frage, ob ein Tod in Ehren der Schande, die er nun vor sich her trug, vorzuziehen gewesen wäre. Seine Eltern, seine Verwandten, seine Freunde... Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter und er zuckte zusammen. Kerunlann, Exarchin eins Banshee-Schreines stand hinter ihm. Sie hatte ihre Maske abgesetzt und sah ihn aus traurigen Augen an. "Der Krieger in mir weist mich an stark zu sein, doch der Eldar in mir hat eine zerrissene Seele. Um den Eldar zu schützen, muss der Krieger der stärkere sein." Cherital nickte, den Rat akzeptierend. Er musste stark sein, denn er musste sein Volk schützen. "Danke, Exarch. In zwei Zyklen möchte ich einen Rat der Exarchen einberufen. Sorgt bitte dafür, dass alle kommen. Ich denke, dass die Zeit zu trauern kommen wird. Die Zeit zu überleben scheint aber bereits begonnen zu haben." Mit einem angedeuteten Lächeln, das sowohl Respekt, als auch Verständnis ausdrücken konnte, verschwand die Exarchin so anmutig und leise, wie sie gekommen war. Cherital blieb noch mehrere Sekunden auf der Brücke. Sein Stolz hatte ihn zu einem mitleidsheischenden Schwächling werden lassen. Er würde dafür Sorge tragen, dass sich das nicht wiederholen würde. Mit grimmigem Gesicht verließ Cherital die Brücke und zog sich in seine Kabine zurück, um sich auf das vorzubereiten, was ihn im Rat erwarten würde. Nicht das er eine Wahl hätte - aber genau die hatten sie alle nicht. Sie hatten sie nie.
Cherital betrat als letzter den Versammlungsraum im Herzen der "Kian". Erwartungsvolle Blicke der Exarchen begleiteten ihn, als er in die Mitte des Ovals, in dem die Stühle angeordnet waren, schritt, um sich an die letzten Überlebenden zu wenden. Noch einmal schossen ihm die Bilder der verzweifelten Flucht durch den Kopf. Die einstmals stolze, wenn auch kleine Flotte von Yiarraith Fatas hatte bereits beim ersten Ansturm der Diener der dunklen Mächte erhebliche Verluste erlitten und sich daraufhin auf schnelle Angriffe auf exponierte Ziele verlegt. Der Schaden, den sie hatte anrichten können, war beträchtlich gewesen, und trotzdem nicht genug. Kalte Wut flammte kurzzeitig im Autarchen auf, als er an die Vernichtung der "Liril" dachte, dem Stolz der Flotte, die zwar unzählige Schiffe des Feindes mit sich in den Tod gerissen hatte, aber letztendlich auch den Untergang des Weltenschiffs nicht hatte verhindern können. Am schlimmsten waren die Verluste während der Evakuierung gewesen, als die Schiffe der Eldar die Überlebenden aufnehmen mussten. Zu Dutzenden hatten sich die grausam entarteten und klobigen Raumschiffe der Menschen auf die nahezu wehrlos wartenden Schiffe seines Volkes gestürzt und viele von ihnen in feurige Explosionen verwandelt. Wenigen genug war es gelungen, dieser Hölle zu entkommen. Seine Flotte, wenn man es denn so nennen konnte, bestand nur noch aus einigen Transportschiffen, den Schattenjägern "Finnaid" und "Asterian", der Monsun-Fregatte "Ifieth", dem Hurrikan-Kreuzer "Lir" und dem Solaris-Kreuzer "Liran", sowie natürlich seinem Flaggschiff, der "Kian". Wenige, viel zu wenige, und doch genug, um sie schützen zu müssen. Das Vermächtnis ihrer Vorfahren musste bewahrt werden. Seine Augen suchten Kerunlann und fanden sie in einer der hinteren Reihen. Dankbar sah er sie einen Moment an, doch ihre Mine blieb völlig ausdruckslos, wieder ganz die Exarchin. Dann, nach einem kurzen, tiefen Atemzug, begann er langsam zu sprechen. "Brüder und Schwestern. Wir alle haben etwas verloren, das wir niemals hätten verlieren dürfen. Wir haben etwas verloren, was an Wert nicht zu überbieten ist. Wir verloren unsere Zuflucht, unsere Heimat, unser aller zu Hause. Wir verloren Freunde und Verwandte, wir verloren unsere Familien und große Teile unseres Volkes. Wir haben viel verloren und werden weitere harte Prüfungen zu erdulden haben. Wir Eldar sind eine schwindende Rasse und der Verlust eines einzelnen Eldar versetzt die Galaxis