Koron III
Ankunft in Rasankur - Druckversion

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- Vàs Medina - 01-20-2013

Des blinden Greisen Rachen entstieg eine gar sonderbare Formel, wie Ermahnung und Würdigung im selben Atemzuge, welchen er eben erst ausblies. Geschehenes erneut geschehen lassen, eine unheimliche Invocation vom schalen Beigeschmack verbotenen Wissens zärtlich durchzogen und dennoch wissenschaftlich, mochte man annehmen. Seine Lippen schürzten sich empor, während über seine schlanken, altersgezeichneten Nadelspitzen – sein Gebiss – dünne Schwaden exhalierten Räucherdampfes wogten. Was er versprach, zumindest verbal, glich mehr noch denn alles andere einem Wunder, was er jedoch nonverbal implizierte war den imperialen Scholaren mehr noch als alles andere hier Häresie. So hätte man es wenigstens interpretiert, wäre da nicht die Neugierde selbst gewesen – jenes menschlichste aller Gefühle welches so viele Male ja manch grauenvolles Schicksal heraufbeschworen hatte.

Die Silben waren nicht vollends ausgesprochen da wand sich die trübe Sakralrauchssuppe wie von glitschigen Aalen belebt um sich selbst, vollzog wie diese winzige Welt im Gebilde aller Gestirne eine Revolution um ein noch vielfach größeres Sternchen und versengte dabei auf merkwürdig einladende Weise des Beobachters Vorsicht. Ein simples Wort der Warnung verpuffte stumm in der anschwellenden Leere des Raumes, während halb zum Sprechen geöffnete Münder nur paradoxes Kauderwelsch blubbernden und sich Augen in obskure Schlünde verzerrten. Es war ein – vermutlich – wohl kalkuliertes Effektehaschen, basierend auf der einwirkenden Intoxication der obskuren Kräuter und Säfte welche diese Wilden verwendeten, so resümierte sie gleichfalls versinkend.

Ausgehende von einem von ihr selbst erkorenen Fixpunkt – einer Kachel von einem mal einem Meter Durchmesser – schritt sie Vorsichtig durch den aufwallenden Nebel, manövrierte sie entlang einer peitschenden Gischt aus zerstäubenden Dampffetzen und desintegrierender Fratzen, welch wunderbares Schauspiel für jeden Menschen welcher sich soeben mit einer Überdosis ins Jenseits befördert hätte – oder aber war dies nur eine erste Impression dessen, was die latenten Psionikier erwartete, hinter dem sogenannten „Auge des Schreckens“? Bei der geistigen Nennung jenes Paradoxons jedoch versteifte sich der Wirbel selbst und gebar eine staubtrockene, brachliegende Landschaft tief unter ihr, denn ihre Füße schwebten wie von celestischen Stiefeln beschwingt hoch über allem Erdenreich. Von Spanne zu Spanne, wohl gut und gerne drei Tagesmärsche zu Fuß, erstreckte sich das exakte Abbild einer antik anmutenden Niederlassung, etwas das am Schwellensprung der Makropole wohl doch kurzum gescheitert war – dennoch von eigentümlichen, geschäftigen Leben beseelt, ja geradezu wuchernd. Wie irdische Keime entlang einer aufgedunsenen Krebszelle – denn was da lag war gezeichnet, gemartert und zerbrochen, das Gerippe einer einstmals prächtigen Stätte welche nun durch Aasfresser ausgezehrt wurde und im mitschwingenden Choral der „Erscheinung“ wurde verkündet das dies hier geboren wurde aus dem Ocularis Terribus. Eine Metastase, ein wuchernder, eitriger, stinkender Abszess, welcher bei nicht gewahrung wohl das ganze System in den gähnenden Schlund des Abgrunds reißen könnte. Das Schicksal des älteren Volkes konnte sich gar wiederholen, wäre man nicht sorgfältigst auf der Hut. Wohl nur geistig – wobei die Definition dieses Wortes an jenem Ort (falls es denn tatsächlich ein Ort sein mochte) durchaus schwer fiel, immerhin schien hier doch alles lediglich aus dem Geiste geboren zu sein. Oder aus dem Wahnsinn. Umnachtung, Nacht, Schatten, Abgrund, wie aus rotglühenden Schlangenschlitzen starrte sie DAS was darin hauste mitten hindurch an, umrankte sie mit wurmgleichem Schuppenleib und rieb sich räkelnd. Der anschwellende Gestank von raffiniertem Phosphat, von ranzigen Eiern – Schwefel der Stahlproduktion – sowie manchen betörendes Benzol blies wie aus eines Geysir bis ans endlose Gewölbe des Himmelszelts empor.

