Koron III
Kombüse der Schürfstation Beta Sept., Erholungsebene (Ü18) - Druckversion

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- Ayris - 07-28-2008

Ayris blinzelte das Tränenwasser weg, welches ihr in die Augen stieg nachdem der chemische Prozess von gespaltener Aminosäure und katalytisch fungierenden Alliinase ihre Sehnerven reizte und der Tränenfluss den reizenden Stoff wieder auszuschwemmen gedachte. Für gewöhnlich war sie nicht der Typ der bei jedweder Gelegenheit heulte, genau genommen gehörte schon wirklich eine Menge dazu bis sich eine Grover den Zähren hingab, vor allem wenn man sich besann was ihr schon alles widerfahren war, doch es existierten Ausnahmen. Zu weinen galt gemeinhin - auf einer drittklassigen, verpesteten Welt wie Koron III - als ein Zeichen von Schwäche, wer dies tat war ein Loser und sicherlich bald tot weil er mit den rauen Bedingungen des „Lebens“ die hier diktiert wurde nicht klarkam. Bei jüngeren Neulingen konnte man diesen Entwicklungsgang zur Genügen beobachten. Die meisten von denen überstanden nicht einmal den ersten Monat in den Minen. Viele beendeten es sogar vorzeitig selbst. Nicht bereit dem Elend der Galaxis weiterhin dienlich zu sein und auf den nächsten Stolleneinbruch oder Grubenwurm zu warten der den erlösenden Tod bescherte.

Doch Ayris zählte nicht mehr zu diesen Verlieren, nicht mehr zu diesen „Frischen“. Ihr Aufenthalt auf der Makropolwelt – die gleichermaßen eine Bergwerkswelt hätte sein können, da sie noch nichts anderes von ihr gesehen hatte - belief sich zwar erst auf knapp sieben Monate, dennoch hatte jene Zeit ausgereicht das sie sich bereits fühlte wie der Großteil der hiesigen Verdammten. Gebraucht und vergessen. Aber noch nicht verbraucht wie sie sich stets dran erinnern musste wenn sie des Nachts schlaflos in ihrer Zellenkoje oder dem weicherem Bett eines anderen lag.
Auch wenn ihre Lage ziemlich hoffnungslos war von diesem Felsbrocken runterzukommen, so war sie doch längst nicht so erbärmlich dran wie die Arbeiter oder manche der anderen Frauen des Küchenpersonals. Sie genoss im Gegensatz zu ihnen ein Mindestmaß an Privilegien und Vorzügen und das verdankte sie nur einem Mann, einem Mann den sie auf ihrem Heimatplaneten wahrscheinlich in formschöne Stücke gesprengt hätte. Aber hier war einer der wichtigen und somit - für sie - richtigen Männer. Einer der Männer, welche etwas zu sagen hatte in der Schürfstation Beta Septimus wie sich dieser Komplex, indem sie alle gefangen gehalten wurden, nach imperialer Bezeichnung nannte. Das sie mit einem Offizier verkehrte, ausgerechnet einem ziemlich hoch gestellten (zumindest hier draußen in der Einöde) hatte ihr oft den Spott und Neid der anderen Insassinnen eingebracht, wann immer es ihnen möglich war ließen sie Ayris ihre Abneigung spüren, auch viele der Arbeiter schimpften sie eine Kolloborateurin und machten ihr das Leben schwer, doch sie alle fürchteten sich vor Bestrafungen, sollte ihr etwas zustoßen und hielten demgemäß einen respektablen Abstand.

Ayris wusste das sie momentan die Favoritin des Oberstleutnants war und das ihr dies überaus zugute kam, aber zugleich ängstigte sie sich schon vor dem Tag an dem er sie von seiner Bettkante stoßen und eine andere, „frischere“ erwählen würde. Ab diesem Tag an würde sie Freiwild sein und nichts und niemand würde sie mehr vor der Rachsucht und Gehässigkeit der Arbeiter schützen können. Trotz das sie in dem Imperialen nicht mehr als ein Schwein sah, musste sie sich bemühen ihm zu gefallen und ihn immer wieder aufs Neue zu überraschen um nicht seine Gunst zu verspielen. Sie hasste und verachtete sich für diese Unterwürfigkeit und Speichelleckerei selbst, doch… so war nun einmal das Leben auf der Insel ohne Wiederkehr, Egir Septimus.

