Koron III
Kommandodecks, Habitatio Praefectus, Obere Ebenen - Druckversion

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- Ayris - 02-13-2009

Oberstleutnant Tybalt Valdred Drauwulf kochte vor Wut. Nach außen hin explizierte nicht ein Merkmal auf sein aufgewühltes Gemüt hin und er gab sich wie eh und je ruhig und besonnen, doch wer ihn näher kannte, mit ihm das zarte Band intimen oder kameradschaftlicher Freundschaft teilte, der vermochte den schwelenden Brand in seinen stechend blauen Augen zu erkennen, der Freunde und Bekannte, aber auch niedere Befehlsempfänger, Abstand und Achtsamkeit gelehrt hatte. Jenes hintergründige, gehaltvolle Funkeln mahnte sie das ihr kommandierender Offizier nicht bei idealster Laune war und es ihrer Gesundheit oder Dienstakte abträglich gegenüber wäre ihn in solchen „Phasen“ irgendwie zu stören oder anderweitig auch nur in seinem Umfeld zu sein. Eben aus diesem Anlass heraus war es auch nicht ausnehmend absonderlich das Bystran Nicabre, Oberfähnrich und ausgewählter Adjutant, des „Reißers von Terra“ sich am liebsten in sein Quartier zurückgezogen und Schadensberichte oder anderweitige Inspektionen vorgenommen hätte, statt nun mit seinem Vorgesetzten in denselben Gemächern zu verweilen. Er konnte nicht umhin zu behaupten wie stolz er war, die außerordentliche Ehre auf sich zu wissen, der persönliche Adjunkt des Befehlshabers von Beta Septimus geworden zu sein, er mochte die Vorzüge und Rechte die diese Anstellung mit sich brachte, hin du wieder selbst denen auf die Finger klopfen zu können, die Rangmäßig über ihm standen oder wesentlich diensterfahrener waren als er und sich stets altklug gaben und ihn belächelten. Bei jenen Gegebenheiten musste er nur einen Namen in den Mund nehmen (in den überwiegenden Fällen war dies nicht einmal vonnöten) und er war plötzlich der wichtigste Mann im Raum, der alle nach seiner Pfeife tanzen lassen konnte.

Wie gesagt das waren die Privilegien seines Amtes, aber da existierten natürlich auch Abstriche. Eine dieser Schmälerungen waren die temporär auftretenden Stimmungsschwankungen seines Kommandeurs, die vielfach absolut unangekündigt zutage gefördert wurden und auf einer Skala zwischen 3-7 zu messen waren (ja, Bystran hatte ein eigenes Richtmaß für die Unausgeglichenheit des Oberstleutnants erfunden), dies wurde hervorgerufen durch kleinlichere Nebensachen wie Verletzungen der Dienstvorschriften, Arbeiterausfälle durch Stolleneinbrüche oder versalzenen Kantineneintopf, schlampige Reporte der Schichtleiter oder Ausfälle auf technischen Niveau, dem entgegen traten aber auch Ausnahmeerscheinungen auf, die sein inneres Gefüge bisweilen völlig überreizte und ihn wahrlich unausstehlich werden ließen. Heute war so ein Tag, das konnte Bystran eindeutig beurteilen. Doch das Barometer schlug dieses Mal vermutlich nicht nur vollends aus, denn selbst eine 10 erschien dem Unteroffizier als zu gering um den Zorn und die Frustration, die Valdred Drauwulf Aura versprühte abzugrenzen, sondern bammelte irgendwo jenseits allem messbaren. Für ihn - wie auch allen anderen Dingen die sich mit ihm im Zimmer befanden - war dies kein gutes Zeichen.

Behutsam, ohne den zielstrebigen Schritt des Höherstehenden zu kreuzen der auf die Kühleinheit zuhielt, sich aus einem daneben montierten Schrank ein Glas schnappte, jenes auf die sanft bläulich erleuchtete Theke vor sich stellte und es mit einer blutroten Flüssigkeit füllte, platzierte sich der Assistent bei den elliptisch angeordneten Polstersitzen, die die Stirnseite des Raumes in Anspruch nahmen, von wo aus man einen wundervollen Blick auf den grauen Ozean inklusive sich Dunkel verfärbenden Himmel hatte. Als wollte er nicht mehr sein als ein anderweitiges dekoratives Mobiliar, legte er die Hände hinter seinem Rücken übereinander und wartete stumm ab. Wie sich in der Ferne am Horizont eine Unwetterwolke zusammenbraute, hoffte auch er darauf dass die Ruhe vor dem Sturm ihn vor einer plötzlichen Gewaltenentfesselung am ehesten beschützte.