„Seymion! Seymion!“, kreischte sie in halber Ekstase gegen den tosenden, donnernden Endzeitsturm an welcher sich um sie herum gebar, „Seymion! Verdammt! Seymion!“, doch der gute Kommilitone blieb die ersehnte Antwort mehr denn schuldig, „Seymion! Hören Sie! Schreiben Sie, schreiben Sie guter Freund!“, sie weitete die Pupillen und starrte direkt hinein ins alles verzehrende, schwarze Herz des Tartarus, wagte gar das Duell mit jener finsteren Kraft die dort harrte, „Schreiben Sie schon?! Phantastisch! Einfach nur phantastisch Freund! Wir haben es hier mit einer nicht katalogisierten Subkultur des Homo Coronis Novis zu tun, wir mein Freund werden berühmt werden! BERÜHMT SAGE ICH IHNEN! Oh, wenn sie nur sehen könnten was ich sehe... Sehen Sie, diese Wilden bekriegen sich gegenseitig, schlachten sich ab im Namen einer Entität welche geradewegs aus dem Schlund des Abgrunds hervorstarrt... NEIN! NEIN! Seymion, schreiben Sie das nicht! Ja nicht, das bringt uns auf den Scheiterhaufen! Wir suchen... eine logische, fundierte Erklärung... Das Feuer, es umschlingt die Stadt, eine neue Epoche der Industrie, Sklaverei, Unterwerfung und Verwüstung, diese Wilden schlachten die Antike aus um damit Krieg wider die Moderne zu führen! Seymion, Sie verdammter Narr, Seymion! Der Kulturenkampf! Haha! Das ist phantastisch! Seymion!“, immer energischer vordringend in einen wirren Strudel aus abstrakten Eindrücken verschlang sie gleichgültig jedwede Information, „Das ist der Durchbruch mein Freund! Der endgültige Durchbruch! Wir widerlegen die Welt! Widerlegen Ignoranz, Dummheit und Einfältigkeit! Weg mit den Doktrinen, weg mit den Edikten! Die Massen werden es verstehen... Nein, warten Sie! Warten verdammt!“, sie hob mahnend den Zeigefinger, nicht wissend wie sich derartiges wohl in der realen Wahrnehmung - also der körperlichen, nicht drogeninduzierten - darstellen mochte, „Seymion! Wecken Sie mich!“, nachdem dies keinerlei praktische Auswirkung zu haben schien, sich schließlich vor dem allmählich gleich der glühenden Sonne brennenden Blick mit dem vorgestreckten rechten Unterarm abschirmend.

„Ich sagte Wecken! Unternehmen Sie etwas! Die Impressionen scheinen mir nun doch etwas zu launenhaft, beziehungsweise körperlich Real zu werden... Seymion, verdammt, unternehmen sie etwas! Diese Präsenz scheint näher zu kommen!“, einem uralten, eingeprägten Instinkt folge leistend, vollzog sie etwas gänzlich unwissenschaftliches - etwas gänzlich amoralisches in der imperialen Gesellschaft – namentlich die Flucht. Allerdings schien es ihr dann auch, das sie zwar eine gewisse Strecke zurücklegen konnte, die sich ausbreitende Sphäre hinter ihr jedoch, vollzog dies mit geschätzter fünffacher Geschwindigkeit, kam somit auch immer näher. Sich der melodramatischen Sinnlosigkeit eines derartigen Rückzugs allmählich bewusst werdend, unternahm sie nun einen anderen, auch nicht unbedingt wissenschaftlichen Ansatz. Sie hielt inne, trete sich auf dem Absatz herum, plusterte sich auf und brüllte dem ETWAS schlichtweg entgegen. Aggression, beziehungsweise der halbherzige Versuch etwas derartiges Vorzugaukeln schien allerdings auch nicht zu fruchten, darum zurück zum Reißbrett. Entweder war dies nun lebensbedrohend oder aber eine Chance neuere Erkenntnisse zu erlangen, da ersteres sich trotz Ausweichens und Weglaufens sowieso erfüllen mochte, blieb also noch die Alternative. Interesse. Das dies eine gänzliche Fehleinschätzung sein konnte falsifizierte sie innerlich bereits im Vorab, man starb immerhin nur einmal und irgendwann musste man das ja sowieso, warum also nicht auf eine spektakuläre Art. Hoffentlich war es wenigstens nicht besonders... Sie verwarf den Gedanken, richtete sich gerade auf, rückte das Blousson zu recht und staubte den Wüstensand vom Gehrock, während die Hitze kontinuierlich anstieg. Sie streckte der infernalischen Erscheinung todesmutig die Hand entgegen, nunmehr sämtliche Angst, Panik und jeden Fluchtgedanken mitsamt dem mulmigen Gefühl in den Gedärmen herab würgend.