Schale um Schale fiel vor ihr in das Kunststoffgefäß. Wie schon zig Mal zuvor an diesem Morgen nahm sie eine weitere Zwiebel in die Hand, schneidete den Wurzelansatz mit einem eher stumpfen, denn scharfen Messer ab und begann die weißen Schichten der Gemüsepflanze abzuziehen. Daher rührten die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, dennoch war ihr hin und wieder sechsundzwanzig Stunden lang - denn so lang missten die Standardtage auf Koron III – zum weinen zumute. Zu lachen gab es hier nichts. Aber sie begrüßte die Tränen jedes Mal. Das beißende Gefühl in den Augen und das was sie auslösten, zeigten ihr auf das sie immerhin noch nicht gänzlich zum Zombie geworden war. Ihr Körper war noch zu emotionalen Reaktionen fähig. Zwar waren diese Tendenzen bis auf einen Restbestand zurückgeschraubt worden, aber sie waren noch vorhanden. Es tat gut hin und wieder etwas zu spüren.

Na sie mal einer an, die Grover hat’s her verschlagen. Und das schon zu so früher Stund’. Was ist los mit dir Püppi? Keine Feldmatratze zum schlafen mehr gefunden? Oh, ich vergaß, du erfüllst ja für gewöhnlich den Zweck der Matratze. “ flötete eine schmähsüchtige Stimme durch die Kombüse, die um diese Zeit noch unbesetzt war, da die Frauen die hier für gewöhnlich ihren Dienst verrichteten andernorts wie zum Beispiel der Reinigung eingesetzt wurden.
Ayris kannte diese Stimme gut. Ihrer Besitzerin wünschte sie von Zeit zu Zeit die Uhlrens Pocken an den Hals. „Lucinda, schön dich zu sehen. Wir sind uns ja ausgesprochen lange nicht mehr begegnet, auch du hattest wohl in letzter Zeit viel um die Schen… Ohren oder könnte es damit zusammengehangen haben das ich stets einen großen Bogen gemacht habe wenn ich dein stinkendes Odeur gerochen habe?“ Sie bereitete sich nicht Mühe sich der anderen zuzuwenden, ließ sie weiterhin Löcher in ihren Rücken starren und zuckte bloß mit den Achseln. „Ich weiß nicht recht, irgendwas scheint zu verhindern das die Luft zwischen uns auch nur annährend so etwas wie… rein wird.

Sind wir heute mit dem forschen Bein aufgestanden und einem selbstbewussten Ausdruck im Gesicht ja? “ Lucinda schritt vom Eingang der Kombüse fort und umrundete langsam dem Raum und die in der Mitte drapierten Heizmodule und metallenen Zubereitungstische.
Kaum“ erwiderte Ayris nur Kurzangebunden und war froh darüber ein Messer in ihre Nähe zu haben. Ein stumpfes zwar, aber auch damit konnte man lästigen Ratten den Garaus machen. Ungetrübt knibbelte sie weiter die Ummantelungen einer Zwiebel ab. Bald darauf hatte die braunhaarige Lucinda sie erreicht, das bleiche Orange ihres Overalls leuchtete wie eine verdorrte Orange an ihrem Augenrand.
Pff, du hältst dich wohl für ganz schlau und durchtrieben was? Denkst, nur weil du den aalglatten Fisch von Terra fickst, wärst du etwas Besseres als wir was?“ Die übliche Litanei, wie oft hatte sie sich das schon aus verschiedenen Mäulern anhören müssen. Die hämische „Kollegin“ lehnte sich dicht neben sie an die in der Wand justierte Arbeitsplatte und griff nach einer Locke von ihrem schwarzen Haar. Sofort schüttelte Ayris die grapschende Hand fort, als wäre sie ein widriges Insekt. „Oh, Entschuldigung du Hure. Wollte nur mal fühlen wie weich sie sind. Fühlen sich toll an, ist das Zeug von ihm? Bestimmt, woher sonst solltest du so etwas kriegen. Eine richtige Pflege-Kur…“ Lucinda biss sich auf die Unterlippe und verdrehte verträumt die dunklen Augen. „Kann mich gar nicht mehr entsinnen wie lange es her ist das ich so was benutzen durfte. Ist es in deiner Zelle oder bei ihm? In deinem Spind? Du könntest mal anfangen zu teilen, würde dir sicherlich ein paar Pluspunkte einbringen die du bitter nötig hättest Schätzchen. Oder willst du dass ich und einige der anderen mal einen kleinen Streifzug unternehmen und dich besuchen kommen?"

wird noch fortgesetzt


- Ayris - 08-01-2008

Du redest zuviel Lucinda.“ unterbrach sie die Azazernerin nur knapp. Ihre Augen waren mittlerweile wieder vollkommen trocken. Der Auftritt dieses Weibstückes hatte den Moment der Ruhe und Emotion abgerissen und nachhaltig gestört. Nicht unbedingt etwas auf das Ayris gut reagierte. Die Tränen waren heilsam für die Seele gewesen.

