Koron III
Trassengrad Vollzugs- und Besserungsanstalt AG - Druckversion

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- Die Stimme - 05-20-2010

Es war deutlich kühler, die Luft etwas beklemmender, schwerer, geschwängert von exotischen Essenzen, parfümiert durch langsam schmelzenden Weihrauch, durch Myrre “verunreinigt”, sofern man dies deuten konnte. Dicht aneinander gereihte Tempelbänke, mit gepolstert Knieschonern, sowie in markantes Rot gehaltene Tücher, welche jeweils über die Mitte herabließen und mit klerikalen Motiven verziert worden waren. Gleichfalls lag auf einem jedem Bänklein ein sorgfältig in Leder gebundenes Büchlein, ein Gesangs- oder Gebetsbuch, angereichert mit unterschiedlichen Strophen und liturgischen Weisheiten. Durch eine weit oben gelegene Rosette brach spärlich Tageslicht herein, es war ein strikt geordnetes Muster, in dessen kreisrunder Mitte sich das heiligen Abbild des Teanus Morasus befand, des koronschen Schutzheiligen aller Pilger und Wegewächter. Bis auf ein winziges Weihwasserbecken am hinteren Rande, sowie einen steinernen Hochaltar weiter vorne, schien die Räumlichkeit grundsätzlich leer geräumt und würde vor dem Altar nicht zufällig der Messdiener einige mannshohe Kerzen auslöschen, wäre er hier gar alleine gewesen. So jedoch schienen sie mindestens zu zweit. Für den Augenblick.


- Narl Trantor - 07-21-2010

Auf einmal befand sich Narl Trantor nicht mehr in der chirurgisch reinen Umgebung, sondern in einer Kapelle. Es war, wie wenn er aus einem Schlaf aufwachen würde... nur ohne solch Nebenwirkungen wie die Trägheit oder die verschwommene Sicht. Was war passiert? Hmm... natürlich... dieses Mittel, dass ihm Mister Doktor verabreicht hatte.
Narl musste ihm das lassen, es war ein schnell wirkendes Betäubungsmittel. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass das Mittel zu wirken begann. Und ebenso schnell, wie die Wirkung eingesetzt hatte, war sie auch wieder verflogen. Keine spürbaren Nebenwirkungen. Nur... wie lange war er schon hier? Die Sonne schien durch das Dachfenster, doch das konnte vieles heißen. Möglicherweise waren keine paar Stunden vergangen, möglicherweise war es schon der nächste Tag. Möglicherweise... moment mal, Sonne? Über ihm? Also entweder er war hoch oben im Upper Hive, oder... außerhalb vom Hive. Wie roch denn die Luft außerhalb eines Hives? Und wie im Upper Hive? Die Luft hier roch nach... Weihrauch und Myrre... roch so die Luft in den noblen Gebieten? Wer weiß...
Man hatte ihm sogar neue Kleidung verpasst. Nicht mehr der orange Overall, aber auch nicht die Kleidung, die er davor getragen hatte. Einfache Standardkleidung trug er nun. Ein dunkelglauer Overall mit vielen Taschen. Arbeitskleidung des Middle Hive. Und dunkelgrau war sie nicht, weil das Färbemittel dies so wollte, sondern weil das Material, aus dem die Kleidung hergestellt wurde, diese Farbe besaß, genauso wie der Dreck, in dem man sich als Arbeiter manchmal wühlen musste.
Narl saß auf einer der dicht aneinander gestellten Bänke. Neben ihm lagen mehrere der Gebetsbücher, fein säuberlich eingebunden und genau in Reih und Glied auf die Plätze gelegt. Der Söldner streckte seine Arme und Beine ein wenig, vielmehr um zu probieren, ob sie noch funktionieren, als um sich zu wecken. Dann griff er vorsichtig auf den Stoff des Sitzplatzes neben sich. Er war kalt... hier würde wohl bald wieder eine Messe stattfinden, sonst, wäre der Platz wohl noch von der vorangegangenen Messe warm. Nun gut, könnte auch sein, dass einfach nicht so viele Besucher hier gewesen waren. Aber dass die Bücher derart exakt da lagen, sprach wiederrum dafür, dass hier bald eine Messe stattfinden würde. Er griff nach einem der Bücher, und blätterte kurz in diesem herum. Dann erst erblickte er den Messdiener, der die Kerzen auslöschte. Was denn? Ein einzelner Messdiener in der Kirche? Und der löschte die Kerzen aus? Dann wahr es wohl doch nicht so lange her, dass hier die letzte Messe abgehalten wurde. Was sollte das ganze hier denn? Vor kurzem noch schien sein Tod unausweichlich, er bekam ein Betäubungsmittel und jetzt saß er in einer Kirche, in der dicht aneinander gedrängte Bänke zeigen sollten, dass es viele Besucher gab, fein säuberliche Gebetsbücher und kalte Sitzplätze zeigten, dass die letzte Messe wohl schon länger zurück lag, es doch nicht so viele Besucher gab, oder dass bald eine Messe bevorstehen würde, und ein Messdiener, der Kerzen auslöschte, und somit zeigte, dass es wohl noch ein wenig dauern würde, bis die nächste Messe stattfinden würde? Von oben kommende Sonne? War das ein lustiges Spiel? Eine Versuchsanstalt?
Narl erhob den Blick, sah in die Ecken des Daches und versuchte, irgendwelche Kameras oder ähnliches zu finden, was ihm in seiner Vermutung bestärkt hätte, doch er fand nichts. Dann blätterte er im Gebetsbuch herum. Lesen konnte er ja nicht... sollte er beten? Was für Gebete konnte er denn? Natürlich das „Lobpreiset Ihn“, denn dass konnte jeder, der in einer imperialen Welt aufgewachsen ist. Ansonsten noch mehrere Litaneien, um den Maschinengeist zu beruhigen, wenn er die Waffe zerlegte oder ähnliches. Er entschloss sich, die Kniepolster zu benutzen, sich auf diese zu knien und das „Lobpreiset Ihn“ im stillen zu beten, mit den Händen zum Aquila vor der Brust verkreuzt. Erst als er das gemacht hatte, stand er auf, und ging, mit dem Gebetsbuch noch immer in der Hand, zu dem Messdiener nach vorne.
“Entschuldigen Sie“, sagte er, sobald er nahe genug herangetreten war. “Können sie mir sagen, wann die nächste Messe beginnt? Ich möchte sie unter keinen Umständen verpassen.“