„Juliette Cornelia vàs Medina!“, der angedeutete Knicks erfolgte mehr noch als Routine denn als höfliche Untermalung und hätte sie beinahe ins Schwanken gebracht, „Universalgelehrte, Studiosa, Doctor Honoris, Professor Honoris, et cetera et cetera, zu Ihren ergebensten Diensten!“


- Die Stimme - 01-24-2013

Als es sich in die Höhe hob sprengte es alle Ketten realer Größenverhältnisse. Der schwarze Leib, sich einer Kobra gleich aufrichtend, durchbrach die Gewölbe eines nicht vorhandenen Himmelszelts. Umso unwahrscheinlicher mutete es an das sich trotz der perspektivischen Verschiebung des Emporwachsens jede Einzelheit erkennen ließ. Im ersten Moment schien es nur aus den Trümmern der Gebäude zu bestehen, welche es zerschlagen hatte, als sich das Ding aus dem Erdreich wühlte, nein aus der Stadt selber geboren wurde. Das Licht wich zurück, machte absoluter Schwärze Platz und doch war die Dunkelheit wie greller Sonnenschein im Vergleich zum Antilicht des Schlangenleibes, der die gesamte Welt zu zerreißen bestrebt schien. Natürlich war es kein geborstener Stein aus dem der dämonische Körper bestand. Wie sonst hätte sich die wimmelnde Bewegung erklären lassen, die seine Haut überzog.
Menschenleiber waren es!
Tausende, wenn nicht Millionen von zuckenden und geschundenen Leibern, deren Münder in stummen Schreien aufgerissen gähnten. Der Kopf des Wesens musste nun die Grenze zum All erreicht haben und doch waren die Höllenaugen kristallklar auszumachen. Lodernde Leichengruben, schwarz geschlitzt und von einer uralten Intelligenz erfüllt, die furchterregender war als es der stumpfe Blick jeder Bestie sein konnte.
Selbstredend bestand diese Gestalt nicht aus ungezählten Menschenkörpern, ein absurder Gedanke. Schließlich sah doch ein Blinder das die Monstrosität aus dem Eisen vergangener Schlachten gebildet war. Klingen, Äxte, Schilde und Kanonenrohren formten Haut und Muskulatur.
In der Größe eine Kontinentes thronte es über ihr und noch immer hatten sich nur Schädel und Hals aus dem Staub der Äonen erhoben. Ihre Worte, tapfer hervorgebracht, aber so unendlich unbedeutend wie die Träne, die in einen Ozean vergossen wird, verklangen als lächerlicher Laut fallender Stecknadeln.
„Juliette Cornelia vàs Medina! Universalgelehrte, Studiosa, Doctor Honoris, Professor Honoris, et cetera et cetera, zu Ihren ergebensten Diensten!“
Stille war die unmittelbare Antwort. Nur die Pupillen des Drachen, denn um etwas anderes als jenes gefürchtete Fabeltier konnte es sich nicht handeln, richteten sich quälend langsam auf die Frauengestalt. Irgendwo aus dem grenzenlosen Dunkel klang ein Herzschlag... Nein das kontinuierliche Ticken eines Metronoms oder mechanischen Pendels. Dann stürzte der Kopf auf sie zu! Das Maul öffnete sich und Flammen brodelten zwischen dem Wald aus Zähnen hervor, würden sie zu Asche verbrennen bevor sich auch nur einer Hauer in sie graben konnte. War da durch das Tosen des Feuers ein Name zu vernehmen?
Unmöglich auszumachen.
Alles was das Denken dominieren konnte war der Schwarze Drachen.
Schwarzer Drachen! Kein mannshoher Zahn bohrte sich in ihre Seite, sondern nur der Ellenbogen Twaynes.
Was ist mit ihnen? Sie stehen doch sonst immer gleich in Flammen, bei solch farbenfroher Folklore. Oder hat ihnen die heimische Küche die Sprache verschlagen?
Tatsächlich war da nichts Bedrohliches, sah man einmal vom potenziellen Lungenkrebs ab, den die rachgeschwängerte Luft androhte. Alle Blicke waren auf den Friedenshäuptling gerichtet, der leise und bedächtig sprach, sein Worte ab und an mit schwachen Gesten untermalend. Salira blickte konzentriert und lieh ihm die Worte des Imperiums.
Als die Götter gesehen hatten welche Kraft in dem Sohn von Nacht und Meer innewohnte, begannen sie sich zu streiten, wem das Kind folgen sollte. Doch keiner von ihnen gönnte dem anderen solch einen Gefolgsmann und da sie sich nicht einigen konnten, beschlossen sie den Drachen selbst die Wahl treffen zu lassen. Sie überließen ihm die Welt seiner Geburt, auf das er als Gott über die Menschen herrschen sollte. Er brachte uns Krieg, damit wir die Schwachen von den Starken unterscheiden können. Die Menschen aber sahen ihn und warfen sich voller Demut in den Staub. So geschah es das...
Was haben sie denn Kollegin?
Flüsterte ihr Kommilitone Sie sind ja bleicher als sonst.


