12-14-2008, 04:11 PM
„Der Scharfschütze ist einer für den Scharfschützeneinsatz ausgebildeter Schütze, der mit einer besonderen Scharfschützenausstattung ausgerüstet ist und erfolgreich am Verwendungslehrgang für Scharfschützen teilgenommen hat.“
Imperiale Dienstvorschrift (IDV) 216/721, Nr. 101 „Der Scharfschütze“
Der Kompaniefeldwebel sah von der Personalakte des Obergefreiten Harkon Pierce auf und blickte den vor ihm stehenden Soldaten an. Er runzelte die Stirn und warf die Akte zurück auf den Stapel mit Schriftstücken, den er gegenüber seinen Geschäftzimmersoldaten immer „SEINE ORDNUNG“ zu nennen pflegte. Irgendwie war ihm dieser junge blasse Mann mit den dunklen Augenringen unsympathisch – kam ihm gar unmilitärisch vor! Wie die Uniform schon an ihm herumschlackerte; ganz ohne Ehrenabzeichen, das Namensschild schief. Der Obergefreite musste so um die 1,80 m groß sein, aber ihm fehlte der gesunde militärisch-muskulöse Körperbau wie ihn die meisten der unter ihm dienenden Kampfmaschinen besaßen. Er wirkte eher drahtig und unter dem Kragen seiner Dienstanzugsjacke konnte man Narbengewebe erkennen, dass sich wahrscheinlich noch weit über den Oberkörper und Rücken des Soldaten hinziehen muss.
„Also gut, Obergefreiter…“, begann der Kompaniefeldwebel in seiner gespielt-kameradschaftlichen Art wie er es immer zu tun pflegte, wenn er einen Soldaten vor sich hatte der offensichtlich nicht ganz „in Spur“ – seiner Spur – zu laufen pflegt.
„…Sie sind also jetzt direkt vom Lehrgang hierher in meine Kompanie versetzt worden?“, fuhr der „Spieß“ fort und musterte den vor ihm stehenden Soldaten erneut.
„Jawohl, Herr Stabsfeldwebel!“, antwortete der seit 20 Minuten in Grundstellung vor dem Kompaniefeldwebel stehende Obergefreite. Harkon war der gefährliche Unterton in der freundlich klingenden Stimme des Stabsfeldwebels nicht entgangen, dennoch wollte, vielmehr konnte er sich jetzt nicht gleich bedingungslos diesem Mann unterordnen. Er kannte solche Typen zur genüge. Seit sechs Jahren, seit dem er in den Dienst der PVS eingetreten war, hatte er es mit solchen kleinen Diktatoren zu tun, die versuchten in ihrem Bereich alles und jeden zu beherrschen und ihre Komplexe auszuleben. Na dann mal noch ein bisschen zappeln lassen und sehen wie gefährlich der Herr Stabsfeldwebel werden kann, dachte sich Hakon.
„Wie? Jawohl, Herr Stabsfeldwebel! Gehen sie mal gefälligst ein wenig ins Detail, Soldat. Oder Wollen sie etwa, dass ich mir alles aus ihrer Akte selbst zusammenreimen muss? Ich habe auch noch Anderes zu tun!“ Beide wussten nur zu gut, dass er genau das in den letzten 20 Minuten seit der Meldung des Obergefreiten im Dienstzimmer des Kompaniefeldwebels getan hatte. Der „Spieß“ sah herausfordernd zu dem Obergefreiten hinüber: „Wo gibt es denn so was? Kommt hier in meine Kompanie und denkt wir warten nur auf ihn.“
„Jawohl, Herr Stabsfeldwebel!“, kam wieder die Antwort des Obergefreiten.
„Jawohl, Herr Stabsfeldwebel!“, äffte der „Spieß“ den Soldaten nach. „Was heißt hier JA-WOHL? JAWOHL, dass sie mir gleich sagen was ich wissen will oder JAWOHL, dass sie der Meinung sind ich wäre hier der Portier und sie wären im Luxushotel?“
Ah-ha. So einer bist du also. Mehr wollte ich nicht wissen, dachte Harkon Pierce und antwortete scheinbar geläutert: „Melde Herrn Stabsfeldwebel, dass ich vom bestandenen Kommandantenlehrgang „Salamander“ hierher versetzt worden bin. Vorherige Verwendungen: Eintritt in die PVS vor 9 Jahren, Grundausbildung, Spezialgrundausbildung als Aufklärungssoldat, Verwendung als Schütze und Späher bei der 9. InfKp, im Anschluss daran Scharfschützenausbildung und Verwendung bei der 3. LeAufklKp, dort erhielt ich den Versetzungsbefehl zum Lehrgang.“
„Na also, geht doch!“, rief der Spieß erfreut über die Einsicht seines neuen Untergebenen und setzte gehässig hinterher: „Die 9. wollte sie wohl nicht mehr, oder was? Hat der Herr Obergefreite da wohl sein Pulver verschossen gehabt?“ Der „Spieß“ grinste zufrieden und war davon überzeugt, dass es fürs erste reichte. Diesen „Knaller“ würde er aber im Auge, besser gesagt unter den wachsamen Augen seiner Unteroffiziere, behalten. „Sie können sich jetzt abmelden und geben dann im Geschäftzimmer ihre Unterlagen ab. Danach melden sie sich auf dem Krankenrevier und lassen sich dort untersuchen. Wir wollen ja nicht, dass sie irgendwas von ihrem Heimaturlaub mitgebracht haben, nicht wahr?“
Obergefreiter Harkon Pierce meldete sich mit einer vorschriftsmäßigen Meldung ab. Der Stabsfeldwebel hatte sich jedoch bereits in wieder seinen Papieren auf dem Schreibtisch zugewandt und nickte nur noch als Zeichen für den Obergefreiten zu verschwinden.
Krieg ist kein Kartenspiel von Generälen und Strategen, ausgeführt von gut gedrillten Helden, sondern Dreck und Blut und Tod.
Guishal Knox, Imperialer Chronist
Während Harkon im Wartesaal des Lazarettes darauf wartete, dass er untersucht wurde, begann er geistesabwesend seinen mit Brandnarben überzogenen Oberkörper zu kratzen. Gerüche und Geräusche in dieser Umgebung trugen wohl dazu bei, dass er begann sich an Vergangenes zu denken. Die Narben begannen wieder zu jucken und er der Tag an dem er diese „Ehrenmale“ erhalten hatte (und auch an die vielen Wochen voller Schmerzen die darauf folgten), kam aus den dunklen Ecken seiner Erinnerung wieder hoch und ließ ihn alles erneut durchleben.