- Die Stimme - 10-16-2010

Gerade als die umgangssprachlich formulierte Fragestellung des Söldners die mythische Verschwiegenheit des weihrauchverseuchten Sanktuariums durchdrang, umklammerten die ausgemergelten, knochigen Finger des Messners eine etwa fünfzig Zentimeterlange Bienenwachskerze. Sein eingefallenes, etwas sonnengegerbtes Antlitz nahm dabei einen überaus sanftmütigen Ausdruck an, während er spröde, ausgetrocknete Lippen aneinander rieb und mit einer gewissen Sachlichkeit zuerst das ledergebundene Gebetsbüchlein begutachtete, nur um anschließend über die deutlich jugendlicheren Züge des Söldners abzugleiten. Die Kerze zwischen zwei goldenen Klammern fixierend, führte er die Fingerspitzen aneinander und faltete die Hände in einer Manier, das die Knöchel bleich unter der dünnen Haut hervorlugten. Die dunkle, aus schwerem Flachs gewobene Robe des Mannes beschrieb einen beinahe barockartigen Faltenwurf während er sich in scheinbarer Zeitlupe nach Narl umwandte, ein von Rost, Moder und Fäulnis befallener Rosarius schwang dabei unterhalb der Handwurzel hervor, der daran befindliche Aquila hatte eindeutig bessere Zeiten durchlebt, wie man unschwer hatte feststellen können. Eine inzwischen uralt wirkende, ungerade verlaufende, aufgerissen und wieder genähte Wunde quer über seine Kehle offenbarte das diesem Manne wohl die Fähigkeit der Sprache schon vor geraumer Zeit abhanden gekommen sein musste, während er Narl mit einladender Geste aus den Altar selbst verwies, eine ausgestreckte, flache Hand entgegen des steinernen Kaiserschreins. Dort aufgebahrt auf gestreuten weißen Rosenblättern, ein aus tiefschwarzem Lackholz gezimmerter Sarg, der darauf befindliche Deckel fest verschlossen und durch ein aus rotem Wachs bestehendem Siegel, pompös und überdimensioniert, exakt wie es die Ekklesiearchie beschrieb und wünschte.