- Vàs Medina - 01-26-2013

„Nur ein marginales Unwohlsein, geschätzter Kollege, lediglich ein unbestimmtes Drücken in der Magengegend, vermutlich aufgrund der zu stark gewürzten Speisen, welche hier gereicht wurden.“, sie schob drei Finger unter den Kragen der Bluse, dabei den Bund leicht anhebend, „Die Luft innerhalb des Zeltes erscheint mir gerade etwas stickig, ich bin wohl den Rauch nicht recht gewohnt. Sie werden mich für einen Augenblick entschuldigen?“, sie deutete eine komplizierte, höfische Verbeugung in Richtung des Friedenskönigs an, schwenkte dann auf dem Absatz herum und trat durch den herabhängenden Wandteppich hindurch.

Abendhimmel, wo zehntausend Galaxien in unterschiedlichstem Farbausprägungen irgendwo mit hellstrahlenden Sternen konkurrierten. Ein kühler, lindernder nächtlicher Wind zog über die staubigen Ebenen des Vorgebirges, die Temperaturen waren innerhalb der letzten Stunden rapide gesunken, inzwischen konnte man beinahe schon den lebenden Atem vor Augen dampfen sehen. Ein schmallippiges Lächeln begann sich angesichts des gesehenen – oder auch des gehörten – über ihre ansonsten unbeeindruckten Züge auszubreiten, es wich ins Sardonische. Welche lebhaften Phantasien diese verwilderten Indigenen innerhalb der letzten paar Jahrhunderte entwickelt haben mussten, das ihre Vorstellung von Krieg und anderen verachtenswerten Niederungen der denkfähigen Spezies sich in einem kollektiven Bild manifestieren konnte. Drache. Schwarzer. Drachen bedeuteten von jeher große Macht, unglaubliches Potential und eine beinahe legendäre Ausdauer, sie spukten durch das Unterbewusstsein der Menschheit seit diese dem Urschlamm entstiegen war, möglicherweise auch schon länger, dass konnte wohl keiner mehr so recht sagen. Aber sie standen auch für Chaos und Veränderung, für gewisse Strömungen innerhalb des Lebens welche nicht immer wirklich negativ sein mussten. Hierbei war allerdings nicht die Rede von einem imperial sanktionierten Chaos, also nicht von den mutierten Verrückten welche sich sternförmig im All ausbreiteten.