„Luchs hier Adler, kommen!“, krächzte die Stimme des Kompaniechefs durch das Helmkom. „Hier Luchs, kommen!“, antwortete die Stimme von dem Obergefreiten Dev Mantris, während dieser immer noch den Blick durch sein Fernglas auf die in wilder Formation vorrückenden Chaos-Kultisten hielt. Der Scharfschütze neben ihm – sein Freund Harkon Pierce – gab gerade wieder einen Schuss ab, der wenige Augenblicke später den Schädel eines Kultisten in eine Wolke aus Blut, Knochensplittern und Hirnmasse verwandelte. „Hier Adler. Feindeinbruch bei Position Alpha. Alle Tle Adler weichen auf Position Delta aus. Luchs hält Stellung und weicht auf Befehl aus, kommen!“, im Hintergrund der Komübermittlung waren Schüsse und Detonationen zu hören. „Hier Luchs. Verstanden, kommen!“ gab Obergefreiter Mantris zurück und mit „Adler, Ende!“, war alles gesagt was für die nächste Phase dieser unglücksseligen Gefechtspatrouille nötig war. „Also keinen Stellungswechsel, Dev? Halten und Sterben? Der Imperator beschützt!“, zischte Harkon und wechselte sein Magazin. „Der Imperator beschützt! Hast es erfasst, Kumpel.“, gab Dev, der jetzt anstatt seines Fernglas zur Zielortung für Harkon, sein 2-1er in Anschlag brachte.
In den folgenden Minuten konnten die beiden gut getarnten Soldaten die Absetzbewegung ihrer Kompanie verfolgen und gaben mit in rascher Folge abgegebenen Schüssen dieser die Möglichkeit ohne größere Verluste „Delta“ zu erreichen. Allerdings gelang es Harkon und Dev nicht unentdeckt zu bleiben. Kurz nachdem sie von ihrem Chef den Befehl zum Stellungswechsel erhalten hatten, hatten mehrere Kultisten ihre Stellung unter starkes Feuer genommen und andere arbeiteten sich gegen sie vor. Harkon feuerte immer wieder sein Gewehr mit gut gezielten Einzelschüssen ab, die, wenn sie auch oftmals nicht töteten, den Feind jedoch immer wieder in Deckung zwangen. Auch sein Freund Dev Mantris schoss mit seinem 2-1er, wobei er aber immer öfter Feuerstöße auf die Näherkommenden abgeben musste. Plötzlich spürte Harkon von rechts eine Hitze wie sie in der Hölle des Chaos sein musste. Er drehte seinen Kopf um und konnte gerade noch sehen wie ein Chaos-Kultist mit einem Flammenwerfer-Nachbau erneut auf ihn zielte. Durch den Schock und die starken Schmerzen gelang es ihm nicht mehr sein Gewehr herumzureißen und den Angreifer niederzumachen. Er verlor fast das Bewusstsein und konnte nur durch rote Nebel vor seinen Augen wahrnehmen, wie Dev wütend aufschrie und sein restliches Magazin auf den Flammenwerfer-Kämpfer leerte. Noch während die zuckenden Überreste des Angreifers auf den Boden fielen, wurde Harkon hochgehoben und Dev schleppte ihn auf den Schultern von ihrer Feuerstellung weg. Sein Bewusstsein schwand immer mehr und eine angenehme Dunkelheit legte sich über Harkons Verstand …
… Harkon erwachte in einem warmen Bett, konnte jedoch nichts sehen. Vorsichtig versuchte er an seinen Brustkorb zu fassen, doch dieser war fest in Bandagen gewickelt. Seine Augen waren mit medizinischem Klebeband verpflastert. Tropfe und Monitorkabel waren großzügig an Armen und Brust verankert, und in Mund und Nase steckten größere, dickere Schläuche. Die Stimme seines Kameraden Dev war zu hören, der sich anscheinend mit einem Truppenarzt stritt. Alles was Harkon sonst wahrnahm waren Gerüche und Geräusche des Lazarettes, die er in den nächsten Wochen als Teil eines langen schmerzlosen Albtraumes verinnerlichen sollte.
„Obergefreiter Pierce? Sie können sich jetzt im Zimmer des Herrn Stabsarzt zur Untersuchung melden!“, Harkon schreckte aus seinen düsteren Erinnerungen hoch und befolgte die Anweisungen des untersetzten Sanitätsunteroffiziers.
„Niemand weiß besser als ein Soldat, dass der Frieden kein kostenloses Geschenk ist, sondern dass man bereit sein muss, etwas für ihn einzusetzen. Das ist es, was der Soldat tut, nicht allein und primär für sich selber, sondern für den Gott-Imperator und das Imperium im Ganzen.“
Ricard von Wisker, Departmentum Monitorium
Harkon hatte die leidige Untersuchung im Sanitätsbereich der Kaserne überstanden und begab sich anschließend auf die ihm zugeteilte Mannschaftsstube. Als er die Stube betrat hatte er die 4 – mehr schlecht als recht gemachten – Betten wahrgenommen. Zwei Weitere Betten waren noch unbezogen. Offenbar waren auf dieser Stube bis jetzt nur 4 Soldaten untergebracht und er hoffte, dass neben ihm auch sein Kamerad Dev hier einziehen würde. Aber Harkon wusste, dass Dev sich noch nicht zum Dienst in der 10. gemeldet hatte. Er begann sein Bett korrekt und wie mit dem Lineal gezogen herzurichten. Anschließend baute Harkon der Vorschrift entsprechend seinen Spind und begann dann Dienstanzug gegen Feldanzug zu tauschen. Gerade als er seine Stiefel geschnürt hatte, trat einer der Geschäftszimmersoldaten in die Stube. Der Hauptgefreite schaute herablassend auf Harkon und sagte süffisant: „Was trödelst du hier herum OG? Weißt du nicht, dass du dich bei der Wache zu melden hast? Direkter Befehl vom Spieß! In fünf Minuten bist du da oder wir beide bekommen ein Problem miteinander, verstanden?“. Da hatte also der Kompaniefeldwebel seine Lakaien schon angespitzt, dachte Harkon und erhob sich ergeben. Trotzdem blickte er den lässig in der Tür stehenden Soldaten an. Dieser Hauptgefreite sah so aus als hätte er seine gesamte Dienstzeit nur in Schreibstuben verbracht. Seine Uniform und Stiefel wirkten nahezu neu und ihm fehlten in seinem jungen Gesicht die „alten Züge“, die jeder bekam der einmal im Kampf dem Tod begegnet war.