Tybalt nahm einen kräftigen Schluck von dem Eingeschenkten. Leerte das Glas in einem Zug, ließ das Gekostete langsam die Kehle hinab gleiten, genoss Augenblick und Geschmack, um dann nachzugießen und mit dem aufgefüllten zu ihm ans Aussichtsfenster zu treten. Die Konsumierung des Alkohols hatte Wirkung, ein Teil seiner Anspannung fiel von ihm ab wie schwerfälliger Schnee von einem kahlen, wieder erwachenden, kräfteschöpfenden Baum.
Direktor Retamier ist gelinde ausgedrückt außer sich vor Entrüstung und Enttäuschung über das ausnahmslose Versagen meines Kommandos. Er droht mir mit Strafversetzung und disziplinarischen Maßnahmen.“ verließ es plötzlich ruhig und bestimmt seinen Mund während er hinausblickte, das Spiel der Wellen und die dichte Wolkendecke betrachtete.

Bystran Nicabre räusperte sich und legte Bestürzung in seine Tonlage, die er partiell sogar verspürte. Er fürchtete um seinen Posten.
Das sind erschreckende Neuigkeiten. Geradezu katastrophal für sie Herr Oberstleutnant. Beim goldenen Thron und den Allerheiligsten, das werden sie doch nicht einfach so hinnehmen wollen? Der Lord Protector hat doch, mit Verlaub, nicht die kärglichste Kenntnis davon wie schwer und heikel es ist, ein Hochsicherheitsgefängnis wie dieses zu führen. Sie haben sich seit Amtsantritt vor neun Jahren nicht ein Lapsus erlaubt, sondern immer vorbildlich nach den Kodizes des Imperiums gehandelt. Sie waren es der aus diesem…, verzeihen sie die Ausdrucksweise, jämmerlichen Dreckloch wieder einen ernst zu nehmenden Außenposten geschaffen hat. Der Abbau der Erze hat sich in den letzten Zyklen permanent konstant gesteigert, woraus der Direktor gewiss Profit geschlagen hat, hinzu kommt noch das die Quote der statistischen Revolten für solche Anlagen ebenfalls unter den Durchschnitt gefallen ist… die derzeitige Situation außer Acht gelassen. All dies kann er doch nicht einfach so von seinem Tisch fegen und sie für eine einzige… Missetat, von Kriminellen begangen, derart zur Rechenschaft ziehen und versetzen lassen!"

(Fortsetzung folgt)


- Ayris - 02-20-2009

Ein feines Dreieck von dünnen Fältchen umkräuselte die Lippenenden des Oberstleutnants als er der leidenschaftliche Rede seines Attachés lauschte, an seinem Glas nippte und nicht offenbarte ob er dem Wahrheitsgehalt hinter den Worten glaubte oder nicht. „Oh doch das kann er, das kann er.“ antwortete er daraufhin sanftmütig.
Selbstredend werde ich dies nicht hinnehmen. All das was sie aufgezählt haben weiß ich nur selbst zu gut, denn es war mitunter mein Blut und Schweiß den ich für die diese Taten verströmt habe. Als ich vor fast einem Jahrzehnt hier eintraf, erwarte mich hier ein identisches Schlachtfeld wie jenes, das ich zuvor aufgegeben hatte. Unordnung, Disziplinlosigkeit, Pflichtverstöße waren alltäglich, Sträflinge und imperiale Soldaten behandelten einander wie Brüder um sich das elende Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Es herrschten Zustände wie sie in einem Slum der Makropolen gedeihen. Sie hatten die Unterschiede vergessen, vergessen was es ausmachte ein treuer Diener des Imperators zu sein. Sie ließen sich korrumpieren, ließen den Makel in ihre Herzen, den Makel sich mit denen zu versöhnen die dem Lichte abgeschworen hatten. Ein fataler Fehler, ein nicht wieder rückgängig zu machender Fehler. Du weißt noch gut, was in jener Woche nach meiner Ankunft geschah... die ganze Insel stank nach Tod. Der Geruch hing über Egir Septimus wie eine Warnung und sie wurde verstanden. Bis zum heutigen Datum.

Ein verträumter Glanz hatte sich in Tybalts Augen geschlichen, als er auf die ruhmreichen Zeiträume rückblickte, kehrte aber schließlich wieder in die Wirklichkeit zurück.
Ich denke nicht daran diesem aristokratischen Faltenzähler nachzugeben, er beeindruckt mich nicht mit seinen hohlen Drohungen. Außerdem ist er Sprössling einer Familie des Adels hier auf Koron, der erst an sechster Stelle in der Erbfolge steht. So mächtig kann er gar nicht sein, wie er immer beteuert. Und Rückendeckung hat er mir noch nie wirklich geleistet, ebenso wenig wie Unterstützung anderer Art. Soll er meinetwegen in den Mahlstrom gesogen werden, es ist mir gleich.“ Jetzt endlich wandte er sich von dem Ausblick ab und richtete seine Beachtung auf Bystran. Eine seiner Hände zog eine Datentafel aus seinem breiten Gürtel an dem auch der Holster mit seiner silbern verzierten Boltpistole hing und warf sie seinem Adjutanten zu, der sie geschickt auffing. Er diente lange genug unter Draufwulf um seine Reflexe soweit gut geschult zu haben, das er alles aufhielt oder abwehrte was dieser durch die Gegend schleuderte.