Und natürlich schwarz. Unheimlich, dunkel, fern, unbekannt und doch zugleich anziehend. Setzte man diese beiden Wörter also in eine nennenswerte Verbindung ergab sich das Bild der halluzinogenen Horrorgestalt welche sich als kreischender Schemen herabstürzte und dabei die ganze Welt im brennenden Feuersog zu verschlingen drohte. In hoc signo draconis vinces, im Zeichen des Drachen wirst du siegreich sein – wirst du erobern. Welch treffender Leitspruch dies wohl sein mochte, für jene welche sich um das Banner dieses sogenannten Gottes – oder Halbgottes? - sammelten. Namen sterblicher Menschen verflogen ja bekanntlich ebenso schnell wie sie einem ins Gedächtnis stiegen, waren gleich dem vorüber fließenden Fluss oder dem unaufhaltsamen Wechsel der Jahreszeiten, man mochte sie sich merken, nicht aber auf immer einprägen. Darum erschuf man sich selbst einen propagandistischen Mythos, einen der darum zirkulierte das man von Göttern oder anderen mächtigen Fabelwesen abstammte, somit wurde man im ebensolchen Ausmaß wie Letztgenannte unsterblich. Gleichfalls die Nation, der Staat welchen man dadurch belebte- oder wie in diesem Falle eher – reanimierte.

Einen alten Atlanten aus ihrer ledernen Wandertasche hervorgrabend, blätterte sie im Scheine einer mitgeführten Taschenlampe einige Seiten durch, ehedem sie jenes Doppelblatt mit der regionsspezifischen Abbildung der chemischen Wüsten aufschlug, dort mit den nackten Fingerkuppen über das zerklüftete Vorgebirge strich und dabei besonderes Augenmerk auf die hufartige Ausprägung in deren relativer Mitte legte. Nachdenklich liebkoste sie diese Stelle mit den abgerundeten Nägeln, ehedem sie mit einem schwarzen Füllfederstrich einen kurzen Vektor gen Nordwesten zog, dann wiederum eine Linie strikt gen Westen. Eine gedachte Verbindung zwischen beiden ermöglichte nun anhand der Legende trigonometrisch den exakten Abstand zu errechnen. Kaum mehr denn ein Tagesritt mit dem Carnak. Sie schloss das Buch, verstaute es um anschließend wieder in die Behausung einzutreten, wo Twayne sich scheinbar einer müßigen Konversation mit Salira hingab.

„Bei Tagesanbruch werden wir die Carnaks satteln, wir werden diesen Pass gen Osten überqueren und uns dann einmal genauer betrachten welche unnachgiebige Form der Zivilisation meint sich hier zur Hochkultur emporschwingen zu können, wenn Sie verstehen was ich meine. Meiner ersten Einschätzung gemäß dürfte es sich hierbei im breiten Spektrum um eine Jäger- und Sammlergesellschaft handeln. Vermutlich basiert das gesamte System auf einer primitiven Version des Feudalsystems, Lehnsherr – Untergebene, wobei der Lehnsherr hier durchaus theokratische Aspekte annimmt, er stilisiert sich selbst zu einem Gott hoch. Des weiteren wird die Stadt hypothetischer Weise von einer durchschnittlichen Armee gehalten werden, schätzen wir eine gewisse Gesamtpopulation und den Umstand das sich bereits mehrere Stämme dem Joch des „Schwarzen Drachen“ unterworfen haben, könnte diese durchaus schlagkräftig genug sein um eine Bedrohung für umliegende Gebiete zu werden. Was die ganze Sache – zumindest unter meinem Betrachtungswinkel – interessanter gestaltet.“, dann an den Friedenskönig selbst gerichtet, wiederum eine der unnötig komplizierten Verbeugungen, „Großer Herr, erhabener Sohn der ruhigen Zeiten, sofern Ihr es gestattet, würden wir uns nun angesichts des langen Ritts welcher hinter uns liegt und aufgrund Eurer großen Gastfreundschaft, gerne zur Ruhe begeben.“


- Vàs Medina - 01-27-2013

Achter Tag. Die Carnaks durchstreiften im langsamen Arbeitstrab das steinige Wüstengewirr, unbarmherzig, beinahe schon grausam Warf die Sonne glühende Lanzen nach jenen welche die Engstellen der Pässe zu durchschreiten suchten. Tatsächlich war die „Klamm“ - es fehlte am formgebenden Wasser – stellenweise breit genug um das Licht bis auf ihren Grund hinabzulassen, immer wieder bliesen ihnen heftige Windstöße aus salzhaltigem Wüstenstaub entgegen, das dahinschreiten forderte wohl von Mensch und Tier gleichermaßen Tribut. Primär in Form von vergossenem Schweiß, sekundär in Sachen körperlicher Anstrengung, vice versa für die Carnaks.