Harkon verzog die Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln, nahm sich sein Barett, Koppel, Helm und
Begab sich zur Wache. Dort meldete er sich bei dem Wachhabenden, ein älterer Unteroffizier aus der 10. Kompanie.
Im Verlaufe der Nacht entstand ein kameradschaftlicher Ton zwischen Harkon und den anderen Soldaten der Wachmannschaft. Der Uffz erwies sich als redsamer Mann, der aber schon einige Einsätze auf dem Buckel hatte und so Harkon glaubwürdig erschien. Während Harkon und der Uffz in der letzten Schicht zusammen im Wachhaus saßen fragte dieser unvermittelt: „Sach ma, OG, wo kommst denn eigentlich her? Scheinst mir hier in der Makropole etwas fehl am Platz zu sein?“ Harkon sah von dem Auspex-Monitor auf, den er gerade überwachte. „Das scheint mir auch manchmal so.“
Der 12-jährige stellte den Regler für die Bewässerungsanlage des großen genmanipuliertes Getreidefeldes aus. Vielmehr hieß das, dass er einen Kuhfuß in das Drehrad gesteckt hatte und sich mit all seiner Kraft gegen das Metall legte, um es Stück für Stück in die gewünschte Richtung zu bewegen. Solange er denken konnte musste der Junge auf der Gen-Farm seines Vaters helfen; jeden Tag, immer wenn die Schule vorbei war, bis spät in den Abend hinein. „Komm rein, Harkon!“, rief sein Vater. „Für heute reicht es. Wir wollen essen.“, Harkon beendete sein Werk und richtete sich auf. Während er sich den Schweiß mit einem Tuch aus dem Gesicht wischte, konnte er die anderen Jungen aus seiner Klasse sehen, wie sie im Wasser des an der Farm vorbei fließenden Flusses mit selbstgebauten Flößen vorbeifuhren. So was machte bestimmt viel Spaß, dachte er dabei und ging in das kleine Farmhaus. Nachdem er sich gewaschen hatte setzte er sich zu seinen Vater an den Tisch und sie begannen schweigend den einfachen Eintopf zu essen.
Ein anderes Leben kannte Harkon nicht; nur er und sein Vater und die harte Arbeit nach der Schule. Seine Mutter hatte er nie kennen gelernt, sie war kurz nach seiner Geburt gestorben. Auch über seinen Vater wusste er im Grunde wenig. Nur ein paar Gegenstände, die sein Vater in einer Metallkiste in seinem Zimmer aufbewahrte. Harkon hatte sich schon oft hierher geschlichen und sich die Sachen angeschaut. Zum einen, weil in der Kiste auch ein Foto von seiner Mutter lag und zum anderen, weil die Erinnerungsstücke seines Vaters das natürliche Interesse von Jungen in seinem Alter weckten. Es gab unter anderem eine Schachtel mit vielen Orden auf den oftmals ein Adler abgebildet war, aber auch viele Holobilder, die seinen Vater in einem Kampfanzug und mit einem Gewehr bewaffnet zeigte. Insbesondere der lange Dolch war für Harkon immer wieder faszinierend. Er wies viele Scharten auf und war an einigen Stellen dunkel angelaufen.
Wenige Monate später war sein Vater gestorben. Der Arzt sagte, dass er an alten, nie richtig verheilenden Verwundungen gestorben wäre. Harkon konnte das nicht einordnen und es war ihm auch egal. Er wusste nur, dass er jetzt niemanden mehr hatte. Auf der Beerdigung, bei der nur Harkon und ein alter Freund seines Vaters anwesend waren, sprach ein Priester die Gebete. Der Priester erwähnte immer wieder eine Gott-Imperator auf einem goldenen Thron von Terra und das alles seinem Willen entsprechen würde. Nach Ende der Zeremonie legte der Freund seines Vaters seine Hand auf Harkon Schulter. Man hatte Harkon gesagt, dass er von jetzt an bei diesem Mann wohnen würde, so hätte es sein Vater vor seinem Tod bestimmt.
„Sie werden sich um den Jungen kümmern, Hauptfeldwebel?“, ein Mann in einer schönen Uniform mit vielen Auszeichnungen war unbemerkt hinter den alten Mann und Harkon getreten. „Das Hauptfeldwebel können sie sich sparen, Kommissar. Diese Zeiten sind lange vorbei!“, antwortete der Angesprochene und drehte sich um. Auch Harkon betrachtete den Fremden und blickte in dessen hartes Gesicht. „Und ja, ich kümmere mich jetzt um ihn!“. Der Fremde lächelte kalt. „Gut, sie wissen ja der Imperator kümmert sich um seine verdienten Soldaten. Wenn sie wollen könnte ich dafür sorgen, dass der Sohn des Oberst eine gute Ausbildung erhält.“ Als Antwort erhielt er aber nur ein Kopfschütteln. „Nein, ich und meine Frau werden ihm eine neue Heimat bieten! Außerdem werde ich Harkon schon beibringen was er wissen muß.“ Der Fremde zuckte mit den Achseln. „Wenn sie den Befehlen des Herrn Oberst immer noch folgen wollen – ihre Sache. Ich habe nur meine Pflicht erfüllt und ihnen das großzügige Angebot des Imperiums gemacht." Ohne weitere Worte wandte sich der Fremde ab und ging. Harkon und der alte Freund seines Vaters sahen sich lange an. „Ich glaube ich habe dir noch viel zu erzählen, Harkon. Aber jetzt wollen wir erstmal zu Minna. Sie wartet bestimmt schon mit was Tee und Gebäck …"
Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt.
Ordensmeister Stein, Adeptus Astartes
Auf der Schießanlage des Militärgeländes der PVS herrschte rege Betriebsamkeit. Harkon hatte sich einer zum Schießen vorgesehene Abteilung angeschlossen. Einer der Lakaien des Kompaniefeldwebels hatte ihn abgefangen nachdem er von seiner Wachschicht zurückgekehrt war. Der „Spieß“ hatte ihm ausrichten lassen, dass der Obergefreite Pierce heute für das Schießen eingeteilt wäre und ob er denn die Güte hätte sich auf der Schießbahn einzufinden. Der Transport wäre bereits vor einer halben Stunde abgefahren. Der Überbringer der Nachricht, ein wieselgesichtiger Gefreiter, hatte verschlagen gegrinst als er selbstsicher sie Nachricht seines „Spießes“ um „Na da musst du wohl laufen, was!“ Harkon hatte in den letzten 48 Stunden nur 2 oder 3 Stunden geschlafen.