in Trauer. Die vergangenen Tage aber waren eine Katastrophe. Wir haben viel verloren, ja. Wir dürfen aber nicht noch mehr verlieren. Unser Mut, unsere Wut, unsere Liebe - all das muss in den Dienst von Yiarraith Fatas gestellt werden. Wir alle, jeder einzelne von uns, ist nun Wächter eines bedrohten Volkes, dem er selber angehört. Wir werden überleben. Wir werden unsere Rache bekommen. Nicht heute, auch nicht morgen. Vielleicht werden viele es nicht erleben. Aber heute, hier und jetzt, müssen wir als Einheit, als Volk, als Gemeinschaft, unser Leben nur einem Ziel unterordnen: der Bewahrung unseres Volkes, dem Überleben von Yiarraith Fatas." Stille war die Antwort auf seine Worte, doch keine Stille von jener Art, die betretenes Schweigen zeigt, sondern Stille von der Natur, die deutlich macht, dass alle Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Cherital sah sich im Raum um und blickte in entschlossene Gesichter. "Ich bin bereit weiter Autarch zu sein, doch will ich diese Entscheidung nicht treffen. Meine Taten haben zum Untergang meiner Zuflucht geführt und ein Rat der Krieger soll die Geschicke lenken. Ich bitte daher den Rat der Krieger, besetzt durch die Exarchen, einen Autarchen zu wählen, der die Reste unseres Volkes in die Zukunft führt." Es setzte kein Murmeln ein, kein Raunen, wie es bei niederen Völkern wohl eingetreten wäre. Vielmehr war es ein einzelner Exarch der Kriegsfalken, Zamor, der das Wort ergriff. "Demut ist eine Tugend, die wir brauchen. Die Verantwortung zu übernehmen ist das Zeichen eines großen Eldar. Der Rat hat seine Entscheidung bereits getroffen. Cherital war und ist Autarch." Der Angesprochene widersprach umgehend. "Cherital ist tot, denn wenig Liebe habe ich noch in meinem Herzen. Ich will Camion geheißen werden, um mich stets daran zu erinnern, was mein Ziel ist. Doch dankend nehme ich die Bürde auf mich." Erleichtert blickte sich Camion im Raum um und begann, seinen Plan zu erläutern. Kein Eldar von Yiarraith Fatas würde mehr in die Schlacht ziehen, wenn er nicht unbedingt gebraucht würde. Die Beschützer der Überlebenden waren die wenigen Aspektkrieger, die noch geblieben waren. Sie würden es auch sein, die die Flotte mit alledem versorgen würden, was man brauchte, denn an eine autarke Versorgung der Flotte war nicht zu denken. Man würde sich auf das Netz der Tausend Tore verlassen müssen, und auf Hilfe von anderen Weltenschiffen. Die wenigen schweren Fahrzeuge und Einheiten die noch vorhanden waren, durften nicht riskiert werden. Ganz der Krieger redete er lange und merkte lange Zeit nicht, wie er schwächer wurde. Die Zeit verging und der Rat erörterte vielerlei Dinge. Es waren nur wenige Gardisten übrig, wenige schwere Waffen. Die meisten der Überlebenden Krieger waren Aspektkrieger, die sich auf schnelle Angriffe und Rückzüge spezialisiert hatten. So war es ihnen am Ende gelungen, sich den Klauen der Chaosanbeter zu entziehen. Als der Rat beendet war, war Camion erschöpft, aber glücklich. Sie waren geeint im Rat und sie würden geeint in eine Zukunft gehen, die sie vielleicht nicht kannten, aber der sie nicht angstvoll entgegensehen mussten. Die Flamme der Eldar brannte noch.
Müde ließ sich Camion auf einen Sessel in seiner Kabine sinken. Der Tag schien ihn mehr angestrengt zu haben, als er hatte wahrhaben wollen. Er fühlte sich nun leer, von der Erleichterung und der Zuversicht war wenig mehr über als ein leicht glimmender Funke in seinem Inneren. Es klopfte. Überrascht gewährte Camion dem späten Besucher Einlass. Es war Arbiel, eine der wenigen überlebenden Runenleser, die mit einer Einheit Gardisten entkommen war. "Ich bitte um Verzeihung, Autarch, doch ist mein Anliegen von großer Dringlichkeit." begann sie. Ihre Stimme konnte kaum ihre Besorgnis verstecken, als sie mit scheuen Augen den Raum inspizierte. Ihr Blick blieb auf dem Runenspeer "Garoth" hängen. "Es geht um euer Verhängnis."