Das Ende des Passes wurde durch einen relativ steilabfallenden Hang aus zerriebenem Schott und Kieselsteinen markiert, von dort aus erhielt man ein erstes eindrucksvolles Panoramabild über die gesamte Ausdehnung des darunterliegenden Talkessels, sowie die mitten darin wieder aufsteigende Aufschüttung auf welcher sich der prophezeite Komplex selbst massiv gem Himmel richtete. Deutlich erkennbar hierbei die aufsteigenden, pechschwarzen Rauchsäulen welche auf eine prae-industrielle Nutzung von fossilen Brennstoffen hinweisen konnte.

Bei ungünstigem Wind, welcher soeben vorherrschte, schlug ihnen gleichfalls der Gestank verbrannter Kohlen, von Schwefel, Pech und glimmendem Fleisch entgegen, gerade letzteres Erinnerte merkwürdig evident an die blutig ausgemalten Versprechungen auf ewige Verdammnis welche sooft von der Kanzel herab gegeben wurden. Vor ihrem geistigen Auge malte sie sich bereits den predigenden Diakon aus, welcher mit schwungvoll rudernden Armen das Mühlrad beschrieb, keifend, geifernd vom Goldenen Thron trompetete, sich dabei in verstandslose Rage quasselte und mit nachhaltigem Poltern auf der Lectitio Divinitatus pochte. Guter Vater Alarik, guter alter Mann. Ebenso verworren wie dessen ungekämmter Rauschebart erschien nun das mikrobiologisch belebte Gewusel in äußerster Ferne, was sich bald womöglich als wandernder Jahrmarkt, als städtisches Treiben oder schlicht als Völkerwanderungsstrom von Sklaven herausstellen mochte. Zunächst absitzend, um alsbald hinter einem allzu gewaltigen Findling inmitten des Geröllschutts Deckung zu suchen, linste zunächst Twayne neugierig in die Ferne. Das rollenförmige Messingkonstrukt wurde wortlos und flach über den Stein weitergereicht, beinahe akribisch darauf achtend das sich nicht etwa ein Lichtschein in der Linse reflektieren mochte.

Eine Heerschar verhältnismäßig eher kleinwüchsiger Gestalten, mutierte Äquivalente gewöhnlicher Stadtbewohner, gehüllt in zerlumpte, blutverkrustete und zerrissene Gewänder. Deutlich erkennbar wo die langen, dünnen Peitschen der „Viehtreiber“ das vermutlich einem Webstuhl entsprungene Gewebe zerfetzt hatte, darunter unebene, aufgebrochene, eitrige Hautfetzen, stellenweise frisches Blut. Der Tross bewegte sich in langsamer, schunkelnder Manier, dies unterlag dem unnatürlichen Umstand jener schweren Ketten welche zwischen den Füßen der einzelnen Aspiranten verliefen, manche trugen gar noch eiserne Halsbergen. Man konnte sich die niederknallende Peitsche selbst in dieser großen Entfernung noch überaus akustisch ausmalen, wie die kaum fingerdicke Spitze durch das ungeschützte Fleisch schnitt und die Unterjochten abermals bis auf die Knie hinab zwang, dabei nicht nur einen, sondern stets einen Verband von mindestens dreien. Wie ausgehungerte Aasfresser stürzten sich daraufhin gleich zwei der Treibergesellen darauf, schwangen widerlich wirkende Stangen und droschen heiter bis man sich entweder zum Marschieren erhob oder aber liegen blieb. Ohne sonderliche Beachtung schritt das Individuum das sie als Sklavenmeister zu identifizieren mahnte hoch auf dem Carnak vorüber, bellte wohl einen lautstarken Befehl und deutete mit der aufgerollten Peitsche mehrmals auf den Gestürzten. Was danach geschah entzog sich ihrem Blickfeld, zu wenig Interesse bestand darin das Schicksal dieser unglückseligen Person weiterhin zu verfolgen. Sie schob die einzelnen Komponenten zusammen und verstaute das Teleskop.