Ach tue ich das ja?“ antworte die Lucinda Wynn nur lasziv und beugte sich dann ein wenig zu ihr herüber. „Stört dich das? Umso besser. Und weißt du noch was, es ist mir scheißegal.“ Das letzte Wort trällerte sie fast. „Aber soll ich dir etwas sagen Liebes? Die Zeit wird kommen an der du fällig sein wirst und dann werde ich da sein und dir den entscheidenden Tritt nach ganz unten verpassen. So habe ich es bisher mit allen von deiner Sorte gemacht du verwöhnte kleine Edelnutte.

Jetzt war es an Ayris sie kurz von der Seite anzuschauen und ein flüchtiges Grinsen zu entblößen. „Sag mal liegt es wirklich an mir oder du bist du nur so sauer weil er dich schon vor Jahren aus seinem Bett geworfen hat?

Lucindas Augen wurden groß und ihre Lippen versiegelten sich zu einer straffen, blutleeren Linie, ehe sie sie wieder auseinanderzwängte und keifte: „Halt dein verlogenes Mundwerk! Dein überhebliches Gehabe wird dir noch Leid tun. Ich werde dich persönlich in die Gruben werfen zu deinen Spielkameraden! Ich werde dir jetzt etwas über Oberstleutnant Tybalt Valdred Drauwulf erzählen, nicht etwa wie toll und groß sein Schwanz ist von dem er immer behauptet es wäre keine Mutation, sondern von seinem Wesen! Wenn er tatsächlich so etwas haben sollte, denn jenes ist total verkümmert und bar jeder menschlichen Empfindung. Gut, er mag grunzen und stöhnen wie jeder andere Kerl wenn er kommt, aber ansonsten ist er kalt und tot wie… das verdammte Universum selbst. Du bedeutest ihm nicht das Geringste, du bist nicht mehr als ein momentaner Zeitvertreib, etwas woran er seinen Druck ablassen kann… und wenn er deiner überdrüssig geworden ist weil er ein anderes Ventil gefunden hat… dann, dann ist meine Stunde gekommen.

Lucindas vor inniger Erregung gesprochene Worte sickerten in Ayris Verstand. Zunächst verschloss sie sich gegenüber der Wahrheiten die sie beinhalteten, doch je mehr sich die andere in Rage redete umso mehr musste sie sich eingestehen wie sehr sie sich selbst an eine Lüge klammerte. Lucinda hatte diesen Fall bereits hinter sich, sie hatte das Kapitel das ihr erst noch bevorstehen würde, schon abgeschlossen und hinter sich gebracht, hatte es sogar geschafft sich wieder aufzuraffen. Ayris zweifelte ernsthaft daran ob ihr gleiches gelingen würde. Sie hatte nur einen Handvoll Bekanntschaften unter der „Belegschaft“ die sie annäherungsweise als Freunde bezeichnen konnte. Wut kochte in ihr hoch, geboren aus einem Gefühl der Hilflosigkeit, die sie eigentlich nicht verspüren oder dulden wollte. Und sie entlud sich. Unversehens ließ sie die derzeitig bearbeitete Zwiebel fallen, griff sich das Messer und fuhr zu Lucinda herum, deren boshafter Gesichtsausdruck von einem zum anderen Moment einfiel, als sie die zornige Entschlossenheit in Ayris Miene erblickte.
Sie stolperte vor der Klinge zurück und hob beschwichtigend die Hände vor den Leib. „Warte… Ayris Liebes, das möchtest du doch nicht wirklich tun oder? Mich hier einfach so abzustechen… das passt gar nicht zu dir… und außerdem würde dir das gewiss Ärger mit Garigan einbrocken… du weißt er mag es gar nicht wenn sich seine Gehilfinnen an die Gurgel gehen…

Was ein glanzloses Messer und ein eisiger Blick alles auszurichten vermochten, verwunderte Ayris nicht zum ersten Mal. Scheinbar bekam sie es ganz gut hin den unversöhnlichen Racheengel zu spielen während sie strengen Schrittes auf die zurückweichende Lucinda zuhielt und dabei drohend das Schneidewerkzeug mit ihrer Faust fest umschloss.