Die anderen Soldaten unterhielten sich gedämpft oder rauchten. Die Anlage auf der das Schießen stattfinden sollte, war keine normale Schulschießanlage. Heute war vorgesehen, dass jeder Schütze einzeln einen Durchgang auf einer Geländekampfbahn absolvierte. Die dafür vorhandene Strecke wies einen kleinen Pfad auf, der sich durch ein Tal am Rande des Schießgeländes schlängelte. Es gab hier viel Geröll und größere Steinbrocken. Der Bewuchs war relativ spärlich, aber immerhin wuchsen einige Büsche und es gab hier und da kleinere Baumgruppen. Offenbar hatte vor langer Zeit ein Bach dieses Wadi in den Boden gespült.
„Rauchen Einstellen, Männer!“, plärrte ein Feldwebel zu den wartenden Soldaten herüber. „Es geht los. Als erstes wollen wir mal sehen was unser Neuer so drauf hat. Obergefreiter Pierce, vortreten, Gefechtsbereitschaft herstellen und melden!“, Harkon tat wie ihm befohlen worden war, aber seine Gedanken hingen Zeiten hinterher, die schon lange der Vergangenheit angehörten. „Obergefreiter Pierce, klar zum Gefecht!“, meldete Harkon automatisch. Mit einer einladenden Handbewegung gab der Feldwebel die Bahn frei.
„So mein Junge, dann wollen wir mal!“, sagte der alte Mann bei dem Harkon seit dem Tod seines Vaters lebte. In den letzten Tagen hatte er nicht nur den Tod seines Vaters verarbeiten müssen. Er hatte zudem erfahren, dass sein Vater einst als Offizier in der Imperialen Garde gedient hatte und sich nach dem Ausscheiden aus dem Dienst zusammen mit einem Hauptfeldwebel – seinem Freund und Waffengefährten – auf Koron III niedergelassen hatte. Erst jetzt konnte er den „Schatz“ seines Vaters, den Harkon als Erinnerung mitgenommen hatte, richtig zuordnen. „Hast du schon einmal ein Gewehr in der Hand gehalten?“, fuhr der Alte fort. Harkon schüttelte den Kopf. „Dann werde ich dir mal beibringen wo das gute und wo das schlechte Ende ist. Du musst es so halten. Siehst du?“ Der alte Kämpfer begann in den folgenden Wochen und Monaten damit Harkon das Schießen beizubringen. Auch nahm er ihn auf viele Jagdzüge mit und zeigte Harkon, wie man sich im Gelände bewegen musste, wie man sich dem Wild nähert und das nur der geduldige Schütze auch sein Ziel präzise treffen kann. In dieser Zeit lernte Harkon viel über solche Dinge. Wahrscheinlich, so dachte Harkon, wollte der Alte ihn von den Gedanken an den Tod seines Vaters und dem Gefühl der Einsamkeit ablenken. Wahrscheinlich konnte er es nur auf diese Art. Zu dieser Zeit begann Harkon aber auch sich weiter in sich zurückzuziehen. Altersgenossen mied er in der Regel und selbst zur Schule ging er nur noch selten. Solche Dinge kümmerten seine Pflegeeltern nur wenig. Einzig das Lesen schien Harkon für eine gewisse Zeit auszufüllen. Er konnte sich in die Geschichten hinein zu versetzten und wurde oft genug selber zum Protagonisten der Geschichte.
Eines Tages fand Harkon eine alte zerfledderte Buchreihe über die Imperialen Streitkräfte und las diese begierig und immer wieder, bis sie fast auseinander fiel. In der Folge begann er sich immer tiefer mit dieser Materie zu beschäftigen. Auch das was sein Pflegevater ihm beibringen konnte, interessierte ihn immer mehr. Nur seine Pflegemutter schien besorgt zu sein über seine neuen Interessen. Sie gab Harkon immer wieder auch andere Literatur zu lesen. So verlangte sie von ihm, dass er sich auch mit dem Gott-Imperator der Menschheit, der heiligen Sabbat oder der Geschichte des Imperiums beschäftigte. Für die anderen Jugendlichen in seinem Alter wurde er immer mehr zu einem Außenseiter. Seine freie Zeit verbrachte Harkon immer öfter alleine. Oft machte er mehrtägige Streifzüge durch die karge Wildnis. Seine Pflegemutter redete damals oft von seiner Selbstfindung. Die Jahre vergingen immer so weiter und es drängte ihn immer mehr in eine bestimmte Richtung.
Als Harkon 18 Jahre alt wurde, nahm sein Pflegevater ihn mit nach Ghomor und setzte ihn vor der Gammarai-Kaserne der PVS ab. „Ab hier musst du deinen Weg alleine gehen, mein Junge. Vielleicht findest du hier deine Heimat.“ Der Alte reichte ihm die Hand und als Harkon sie ergriff, sagte er: „Aber eines lass dir gesagt sein: Sei nicht enttäuscht wenn du sie nicht hier und nicht gleich findest. Vielleicht erst in vielen Dekaden fern dieses Planeten … mit den Narben eines Lebens nahe am Tode gezeichnet.“ Harkon nickte stumm. „Die Zeit ist Euer; was sie sein wird, wird sie durch Euch sein!“ Der Alte ließ seine Hand los und wendete sich langsam ab. „Weißt du wer das gesagt hat?“, fragte er im Gehen. „Nein!“, antwortete Harkon. „Es war dein Vater. Oberst Vernom Pierce, Kommandeur des 333. cardianischen Infanterieregiments.“ Er war schon einige Schritte entfernt, als er sich noch mal umdrehte. „Ich denke wir werden uns wohl nicht mehr wieder sehen, mein Junge!“
„Obergefreiter Harkon Pierce. Melde Ausführung. Waffe entladen, Patronenlager frei, entspannt und gesichert, Herr Feldwebel!“ Der angesprochene sah zunächst verblüfft seine Stoppuhr und den Monitor mit der elektronischen Trefferaufnahme an, dann den Obergefreiten. „Wirklich erstaunlich, Obergefreiter. Neuer Bahnrekord. Zeitlich, wie auch im Trefferergebnis.“ Er beschloss, dass diese Einheit ihn mal kreuzweise konnte.