Sie ertappte Twayne gerade dabei wie er ein entferntes Ziel über Kimme und Korn anvisierte, wissend dass es sich dabei nur um den berittenen servile coegi handeln konnte, zischte sie ihm leise zu. Woraufhin er eine seiner blonden Augenbrauen hob, sich mit dem gespreizten Finger langsam vom Abzug entfernte und abschließend überhaupt durch das pommierte Haar strich. Abschätzigen Blickes quittierte er das archaische Treiben dort unten in der Ebene, ehedem er mit der Hand ein kunstvolles Abschießen einer einschüssigen Vorderladerpistole simulierte, passendes Geräusch inbegriffen.

„Das sind verdammte Sklavenhändler, sehen Sie sich an, sie treiben diese armen Teufel wie gewöhnliches Vieh vor sich hin.“
„Ich entsinne mich, dass Sie gestern diesbezüglich noch eine andere Meinung hatten, Herr Kollege. Mutanten wären doch nur Untermenschen?“
„Auch Untermenschen haben verbriefte Rechte, nehme ich als gelehriger Student des Gesetzes an.“
„Ein Eigentumsrecht? Nein, sie sind Leibeigene, zumindest in dieser Gesellschaft.“
„Und gerade darum...“
„Was?“, sie schnitt ihn scharf ab, „Was? Wollen Sie einen Berittführer eiskalt aus dem Hinterhalt erschießen, umgeben von fremdem Territorium während die da unten vermutlich Einheimische sind? Wollen Sie mit einer nicht einmal schallgedämpften Waffe herumballern und jeden Wilden im Umkreis von sieben Kilometern aufschrecken? Glauben Sie es würde ihnen danach besser ergehen?“
„Nein, aber wenigstens diesen einen Schweinehund würde es danach nicht mehr geben.“
„Und uns vermutlich auch nicht.“, resümierte sie mit gesenkter Stimme, „Sehen Sie, selbst wenn uns dies da unten nicht gefallen mag, wenn sie logische Analogien zulassen, erkennen Sie das die meisten Konskripierten der glorreichen imperialen Streitkräfte auch nicht gerade „freiwillig“ dienen. Manche Welten wurden durch die sogenannten „Anwerber“ des Departmento Munitorum leergefegt, andere wurden niedergebrannt weil sich Regimenter weigerten auf irgendeiner fernen, öden Staubkugel im Name einer weit entfernten Regierung ihr Leben auszuhauchen.“
„Höre ich da etwa Kritik an der Obrigkeit?“
„Mitnichten, ich erläutere Ihnen nur gerade das Sie ebenso gut jeden Kommissar zwischen hier und Terra erschießen könnten, der moralische Index wäre wohl derselbe, nur gesamtgesellschaftlich wäre die Verantwortung eine andere. Hier werden Sie nur gekreuzigt oder ausgeweidet, in Gohmor würden Sie vermutlich einen „fairen Prozess“ erhalten und anschließend wegen Hochverrats erschossen werden. Die Wahl ist ganz Ihre, vivat democratia.“, sie hob die Hand, „Still jetzt, dort unten geschieht etwas.“


