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- Die Stimme - 11-14-2010 Er lächelte. Es war dies krankhafte, sanftmütige Lächeln, dieses, welches man von großherzigen Großvätern gewohnt war. Bleckte zahnlose Lippen, während er sich mit langen, spitzen Fingernägeln darüber strich und weiterhin lächelte. Die Haut auf seinen Kuppen war zurückgewichen, das weißliche, knochige trat darunter hervor, die darüberliegenden Schichten waren dünner denn Pergament, wirkten alt, porös, beinahe bröckelig, während er sein Kiefer knackend zurecht schob. Fließende Bewegungen glichen einer hämischen Choreographie, akkurat, dennoch nicht gänzlich einstudiert oder gar fachmännisch in Begrifflichkeiten des Chirurgen. Schnitte welche nicht gemeint waren jemals eine natürliche Regeneration, geschweige denn ein abermaliges, lebendiges Zusammenfüge zu ermöglichen. Tiefe, fleischige, ja manchmal sogar überaus blutige Schnitte, dennoch entsprach jeder einer akribischen Ästhetik, welche nicht frei von künstlicher Schönheit oder Verzückungswürdigkeit war. Dies war Kunst, große Kunst sogar, zu groß für den gewöhnlichen, infamen Proletenverstand jener die es nicht begreifen mochten. Anspannung wich elastischer Zerrissenheit, während sich mikroskopisch verwobene Stränge peitschend um das Instrument schlangen, gleich Lianen um einen ächzenden Stamm. Verständlichkeit war keine Notwendigkeit, nur so viele Menschen suchten immer danach. Alles musste ein Grund, ein Motiv der Handlung haben, nichts konnte aus purer Lust heraus existieren, denn selbst dann, war ja der Ursprung der Handlung letztendlich der Hedonismus, der Genuss der Lust. Ihre kleine, nichtswürdige Geisterwelt war darin gefangen, wie in einer verschneiten Winterlandschaft innerhalb eines Eiskristalls, sorgsam konserviert, rationiert für die Notwendigkeit baldiger Erinnerungen. Und wie oft man sich daran ergötzen konnte, Stunde um Stunde um Stunde. Niemals verblassten irgendwelche simplifizierten Ausschweifungen, wie damals Onkel Hubertus auf der Holzbank gesessen hatte, Pfeife schmauchend, während er aus einem aufgeschlagenen Wälzer vorlas. Die Kinder saßen natürlich zu seinen in dicken Filzpantoffeln steckenden Füßen, auch der Hund hatte sich herbei gekuschelt, eingerollt das gerade die Schweifspitze die Schnauze berühren konnte, während Tante Agathe gerade frischen Tee heran brachte und ihr freundlichstes Dankeschön-Gesicht aufgesetzt hatte. Inzwischen löste sich allmählich Haar und Haut von Fleisch und Bein, ein verächtliches, beinahe erstickendes Grunzen war zu vernehmen, während die immer noch zuckende Zunge über den Kehlkopf strich, nichts wissend vom vormaligen Kieferknochen welcher sich hätte an anderer Stelle befinden müssen. Sein geschwungener Halbmond lag ja dort drüben, gemeinsam mit seinen anderen, wertlos emotionalen Habseligkeiten, sowie Gewändern, Feuerzeug als Erinnerung, Brieftasche und anderem Tand. Die Schuhe lagen sauber aneinander gestellt zwischen dem Schreibtisch und der Kommode, in welcher er für gewöhnlich seine diversen Schreibutensilien aufbewahrt hatte. Direkt auf der Ablage zerstreuten sich offensichtlich gut “frequentierte” Dokumente, Besitzurkunden und Schuldscheine, uneingelöst von seiner Partei. Der schnörkelhaften Unterschriften darauf mochten echt sein oder auch nicht, letztendlich war es genauso einerlei wie die Tatsache das sein höchsteigener Leibwächter sich eben noch über mangelnde Bewusstseinsfähigkeit beschweren mochte. Im krampfhaften Zusammenzucken krallte sich eine ausgestreckte Hand in die jeweils andere, während sich ein silberner Draht regelrecht in die geknechteten Unterarme trieb. Unmerklich, beinahe schmerzlos trennte sich sein persönliches Antlitz von dessen ursprünglichen Horst, ein Stupfen, ein sorgsames, vorsichtiges Reißen, gerade mal genug das verweichlichtes, fettiges Gewebe von Fleisch und Knochen gelöst werden mochte. Schmatzend, glitschig kroch es nieder, während sich dies unsäglich zart erwärmende Gefühl über Wangen, abwesende Kinnlade und Hals ausbreitete. Er war gebrochen, ein für alle Mal, seine Feinde hatten obsiegt und all der Einfluss, Reichtum und Prunk wart wie ausgelöscht, vor seinem geistigen Auge widerspiegelte sich sein allzeit durchlebter, dynamischer Werdegang, vom einfachsten Muttersöhnchen hin zum