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Zusammenfassung
Name Harkon Pierce
Rasse Mensch
Alter 27
Aussehen 1,80m groß, blonde kurze Haare, blau-graue Augen, drahtiger Körperbau
Brandnarben auf der rechten Oberkörperseite und am Hals
Herkunft Koron III – Herdengild Metropolis
Zugehörigkeiten PVS (10. Kp)
Rang Obergefreiter
Fähigkeiten Hervorragender Schütze, Orientieren, Tarnung, miserabler Nahkämpfer
Ausrüstung PVS-Grundausstattung, PVS-Feldausrüstung, Ghillie Suit, Kampfgewehr 2-1, Zieloptik für das G 2-1, Bajonett, Metallkiste mit Erinnerungstücken an seinen Vater, 125 Schekel
Imperiale Dienstvorschrift (IDV) 216/721, Nr. 101 „Der Scharfschütze“
Der Kompaniefeldwebel sah von der Personalakte des Obergefreiten Harkon Pierce auf und blickte den vor ihm stehenden Soldaten an. Er runzelte die Stirn und warf die Akte zurück auf den Stapel mit Schriftstücken, den er gegenüber seinen Geschäftzimmersoldaten immer „SEINE ORDNUNG“ zu nennen pflegte. Irgendwie war ihm dieser junge blasse Mann mit den dunklen Augenringen unsympathisch – kam ihm gar unmilitärisch vor! Wie die Uniform schon an ihm herumschlackerte; ganz ohne Ehrenabzeichen, das Namensschild schief. Der Obergefreite musste so um die 1,80 m groß sein, aber ihm fehlte der gesunde militärisch-muskulöse Körperbau wie ihn die meisten der unter ihm dienenden Kampfmaschinen besaßen. Er wirkte eher drahtig und unter dem Kragen seiner Dienstanzugsjacke konnte man Narbengewebe erkennen, dass sich wahrscheinlich noch weit über den Oberkörper und Rücken des Soldaten hinziehen muss.
„Also gut, Obergefreiter…“, begann der Kompaniefeldwebel in seiner gespielt-kameradschaftlichen Art wie er es immer zu tun pflegte, wenn er einen Soldaten vor sich hatte der offensichtlich nicht ganz „in Spur“ – seiner Spur – zu laufen pflegt.
„…Sie sind also jetzt direkt vom Lehrgang hierher in meine Kompanie versetzt worden?“, fuhr der „Spieß“ fort und musterte den vor ihm stehenden Soldaten erneut.
„Jawohl, Herr Stabsfeldwebel!“, antwortete der seit 20 Minuten in Grundstellung vor dem Kompaniefeldwebel stehende Obergefreite. Harkon war der gefährliche Unterton in der freundlich klingenden Stimme des Stabsfeldwebels nicht entgangen, dennoch wollte, vielmehr konnte er sich jetzt nicht gleich bedingungslos diesem Mann unterordnen. Er kannte solche Typen zur genüge. Seit sechs Jahren, seit dem er in den Dienst der PVS eingetreten war, hatte er es mit solchen kleinen Diktatoren zu tun, die versuchten in ihrem Bereich alles und jeden zu beherrschen und ihre Komplexe auszuleben. Na dann mal noch ein bisschen zappeln lassen und sehen wie gefährlich der Herr Stabsfeldwebel werden kann, dachte sich Hakon.
„Wie? Jawohl, Herr Stabsfeldwebel! Gehen sie mal gefälligst ein wenig ins Detail, Soldat. Oder Wollen sie etwa, dass ich mir alles aus ihrer Akte selbst zusammenreimen muss? Ich habe auch noch Anderes zu tun!“ Beide wussten nur zu gut, dass er genau das in den letzten 20 Minuten seit der Meldung des Obergefreiten im Dienstzimmer des Kompaniefeldwebels getan hatte. Der „Spieß“ sah herausfordernd zu dem Obergefreiten hinüber: „Wo gibt es denn so was? Kommt hier in meine Kompanie und denkt wir warten nur auf ihn.“
„Jawohl, Herr Stabsfeldwebel!“, kam wieder die Antwort des Obergefreiten.
„Jawohl, Herr Stabsfeldwebel!“, äffte der „Spieß“ den Soldaten nach. „Was heißt hier JA-WOHL? JAWOHL, dass sie mir gleich sagen was ich wissen will oder JAWOHL, dass sie der Meinung sind ich wäre hier der Portier und sie wären im Luxushotel?“
Ah-ha. So einer bist du also. Mehr wollte ich nicht wissen, dachte Harkon Pierce und antwortete scheinbar geläutert: „Melde Herrn Stabsfeldwebel, dass ich vom bestandenen Kommandantenlehrgang „Salamander“ hierher versetzt worden bin. Vorherige Verwendungen: Eintritt in die PVS vor 9 Jahren, Grundausbildung, Spezialgrundausbildung als Aufklärungssoldat, Verwendung als Schütze und Späher bei der 9. InfKp, im Anschluss daran Scharfschützenausbildung und Verwendung bei der 3. LeAufklKp, dort erhielt ich den Versetzungsbefehl zum Lehrgang.“
„Na also, geht doch!“, rief der Spieß erfreut über die Einsicht seines neuen Untergebenen und setzte gehässig hinterher: „Die 9. wollte sie wohl nicht mehr, oder was? Hat der Herr Obergefreite da wohl sein Pulver verschossen gehabt?“ Der „Spieß“ grinste zufrieden und war davon überzeugt, dass es fürs erste reichte. Diesen „Knaller“ würde er aber im Auge, besser gesagt unter den wachsamen Augen seiner Unteroffiziere, behalten. „Sie können sich jetzt abmelden und geben dann im Geschäftzimmer ihre Unterlagen ab. Danach melden sie sich auf dem Krankenrevier und lassen sich dort untersuchen. Wir wollen ja nicht, dass sie irgendwas von ihrem Heimaturlaub mitgebracht haben, nicht wahr?“
Obergefreiter Harkon Pierce meldete sich mit einer vorschriftsmäßigen Meldung ab. Der Stabsfeldwebel hatte sich jedoch bereits in wieder seinen Papieren auf dem Schreibtisch zugewandt und nickte nur noch als Zeichen für den Obergefreiten zu verschwinden.
Krieg ist kein Kartenspiel von Generälen und Strategen, ausgeführt von gut gedrillten Helden, sondern Dreck und Blut und Tod.
Guishal Knox, Imperialer Chronist
Während Harkon im Wartesaal des Lazarettes darauf wartete, dass er untersucht wurde, begann er geistesabwesend seinen mit Brandnarben überzogenen Oberkörper zu kratzen. Gerüche und Geräusche in dieser Umgebung trugen wohl dazu bei, dass er begann sich an Vergangenes zu denken. Die Narben begannen wieder zu jucken und er der Tag an dem er diese „Ehrenmale“ erhalten hatte (und auch an die vielen Wochen voller Schmerzen die darauf folgten), kam aus den dunklen Ecken seiner Erinnerung wieder hoch und ließ ihn alles erneut durchleben.