Der Unteroffizier verkürzte den Abstand zwischen seinen Augenbrauen und musterte das eingefrorene Bild, welches der Bildschirmausschnitt des Datenblockes zeigte, überflog die faktischen Runenangaben, die Periode der Aufzeichnung und die Zusammenfassung eines Persönlichkeitsprofils. Ihm war das Individuum geläufig, das dort abgebildet war. Er wusste von ihren Besuchen bei seinem Vorgesetzten. Hätte selbst gerne einmal eine Liaison mit ihr in Erwägung gezogen, aber nie den Mut aufgebracht Valdred danach zu fragen. Er teilte für gewöhnlich nicht gern.
Bei den Gebeinen Hieronymus Scathes, sie?“ rief er perplex aus.

Tybalt nickte und strich seine mit schwarzem Leder behandschuhten Handflächen übereinander, als wolle er sie so von der Benutzung des Pads, oder der Informationen darauf, reinigen.
Ja, sie.“ Das letzte Wort zischte und spie er gleichsam.
In all den Jahren ist mir eines nie widerfahren, von einem bin ich stets verschont geblieben, hauptsächlich aus dem Grunde heraus weil ich dachte mein Ruf würde grausam genug sein, das keiner es wagen würde, dergleichen zu begehen. Aber sie hat es herausgefordert, hat es provoziert; sie hat mich verraten!“ Die Endung des Satzes schmetterte durch das Gemach. Der Pegel schoss in die Höhe, das fast erloschene Feuer flammte empor und ließ seine Pupillen unheilvoll glimmern.
Was sie gewagt hat, hat noch kein Lebewesen unter den Sonnen vor ihr gewagt! Bystran, ich habe dieser Frau Dinge ins Ohr geflüstert die ich nicht einmal meiner Gemahlin daheim erzählen würde! Möge der Gottimperator mich verfluchen das ich dies tat, das ich so schwach war, derart ihren weiblichen Reizen erlag, ihrem lieblichen Mund, den kosenden Fingern, ihren schmachtenden Blick… ich wurde weich in ihrer Umarmung. Sie ließ mich träumen. Ich dachte immer ich würde die Trennlinie aufrecht erhalten können zwischen mir, einem Offizier der imperialen Garde, und ihr, einer… Gefallenen. Ich habe mir selbst etwas vorgemacht, mich selbst belogen. Erlag meiner eigenen Täuschung. Und nun ist das eingetreten was nie hätte passieren dürfen. Sie ist fort! Fort, mit allen Geheimnissen die ich ihr im Beischlaf anvertraute. Geheimnisse, die mein geistiges Eigentum hätten bleiben sollen… wäre ich vernünftig geblieben.“ schloss er leise, resigniert.

Sein Untergebener war schier erstaunt von der Herzensergießung des Kommandierenden und dessen Dilemmas. So hatte er ihn noch nie erlebt. Dies war neu. Bot aber sogleich auch eine neue Festigung ihres Verhältnisses. Tybalt war verzweifelt, das war nicht zu übersehen obschon nicht der Lage Untertan. Er zog ihn in sein Zutrauen, nachdem eine andere Person jenes maßlos geschädigt hatte. Der Ruf nach einem Komplizen und wahren Gehilfen. Er wäre nicht so töricht das zu überhören. Es würde sich positiv für ihn auswirken, dem in Komplikation Geratenen zur Seite zu stehen, so oder so.
Ich verstehe Herr Oberstleutnant. Dieses Gefühl der Einsamkeit und der Drang uns anderen mitzuteilen verspüren wir alle einmal, das macht uns zu Menschen. Verdammte Xenos empfinden gleichartiges nicht, es braucht sie nicht zu grämen. Daraus könnte sich nun ein gefährliches Nachspiel ergeben wie sie befürchten, aber sie brauchen sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen, ich werde mich des Problems annehmen und versichere Ihnen, das es in Bälde gelöst sein wird. Wir haben eine Revolte zu verzeichnen und den Ausbruch einiger Strafgefangener, für eine erstrebenswerte Belohnung von ausgewählten bis brillanten Edelsteinen aus unseren Minen könnten wir jeglichen Kopf- oder Blutgeldjäger dies und jenseits der Systems auf die Fährte jener Flüchtigen locken, auf das sie diese delikate Angelegenheit beseitigen.

Blitze zuckten in Tybalt Drauwulfs Augen, wie Reflexionen der aufziehenden Gewitterfront über dem Rand des tristen krausen Meeres. „Die kompetente und korrekte Antwort eines guten, ehrlichen Mannes. Erledigen sie das für mich Bystran und wenn die Sache ausgestanden ist, trinken wir einen auf unser gemeinsames Wohl.