industriellen Magnaten. Verspürte glühende Qual, im Angesicht seiner ersten Liebe nahe dem Herzen, während er drehende Gedärme “riechen” konnte während sie ihn verließ. Konnte am Ohr gar den ersten, lieblichen Freudenschrei seiner Jüngsten vernehmen, während über seine Fingerspitzen die weiche, unbefleckte Haut deren Mutter glitt. Seinen Lippen war es als koste er abermals die dargebotenen Speisen beim Empfang des Hohen Herrn selbst, und just da zerrissen ihm jener Bänder welche allesamt hielten und das wo er hauste, ergoss sich qualmend, schwer vom Inhalt über den teuren Brokat mit welchem das schmale Kabinett ausgelegt war. Zusammenhangslos rollte sich der klebrige, feuchte Zungenlappen ein, wollte artikulieren, wo doch nichts mehr zu artikulieren war. Und dann verging alles, fing Flammen, wurde verzehrt und wandelte sich zu Rauch, Asche und Vergessenheit. Kunst. - Die Stimme - 12-06-2010 Sanduhren, winzigkleine, rötliche Kristalle, dicht aneinander gereiht, erfüllt durch mikroskopische Fragmente Ferrums, wie sie davon rieselten, durch den schmalen, schmalen Hals, dahin schwammen und zerstoben gleichsam den Fluss der Zeit, dann wiederum sich auftürmten zu einem mächtigen, pyramidenförmigen Turm, wie jener, welcher einstmals die heiligen Lande des großen Terra selbst gen Himmel erheben sollte, als der Imperator noch ungekannt und die Menschen “freier” waren. Verborgene Geheimnisse, doch mit dem dahinscheiden, dem allmählichen, sekündlichen Versterben des physischen, menschlichen Leibes eröffneten sie sich einem tausendfach, nein, zehntausendfach. Und gerade darum, während eine weitere, angeschwollene, schwere blutige Träne hinweggewischt wurde, offenbarten sich bisher ungekannte Zusammenhänge zwischen dem Sein, dem was gewesen war und dem was noch kommen sollte. Dennoch war es müßig, schlecht und wertlos, denn seine eigene Zunge würde nimmermehr auch nur eine einzelne Silbe über die zerschnittenen Lippen tragen, ganz egal wie sehr er sich anzustrengen gedachte, ganz egal wie sehr die zerfransten Stimmbänder zu vibrieren suchten, Stille. Wiederum senkten sich schabende, grobkantige Eckzähne in das weiche Bindegewebe, zogen ekelhaft knirschende Scharten in den darunterliegenden Knochen und beraubten ein weiteres, kostbares Stück seiner Lebensessenz, während sein eigener Leichnam sich über dreizehn Quadratmeter Atrium seines Appartements verteilte und dennoch seine unsterbliche Seele nicht aus seiner Brust weichen mochte. Die hässlich gekrümmte Gestalt seines rein physischen betrachteten Mörders stand etwa zwei Meter unterhalb seines Brustkorbes, denn just an einen ausladenden Kronleuchter hatte er ihn gleichsam einem morbiden Kunstmobile aufgespannt und er vermochte durchaus noch jegliches Zucken, jedes Stechen, Schneiden, Kratzen, Saugen und Kauen auf seinem gesamten Fleisch wahrzunehmen. Verwunderlich nur, das sein Verstand nicht schon längst ob der unnatürlichen Wahrnehmung gebrochen war, das er nicht schon dem Wahnsinn anheim gefallen war. Die Klinge schnitt tief, sehr tief, durchtrennte gespannte Sehnen, Arterien, Venen und selbst ein Stück des Knochens, während ein glibberiges, bluttriefendes Stück seines Trizeps hinter den farblosen Lippen verschwand und schmatzend durch die nadelspitzen Zähnchen zerrieben wurde, ehedem es zerkleinert den schlangenhaften Geierhals hinabwanderte. Ein uraltes, kupfernes Messer, eine unbeherrscht archaische Machart wie sie seit Jahrtausenden auf Gohmor nicht mehr verwendet worden war, nicht seit den alten, dunklen Tagen, und dennoch, hier zerschnitt dieses abscheuliche Ding sein Fleisch. Zuckend durchlief die letzten funktionstüchtigen Synapsen seines Verstandes, Likor tröpfelte über seinen Scheitel herab, während er abermals blinzelte. Doch dieses Mal verschwand der trügerische Schatten nicht einfach, egal wie sehr seine Lider auf und niederschlugen, rot getränkt versank seine Welt in einem unendlichen Meer aus kochendem Blut, glühenden Messing und dem ungeniertem, genüsslichen Kauen seines Peinigers. Und dies war auch seine letzte Wahrnehmung ehedem er nun gnädiger Weise doch in der Vergessenheit versank. Das reibende, schneidende Gefühl knöchernen Werkzeuge welche sich über seine Nerven schoben und gleichzeitig ein mephistophelisch verzogenes Kauwerkzeug, denn es grinste ihn an! |