- Narl Trantor - 10-18-2010

Ein Blick auf die Narbe am Hals des Mannes zeigte es offen sichtbar: Dieser Mann würde wohl nie mehr ein Wort seiner Kehle entringen können. Er könnte sich wohl glücklich schätzen, dass er sein Leben behalten hatte. Konnte er das? Nun... wer weiß, welche Umstände es waren, die ihm diese Wunde verpasst hatten. Ein Mann des Glaubens, der eine solche Verwundung trug? Sah man nun auch nicht sehr oft. Oder zumindest sah Narl dies nicht allzu oft. Seine Geste jedoch war schon bekannter, und dieser folgte er auch, nachdem er sich kurz verbeugt hatte und vor seiner Brust den Aquila gebildet hatte, sich damit genauso stumm verabschiedet hatte, wie sein gegenüber es war.
Während der Söldner auf den Sarg zuging, strich er mit dem Finger über den Buchrücken des Gebetsbuches. Zum wiederholten Male fragte er sich, was er hier eigentlich machte. Er war losgegangen, um in ein Gefängnis einzubrechen, und war letztenendes in eine Anstalt gekommen. 'Toller Fortschritt!' lobte ihn der liebe Sarkasmus persönlich. Aber gut, was sollte er machen... einfach auf den Sarg zugehen. Ein schwarzer Holzsarg... irgendwie fühlte sich Narl fehl am Platz. Hier schien alles so sauber... und ein Sarg aus echtem Holz, wie es aussah... auf wie vielen Stadtwelten leisteten sich die normalen Bürger solch etwas? Nein... bei dem Sarg hatte er gewiss kein gutes Gefühl, doch was sollte ihn erwarten? Ein leerer Sarg mit der Bitte, sich in diesen zu legen? Oder vielleicht einer der anderen Söldner, in Tode friedlich schlafend. Eins war jedoch sicher: viel herum denken würde es nicht lösen. Also legte er das Buch ab und versuchte den Sarg zu öffnen.


- Die Stimme - 10-19-2010

Erstaunlicherweise schien der edelstbehandelte Sargdeckel weder von besonderer Versiegelung, abgesehen von jenem Wachsmal das nun brach, noch von gewöhnlichem Gewicht zu sein. Von eigentümlicher Leichtigkeit gar, wie durch leises Gleiten das schwarzlackierte Eichenholz über den purpurnen Samt der Innenverkleidung glitt. Beim zärtlichen Einfall jenes ersten Lichtstrahls durch eine seitliche Wachskerze, offenbarten sich Millionen zum Bette gestreuter perlweißer Rosenblüten, alle waren von einer derartigen Reinheit, Schönheit und filigranen Beschaffenheit das selbst Seide dagegen verblassen musste, und wirklich jede Handlung darauf bezogen wie ein Sakrileg gegen die Götter selbst wirken musste. Und dennoch, dennoch war inmitten all dieser Vollkommenheit etwas das beinahe noch herrlicher, noch bezaubernder anzublicken war, denn alles was ein einstmals liebender Schöpfer seiner Kreation geschenkt hatte. Ein Mädchen, ein über alle Maßen vollkommenes Geschöpf, eines dessen Proportionen lediglich durch einen unsterblichen Geist hätten erschaffen worden können, dessen Gesicht mehr einer wächsernen Künstlermaske entsprechen mochte den einem irdischen Antlitz. Kirschrotgeschwungene Lippen mündeten in einer sachte ansteigenden Arkade, eine zierliche, spitze Nase, die perfekt gezupften Augenbrauen. Wie verfließende Strömungen glitt das hellbraune Haar herab über die femininen Schultern, ewigliche Schönheit ausstrahlend, allein die enge, nachtmahrische Gewandung erwies sich als steigerndes Superlativ, beschrieb es doch jedes spärliche Detail um ein tausendfaches köstlicher, während sich die gefalteten Hände zwischen den Brüsten um das Heft einer exotisch anmutenden Sensenklinge geschlungen. Dies war kein unbekannter Leib...