„Luchs hier Adler, kommen!“, krächzte die Stimme des Kompaniechefs durch das Helmkom. „Hier Luchs, kommen!“, antwortete die Stimme von dem Obergefreiten Dev Mantris, während dieser immer noch den Blick durch sein Fernglas auf die in wilder Formation vorrückenden Chaos-Kultisten hielt. Der Scharfschütze neben ihm – sein Freund Harkon Pierce – gab gerade wieder einen Schuss ab, der wenige Augenblicke später den Schädel eines Kultisten in eine Wolke aus Blut, Knochensplittern und Hirnmasse verwandelte. „Hier Adler. Feindeinbruch bei Position Alpha. Alle Tle Adler weichen auf Position Delta aus. Luchs hält Stellung und weicht auf Befehl aus, kommen!“, im Hintergrund der Komübermittlung waren Schüsse und Detonationen zu hören. „Hier Luchs. Verstanden, kommen!“ gab Obergefreiter Mantris zurück und mit „Adler, Ende!“, war alles gesagt was für die nächste Phase dieser unglücksseligen Gefechtspatrouille nötig war. „Also keinen Stellungswechsel, Dev? Halten und Sterben? Der Imperator beschützt!“, zischte Harkon und wechselte sein Magazin. „Der Imperator beschützt! Hast es erfasst, Kumpel.“, gab Dev, der jetzt anstatt seines Fernglas zur Zielortung für Harkon, sein 2-1er in Anschlag brachte.
In den folgenden Minuten konnten die beiden gut getarnten Soldaten die Absetzbewegung ihrer Kompanie verfolgen und gaben mit in rascher Folge abgegebenen Schüssen dieser die Möglichkeit ohne größere Verluste „Delta“ zu erreichen. Allerdings gelang es Harkon und Dev nicht unentdeckt zu bleiben. Kurz nachdem sie von ihrem Chef den Befehl zum Stellungswechsel erhalten hatten, hatten mehrere Kultisten ihre Stellung unter starkes Feuer genommen und andere arbeiteten sich gegen sie vor. Harkon feuerte immer wieder sein Gewehr mit gut gezielten Einzelschüssen ab, die, wenn sie auch oftmals nicht töteten, den Feind jedoch immer wieder in Deckung zwangen. Auch sein Freund Dev Mantris schoss mit seinem 2-1er, wobei er aber immer öfter Feuerstöße auf die Näherkommenden abgeben musste. Plötzlich spürte Harkon von rechts eine Hitze wie sie in der Hölle des Chaos sein musste. Er drehte seinen Kopf um und konnte gerade noch sehen wie ein Chaos-Kultist mit einem Flammenwerfer-Nachbau erneut auf ihn zielte. Durch den Schock und die starken Schmerzen gelang es ihm nicht mehr sein Gewehr herumzureißen und den Angreifer niederzumachen. Er verlor fast das Bewusstsein und konnte nur durch rote Nebel vor seinen Augen wahrnehmen, wie Dev wütend aufschrie und sein restliches Magazin auf den Flammenwerfer-Kämpfer leerte. Noch während die zuckenden Überreste des Angreifers auf den Boden fielen, wurde Harkon hochgehoben und Dev schleppte ihn auf den Schultern von ihrer Feuerstellung weg. Sein Bewusstsein schwand immer mehr und eine angenehme Dunkelheit legte sich über Harkons Verstand …
… Harkon erwachte in einem warmen Bett, konnte jedoch nichts sehen. Vorsichtig versuchte er an seinen Brustkorb zu fassen, doch dieser war fest in Bandagen gewickelt. Seine Augen waren mit medizinischem Klebeband verpflastert. Tropfe und Monitorkabel waren großzügig an Armen und Brust verankert, und in Mund und Nase steckten größere, dickere Schläuche. Die Stimme seines Kameraden Dev war zu hören, der sich anscheinend mit einem Truppenarzt stritt. Alles was Harkon sonst wahrnahm waren Gerüche und Geräusche des Lazarettes, die er in den nächsten Wochen als Teil eines langen schmerzlosen Albtraumes verinnerlichen sollte.
„Obergefreiter Pierce? Sie können sich jetzt im Zimmer des Herrn Stabsarzt zur Untersuchung melden!“, Harkon schreckte aus seinen düsteren Erinnerungen hoch und befolgte die Anweisungen des untersetzten Sanitätsunteroffiziers.
„Niemand weiß besser als ein Soldat, dass der Frieden kein kostenloses Geschenk ist, sondern dass man bereit sein muss, etwas für ihn einzusetzen. Das ist es, was der Soldat tut, nicht allein und primär für sich selber, sondern für den Gott-Imperator und das Imperium im Ganzen.“
Ricard von Wisker, Departmentum Monitorium
Harkon hatte die leidige Untersuchung im Sanitätsbereich der Kaserne überstanden und begab sich anschließend auf die ihm zugeteilte Mannschaftsstube. Als er die Stube betrat hatte er die 4 – mehr schlecht als recht gemachten – Betten wahrgenommen. Zwei Weitere Betten waren noch unbezogen. Offenbar waren auf dieser Stube bis jetzt nur 4 Soldaten untergebracht und er hoffte, dass neben ihm auch sein Kamerad Dev hier einziehen würde. Aber Harkon wusste, dass Dev sich noch nicht zum Dienst in der 10. gemeldet hatte. Er begann sein Bett korrekt und wie mit dem Lineal gezogen herzurichten. Anschließend baute Harkon der Vorschrift entsprechend seinen Spind und begann dann Dienstanzug gegen Feldanzug zu tauschen. Gerade als er seine Stiefel geschnürt hatte, trat einer der Geschäftszimmersoldaten in die Stube. Der Hauptgefreite schaute herablassend auf Harkon und sagte süffisant: „Was trödelst du hier herum OG? Weißt du nicht, dass du dich bei der Wache zu melden hast? Direkter Befehl vom Spieß! In fünf Minuten bist du da oder wir beide bekommen ein Problem miteinander, verstanden?“. Da hatte also der Kompaniefeldwebel seine Lakaien schon angespitzt, dachte Harkon und erhob sich ergeben. Trotzdem blickte er den lässig in der Tür stehenden Soldaten an. Dieser Hauptgefreite sah so aus als hätte er seine gesamte Dienstzeit nur in Schreibstuben verbracht. Seine Uniform und Stiefel wirkten nahezu neu und ihm fehlten in seinem jungen Gesicht die „alten Züge“, die jeder bekam der einmal im Kampf dem Tod begegnet war.
Harkon verzog die Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln, nahm sich sein Barett, Koppel, Helm und
Begab sich zur Wache. Dort meldete er sich bei dem Wachhabenden, ein älterer Unteroffizier aus der 10. Kompanie.