Nanu? Warum plötzlich so furchtsam Luci? Du weißt das mir Garigan am Arsch vorbeigeht… der Kerl traut sich nicht mal den Schritt zu kratzen wenn einer der Sergeants am Ausgabebereich erscheint, wie kommst du also darauf das er mir, der imperialen Hure des Oberleutnants etwa antun könnte, was ihm letzten Endes eventuell selbst den Kopf kosten könnte? Soviel Mumm hat er doch gar nicht… er ist ein Kriechtier erster Güte mit Qualitätssiegel des Adeptus Administratum auf dem Hintern. Er würde nie auch nur den Gedanken hegen mich anzufassen…

Selbigen Weg den sie beschritten hatte um zu Ayris zu gelangen, strauchelte die brünette Frau nun wieder zurück, ihr Augen zuckten dabei hin und her wie die eines gehetzten Rehs das sich in die Enge getrieben fühlte. Keine Spur mehr von der Arroganz und Anmaßung der vorherigen Minuten. „Ayris… du begehst einen schweren Fehler… wenn du mich abmurkst bist du bald darauf selbst dran! Unterschätze nicht meine Stellung hier… andere werden mich rächen…

Plumpe Ausflüchte, du bist ebensoviel wert wie ich, nichts. Wir beide sind Abschaum, im Augenblick habe ich bloß das Glück „benötigter“ Abschaum zu sein im Gegensatz zu dir. Dich wird niemand vermissen, niemand rächen… deine Leiche wird auf der Müllhalde landen und dort werden die Staubstürme dir binnen weniger Tage Haut und Fleisch von den Knochen schaben… und die Knochen werden irgendwann porös werden und vergehen… du siehst, ein einfacher Kreislauf.“ Mehr hatte sie der furchtvollen Lucinda nicht zu sagen, deren Gesicht bei diesen Worten noch kreidebleicher wurde, als ohnehin schon.

Du bist ja völlig… durchgedreht!“ kreischte diese plötzlich los, wirbelte herum, schnappte sich einen voluminösen Stahltopf von einer Ablage und schleuderte in die Richtung der Messerträgerin. Ayris riss einen Arm hoch und wich zur Seite aus, das Behältnis prallte ab und krachte laut scheppernd auf dem Boden. Das Geräusch war noch nicht verklungen, da setzte sie schon über die Bescherung hinweg und stieß mit der Waffe nach der verachtenswerten Widersacherin. Das diese unbewaffnet war, machte Ayris nichts aus und ließ sie erst recht nicht zögern. Sie war sicher, Lucinda würde mit ihr in gleicher Position ebenso wenig zimperlich umspringen. Das Messer zischte durch die Luft, durchtrennte Stoff und schnitt über weiches Fleisch. Ein Schmerzensschrei entfuhr der Kehle der Getroffenen und Sekunden später lag sie sie mit aufgeschlitztem Bauch auf den Metallplatten und hielt sich zitternd die Hände vor die klaffende Wunde.

Ayris schaute unbewegt auf die Schwerverletzte herab, als könne sie das Bild was sich ihr darbot nicht so recht begreifen. War das tatsächlich sie gewesen? Hatte sie dermaßen die Kontrolle über sich verloren? War der Zorn in ihr inzwischen so gewaltig dass sie sich von einem Moment zum nächsten in eine Mörderin verwandeln konnte?

Was bei der Sonnenfinsternis von Altonis geht hier vor? “ bohrte sich jäh eine zusätzliche Stimme in ihr Hirn. Korporal Dennigham. Er musste den Radau wohl vernommen haben. Ayris versuchte sich an den Dienstplan zu erinnern, zählte eins und eins zusammen. Fünfter Tag der Woche, heute hatte er die Wachaufsicht. Das war nicht gut. Dennigham war ein brutaler und rücksichtsloser Schweinehund. Sie hatte sich noch nicht gänzlich aus ihrer gedanklichen Trance befreit, da packten sie auch schon schraubstockartige Hände und verrenkten ihr derart grob das Gelenk dass ihr das Messer umgehend aus den Fingern fiel. Anschließend trat ihr jemand in die Kniekehlen das sie aufschrie und sie einknicken ließ. Kaltes Eisen schnappte um ihre Gelenke zu und quetsche ihre Haut. Ein Griff in die Haare und am Kragen ihres Overalls zwang sie wieder auf die Füße und manövrierte sie dann umbarmherzig aus der Kombüse hinaus. Der Begriff des Morgengrauens schlich sich in Ayris Sinn und sie maß ihm eine neue Bedeutung bei.

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