- Narl Trantor - 10-22-2010

Man konnte nicht gerade sagen, dass Narl überrascht war, als er die Frau im Inneren des Sarges erkannt hatte. Überrascht war er keineswegs, er hatte es ja fast schon erwartet. Trotzdem fühlte er Bedauern. Behutsam legte er seine Hand auf die Wange der Toten, und fuhr mit dem Daumen über ihre nun für immer stille Lippen. Das weiche Fleisch gab beinahe ohne Widerstand nach, auch wenn es mittlerweile einiges an der Wärme eingebüst hatte, welches es anfangs besaß. Ein beinahe schon gehauchtes “Es tut mir leid“ entrang sich seinen Lippen. Ja, es tat ihm leid. Hätte er sie nicht mitgenommen, hätte er ihr gesagt, dass sie sich für den Anfang etwas leichteres suchen sollte, würde sie nun noch leben. So jedoch... müsste er Major Lucky bescheid sagen, dass er wohl den Vater der Kleinen benachrichtigen musste, wenn dieser nicht auch schon tot war und die Beiden sich nun im Leben nach dem Tod wiedersahen. Zumindest hätte die Sarai keine schöne Sterbensgeschichte, und auch keine schöne Lebensgeschichte. Nichts erreicht , da ganze Leben lang nur trainiert und kaum im Ernstfall, starb sie schon so einfach dahin.
Der Söldner, der Letzte der Truppe, ließ seine Hand noch ein letztes Mal über die Wange der Frau gleiten, bevor er sie zurückzog und mit ihr den Sargdeckel langsam schloss. Auch eine Verschwendung... solch ein schönes Geschöpf... und dann noch dazu nicht mit einem Schwert im Sarg, sondern einer kleinen Handsichel. Das Schwert hätte er selbst jetzt gut gebrauchen können, auch wenn er nicht damit umgehen konnte, würde es zum Schlagen sicher reichen. So jedoch... nahm er das kleine Gebetsbuch in die Hand und drehte sich um, lehnte sich leicht gegen den Sarg, sah wieder zu dem Messdiener, Pfarrer oder wasauchimmer das war, bevor er über die Distanz die Stimme erhob. “Sagt, wo ist die Kamera? Ich will doch in diese lächeln.“ Irgendwie fühlte sich Narl fast schon wie zum Gespräch mit Celever zurückversetzt, zum Zuschauen verdammt, während irgendein Unbekannter seine Machtdemonstration walten ließ. Und ja, mittlerweile kam er sich wie in einem dieser billigen Vid's vor. Nein... wäre besser, wenn dem nicht so wäre, denn sonst würde dieser zum Schweigen verdammte Pfarrer gleich auf ihn losgehen, und nur die durch Zufall im Sarg von Sarai liegende Sichel würde ihm das Leben retten, oder aber es würden gleich die Fenster und Gläser bersten und ein gesamtes Einsatzkommando würde dieses Haus des Imperators wild feuernd stürmen. Nein... besser, wenn das kein Vid wäre.


- Die Stimme - 10-22-2010

“Nun, nun Mister Trantor, wie empfinden Sie, bei einer derartigen Augenweide?”, die herabgesenkte Stimme klang unmittelbarer den sie eigentlich klingen hätte dürfen, beinahe als nuschle ihm jene sprechende Person unmittelbar ins Trommelfell, “Wie empfinden Sie dabei, wenn Sie die junge Miss Zel derart... entseelt befühlen können? Die zehrende Kühle, der matte, glanzlose, stumpfe Blick, die emotionslos gefalteten Lippen, dies alles, und der sanfte Ausdruck meditativer Gelassenheit, während man die zärtliche Gnade des Unlebens verinnerlicht, ja, letztlich umarmt? Es ist ein unbeschreibliches Paradoxon, das wahrer Friede allein im Tode aufzufinden ist, dass alles wonach man letztendlich streben, allein diesem simplen, heiligen Zweck geweiht ist, nicht wahr? War es Schmerz oder Leid? War es möglicherweise tiefgründiger, schneidender? Wie eine aufgeplatzte Seelennarbe, deren eitriger Schorf ihren Leib infiziert und sie allmählich abstumpft?”, die dunkel livrierte Gestalt schien hinter dem bekutteten Prediger regelrecht hervorzutreten, aufgestützt auf einen blanken, schwarzen Spazierstock, während die andere, behandschuhte Hand um eine tickende, silberne Taschenuhr geklammert war, und diese mittels einer Kette wie ein Pendel schwang, “Empfanden sie etwa ähnlich, als ihre leiblichen Eltern in einer nach Verwesung und Schlachtabfällen stinkenden Gosse ermordet wurden? Als Kamerad um Kamerad dahingemetzelt wurde auf den Schlachtfeldern ihres Lebens? Möglicherweise? Absolut? Niemals? Pfade, Wege, Straßen, Mister Trantor, alle führen zu einem ungewissen Ziel, einem dennoch deutlich sichtbaren “Ende”, einem Omega ihres Alphas. Ihre kleinen, persönlichen Ragnarök, wenn sie es so wünschen.”, dann nach einem bedauernswerten Seufzer, angereichert durch einen mittelfristigen Blickkontakt hin zu jenem Sarge, “Ich schätze sie durchaus, Mister Trantor, selbst wenn sie und ihre Schergen auf gesamter Linie versagt haben, doch war dies von Anfang an vorbestimmt, denn nichts ist ungewiss, alles verlauft in geordneten Strukturen, folgt einem architektonischen Plan, ebenso wie unsere Sprache, unsere kleine Konversation hier, gewissen Spielregeln folgt. Opfer müssen gebracht werden. Sie sind ein Mensch der dies verstehen mag, im Sinne eines “Höheren Wohls”, wie es die grauhäutigen Fanatiker ausdrücken mögen... oder aber zur Mehrung eigener Macht, persönlichen Status. Ihre Gespielin ist tot, ihre Kameraden in den Niederungen Trassengrads verschollen, sie sind jeglicher Waffe beraubt und stehen einsam und verlassen in den Eingeweiden einer heiligen Ortes... Was erwarten sie von ihrer Existenz, Mister Trantor?”