Im Verlaufe der Nacht entstand ein kameradschaftlicher Ton zwischen Harkon und den anderen Soldaten der Wachmannschaft. Der Uffz erwies sich als redsamer Mann, der aber schon einige Einsätze auf dem Buckel hatte und so Harkon glaubwürdig erschien. Während Harkon und der Uffz in der letzten Schicht zusammen im Wachhaus saßen fragte dieser unvermittelt: „Sach ma, OG, wo kommst denn eigentlich her? Scheinst mir hier in der Makropole etwas fehl am Platz zu sein?“ Harkon sah von dem Auspex-Monitor auf, den er gerade überwachte. „Das scheint mir auch manchmal so.“
Der 12-jährige stellte den Regler für die Bewässerungsanlage des großen genmanipuliertes Getreidefeldes aus. Vielmehr hieß das, dass er einen Kuhfuß in das Drehrad gesteckt hatte und sich mit all seiner Kraft gegen das Metall legte, um es Stück für Stück in die gewünschte Richtung zu bewegen. Solange er denken konnte musste der Junge auf der Gen-Farm seines Vaters helfen; jeden Tag, immer wenn die Schule vorbei war, bis spät in den Abend hinein. „Komm rein, Harkon!“, rief sein Vater. „Für heute reicht es. Wir wollen essen.“, Harkon beendete sein Werk und richtete sich auf. Während er sich den Schweiß mit einem Tuch aus dem Gesicht wischte, konnte er die anderen Jungen aus seiner Klasse sehen, wie sie im Wasser des an der Farm vorbei fließenden Flusses mit selbstgebauten Flößen vorbeifuhren. So was machte bestimmt viel Spaß, dachte er dabei und ging in das kleine Farmhaus. Nachdem er sich gewaschen hatte setzte er sich zu seinen Vater an den Tisch und sie begannen schweigend den einfachen Eintopf zu essen.
Ein anderes Leben kannte Harkon nicht; nur er und sein Vater und die harte Arbeit nach der Schule. Seine Mutter hatte er nie kennen gelernt, sie war kurz nach seiner Geburt gestorben. Auch über seinen Vater wusste er im Grunde wenig. Nur ein paar Gegenstände, die sein Vater in einer Metallkiste in seinem Zimmer aufbewahrte. Harkon hatte sich schon oft hierher geschlichen und sich die Sachen angeschaut. Zum einen, weil in der Kiste auch ein Foto von seiner Mutter lag und zum anderen, weil die Erinnerungsstücke seines Vaters das natürliche Interesse von Jungen in seinem Alter weckten. Es gab unter anderem eine Schachtel mit vielen Orden auf den oftmals ein Adler abgebildet war, aber auch viele Holobilder, die seinen Vater in einem Kampfanzug und mit einem Gewehr bewaffnet zeigte. Insbesondere der lange Dolch war für Harkon immer wieder faszinierend. Er wies viele Scharten auf und war an einigen Stellen dunkel angelaufen.
Wenige Monate später war sein Vater gestorben. Der Arzt sagte, dass er an alten, nie richtig verheilenden Verwundungen gestorben wäre. Harkon konnte das nicht einordnen und es war ihm auch egal. Er wusste nur, dass er jetzt niemanden mehr hatte. Auf der Beerdigung, bei der nur Harkon und ein alter Freund seines Vaters anwesend waren, sprach ein Priester die Gebete. Der Priester erwähnte immer wieder eine Gott-Imperator auf einem goldenen Thron von Terra und das alles seinem Willen entsprechen würde. Nach Ende der Zeremonie legte der Freund seines Vaters seine Hand auf Harkon Schulter. Man hatte Harkon gesagt, dass er von jetzt an bei diesem Mann wohnen würde, so hätte es sein Vater vor seinem Tod bestimmt.
„Sie werden sich um den Jungen kümmern, Hauptfeldwebel?“, ein Mann in einer schönen Uniform mit vielen Auszeichnungen war unbemerkt hinter den alten Mann und Harkon getreten. „Das Hauptfeldwebel können sie sich sparen, Kommissar. Diese Zeiten sind lange vorbei!“, antwortete der Angesprochene und drehte sich um. Auch Harkon betrachtete den Fremden und blickte in dessen hartes Gesicht. „Und ja, ich kümmere mich jetzt um ihn!“. Der Fremde lächelte kalt. „Gut, sie wissen ja der Imperator kümmert sich um seine verdienten Soldaten. Wenn sie wollen könnte ich dafür sorgen, dass der Sohn des Oberst eine gute Ausbildung erhält.“ Als Antwort erhielt er aber nur ein Kopfschütteln. „Nein, ich und meine Frau werden ihm eine neue Heimat bieten! Außerdem werde ich Harkon schon beibringen was er wissen muß.“ Der Fremde zuckte mit den Achseln. „Wenn sie den Befehlen des Herrn Oberst immer noch folgen wollen – ihre Sache. Ich habe nur meine Pflicht erfüllt und ihnen das großzügige Angebot des Imperiums gemacht." Ohne weitere Worte wandte sich der Fremde ab und ging. Harkon und der alte Freund seines Vaters sahen sich lange an. „Ich glaube ich habe dir noch viel zu erzählen, Harkon. Aber jetzt wollen wir erstmal zu Minna. Sie wartet bestimmt schon mit was Tee und Gebäck …"
Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt.
Ordensmeister Stein, Adeptus Astartes
Auf der Schießanlage des Militärgeländes der PVS herrschte rege Betriebsamkeit. Harkon hatte sich einer zum Schießen vorgesehene Abteilung angeschlossen. Einer der Lakaien des Kompaniefeldwebels hatte ihn abgefangen nachdem er von seiner Wachschicht zurückgekehrt war. Der „Spieß“ hatte ihm ausrichten lassen, dass der Obergefreite Pierce heute für das Schießen eingeteilt wäre und ob er denn die Güte hätte sich auf der Schießbahn einzufinden. Der Transport wäre bereits vor einer halben Stunde abgefahren. Der Überbringer der Nachricht, ein wieselgesichtiger Gefreiter, hatte verschlagen gegrinst als er selbstsicher sie Nachricht seines „Spießes“ um „Na da musst du wohl laufen, was!“ Harkon hatte in den letzten 48 Stunden nur 2 oder 3 Stunden geschlafen.
Die anderen Soldaten unterhielten sich gedämpft oder rauchten. Die Anlage auf der das Schießen stattfinden sollte, war keine normale Schulschießanlage. Heute war vorgesehen, dass jeder Schütze einzeln einen Durchgang auf einer Geländekampfbahn absolvierte. Die dafür vorhandene Strecke wies einen kleinen Pfad auf, der sich durch ein Tal am Rande des Schießgeländes schlängelte. Es gab hier viel Geröll und größere Steinbrocken. Der Bewuchs war relativ spärlich, aber immerhin wuchsen einige Büsche und es gab hier und da kleinere Baumgruppen. Offenbar hatte vor langer Zeit ein Bach dieses Wadi in den Boden gespült.
„Rauchen Einstellen, Männer!“, plärrte ein Feldwebel zu den wartenden Soldaten herüber. „Es geht los. Als erstes wollen wir mal sehen was unser Neuer so drauf hat. Obergefreiter Pierce, vortreten, Gefechtsbereitschaft herstellen und melden!“, Harkon tat wie ihm befohlen worden war, aber seine Gedanken hingen Zeiten hinterher, die schon lange der Vergangenheit angehörten. „Obergefreiter Pierce, klar zum Gefecht!“, meldete Harkon automatisch. Mit einer einladenden Handbewegung gab der Feldwebel die Bahn frei.
„So mein Junge, dann wollen wir mal!“, sagte der alte Mann bei dem Harkon seit dem Tod seines Vaters lebte. In den letzten Tagen hatte er nicht nur den Tod seines Vaters verarbeiten müssen. Er hatte zudem erfahren, dass sein Vater einst als Offizier in der Imperialen Garde gedient hatte und sich nach dem Ausscheiden aus dem Dienst zusammen mit einem Hauptfeldwebel – seinem Freund und Waffengefährten – auf Koron III niedergelassen hatte. Erst jetzt konnte er den „Schatz“ seines Vaters, den Harkon als Erinnerung mitgenommen hatte, richtig zuordnen. „Hast du schon einmal ein Gewehr in der Hand gehalten?“, fuhr der Alte fort. Harkon schüttelte den Kopf. „Dann werde ich dir mal beibringen wo das gute und wo das schlechte Ende ist. Du musst es so halten. Siehst du?“ Der alte Kämpfer begann in den folgenden Wochen und Monaten damit Harkon das Schießen beizubringen. Auch nahm er ihn auf viele Jagdzüge mit und zeigte Harkon, wie man sich im Gelände bewegen musste, wie man sich dem Wild nähert und das nur der geduldige Schütze auch sein Ziel präzise treffen kann. In dieser Zeit lernte Harkon viel über solche Dinge. Wahrscheinlich, so dachte Harkon, wollte der Alte ihn von den Gedanken an den Tod seines Vaters und dem Gefühl der Einsamkeit ablenken. Wahrscheinlich konnte er es nur auf diese Art. Zu dieser Zeit begann Harkon aber auch sich weiter in sich zurückzuziehen. Altersgenossen mied er in der Regel und selbst zur Schule ging er nur noch selten. Solche Dinge kümmerten seine Pflegeeltern nur wenig. Einzig das Lesen schien Harkon für eine gewisse Zeit auszufüllen. Er konnte sich in die Geschichten hinein zu versetzten und wurde oft genug selber zum Protagonisten der Geschichte.
Eines Tages fand Harkon eine alte zerfledderte Buchreihe über die Imperialen Streitkräfte und las diese begierig und immer wieder, bis sie fast auseinander fiel. In der Folge begann er sich immer tiefer mit dieser Materie zu beschäftigen. Auch das was sein Pflegevater ihm beibringen konnte, interessierte ihn immer mehr. Nur seine Pflegemutter schien besorgt zu sein über seine neuen Interessen. Sie gab Harkon immer wieder auch andere Literatur zu lesen. So verlangte sie von ihm, dass er sich auch mit dem Gott-Imperator der Menschheit, der heiligen Sabbat oder der Geschichte des Imperiums beschäftigte. Für die anderen Jugendlichen in seinem Alter wurde er immer mehr zu einem Außenseiter. Seine freie Zeit verbrachte Harkon immer öfter alleine. Oft machte er mehrtägige Streifzüge durch die karge Wildnis. Seine Pflegemutter redete damals oft von seiner Selbstfindung. Die Jahre vergingen immer so weiter und es drängte ihn immer mehr in eine bestimmte Richtung.
Als Harkon 18 Jahre alt wurde, nahm sein Pflegevater ihn mit nach Ghomor und setzte ihn vor der Gammarai-Kaserne der PVS ab. „Ab hier musst du deinen Weg alleine gehen, mein Junge. Vielleicht findest du hier deine Heimat.“ Der Alte reichte ihm die Hand und als Harkon sie ergriff, sagte er: „Aber eines lass dir gesagt sein: Sei nicht enttäuscht wenn du sie nicht hier und nicht gleich findest. Vielleicht erst in vielen Dekaden fern dieses Planeten … mit den Narben eines Lebens nahe am Tode gezeichnet.“ Harkon nickte stumm. „Die Zeit ist Euer; was sie sein wird, wird sie durch Euch sein!“ Der Alte ließ seine Hand los und wendete sich langsam ab. „Weißt du wer das gesagt hat?“, fragte er im Gehen. „Nein!“, antwortete Harkon. „Es war dein Vater. Oberst Vernom Pierce, Kommandeur des 333. cardianischen Infanterieregiments.“ Er war schon einige Schritte entfernt, als er sich noch mal umdrehte. „Ich denke wir werden uns wohl nicht mehr wieder sehen, mein Junge!“
„Obergefreiter Harkon Pierce. Melde Ausführung. Waffe entladen, Patronenlager frei, entspannt und gesichert, Herr Feldwebel!“ Der angesprochene sah zunächst verblüfft seine Stoppuhr und den Monitor mit der elektronischen Trefferaufnahme an, dann den Obergefreiten. „Wirklich erstaunlich, Obergefreiter. Neuer Bahnrekord. Zeitlich, wie auch im Trefferergebnis.“ Er beschloss, dass diese Einheit ihn mal kreuzweise konnte.
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Zusammenfassung
Name Harkon Pierce
Rasse Mensch
Alter 27
Aussehen 1,80m groß, blonde kurze Haare, blau-graue Augen, drahtiger Körperbau
Brandnarben auf der rechten Oberkörperseite und am Hals
Herkunft Koron III – Herdengild Metropolis
Zugehörigkeiten PVS (10. Kp)
Rang Obergefreiter
Fähigkeiten Hervorragender Schütze, Orientieren, Tarnung, miserabler Nahkämpfer
Ausrüstung PVS-Grundausstattung, PVS-Feldausrüstung, Ghillie Suit, Kampfgewehr 2-1, Zieloptik für das G 2-1, Bajonett, Metallkiste mit Erinnerungstücken an seinen Vater, 125 Schekel