- Vàs Medina - 02-27-2013

Achter Tag, späte Nachtmittagsstunden. Irgendwie cinematographisch manifestierten sich lange, schattengleiche Streifen vor dem blinzelnden Auge. Wüstensand kratzte innerhalb des halbgeschlossenen Lids, womöglich besaß sie an den Winkeln bereits stark gerötete Reizungen, Tränen quollen hervor. Hätte sie sich nur nicht mit dem Ärmel abgewischt, aber der Reflex. Der verfluchte Reflex. Orientierungslos glitten ihre Hände durch jahrtausendealten Staub, kratzten Fingernägel über gebrannten Lehm, welcher gleich Kacheln über den Vorplatz des Baus verlief. Reliefe, unzählige davon, Weibchen wie Männchen, Viehzeug wie Menschen, manches gar irgendwo dazwischen, gehörnt, gespaltene Hufen und ellenlange Zungen, dies waren die Motive, wie sie sich entsann. Alles war in einer Art rituellem Tanz verschlungen und irgendwie verworren, schädelhäuptige Wilden massakrierten entblößte Sklaven mit gewundenen Ruten. Frisches, vom Sande aufgesogenes Blut, besudelte andere Einzelheiten. Der Vorplatz wurde durch sechs solide Stahlpfähle aufgezogen, ein Hexagon, in dessen Zentrum ein vereinzeltes Kohlebecken, umgestürzt, lag. Der Inhalt war wohl während einer vergangene Orgie in ein unmittelbar davor befindliches Becken ergossen worden, erkaltete, graue Kohlen lagen darin. Und Knochen. Viehischer Natur. Auch menschlicher. Wenigstens ein paar Rippen, sowie ein Schenkelknochen. Gebrochen, ausgesaugt. Ihre Fingerspitzen glitten über eine scharfkantige Scherbe, ehemals wohl ein tönernes Gefäß, ein entfremdetes Antlitz grinste in schwarzer Tusche davon herab. Es war nicht wichtig, wie nichts augenblicklich wichtig erschien. Neben ihr klatschte der Leib eines Mannes dumpf in den Staub, wirbelte eine Fontäne aus sandigen Partikeln und Blut auf. Ein halbwegs sauberer Schnitt hatte ihm das Rückgrat frei gelegt, ein weiterer verlief im leicht schrägen Winkel über den Wanst und ließ wulstige Innereien hervorquellen, welche in einem letzten, verzweifelten Versuch durch zwei Hände zusammengehalten wurden, ehe ein krachendes Niederstampfen das Genick des Fremden grässlich knacken und anschließend brechen ließ. Heißes Blut tröpfelte im Takt eines Metronoms über den Unterarm, hin zur nun ausgestreckten Hand, zwischen Zeigefinger und Mittelfinger. Ein ersterbendes Röcheln, sie ignorierte dieses Geschehen, kroch auf Händen weiter, umkrallte die Scherbe. Etwas hinter ihr warf einen bedrohlichen Schatten, schob sich vor die Sonne. Der Schattengestalt nach menschlich, Augenblicks darauf verdrängt durch einen weiteren Schemen, welcher mit rasanter Geschwindigkeit seitlich heran kam. Wiederum ein verräterisch reißendes Geräusch, Sprühregen, dumpfes Klirren, jemand sackte schwerfällig auf die Knie. Sie wand sich herum, erhielt eine unheilige Taufe, denn dies war es als salzige Lebensströme sich halb in ihr Gesicht ergossen, unweigerlich breitete sich ein Brechreiz aus, unweigerlich begann das Herz zu rasen, donnerte unerbittlich von innen gegen den Brustkasten. Trommelfeuer.

Der schwarzgekleidete Krieger hatte einen Fuß in die Kniekehle seines knienden Kontrahenten gestemmt, während er mit der geschwungenen Klinge scheinbar in Zeitlupe Haut, Sehnen, Fleisch und Arterien durchtrennte, irgendwann kam wohl noch die Wirbelsäule hinzu, dass war allerdings schon der Moment in welchem sich der Schädel schmatzend von den Schultern löste, zwei, drei, vier impulsartige Blutfontänen. Abermals aufgewirbelter Staub, das abgetrennte Haupt zur Sonne emporgerissen, brüllte der Schwarze seinen Sieg frei heraus. Spießte dann die Trophäe an eine von der Taille herabhängende Kette und schritt über den nun reglosen Leib hinweg, geradewegs auf sie zu. Zwischen den sechs Pfählen waren wohl nur noch sie und dieser Schlächter am Leben, ansonsten nur fünf kopflose Kadaver. Es mussten sechs sein, dies war die einzige logische Komponente in diesem Schauspiel. Sechs Säulen, sechs Kadaver, sechs Köpfe. Schädelernte. Sie schob sich auf den Handballen rückwärts, er schritt näher. Seine blutverkrustete linke Hand streckte sich nach vorne, instinktiv wollte sie diese wegschlagen, seine Fingernägel bohrten sich in ihren Unterarm. Gleich einer Spielpuppe zerrte er sie quer über das Leichenfeld, hin zu jener unbefleckten, sechsten Säule. Zwang sie hoch, auf die Knie. Überleben. Überleben war alles. Er fasste sie an den Schultern, sie spürte die rasiermesserscharfe Klinge schon fast an ihrem Halse. Von seinem Gesicht war nichts zu sehen, es war hinter einem schwarzen Schleier verborgen. Es roch nach Moder, roch nach Angstschweiß und nach frisch vergossenem Blut und Kot. Menschen starben unrein, dass war ihr nun klar, nicht zuletzt lag die Leiche ihrer gegenüber im eigenen Urin. Menschen starben dreckig, mit angstgeweiteten Augen, mit Schweißperlen an der Stirn. Bleich. Überleben war dreckig. Mit aller Wucht welche sie aufbringen konnte rammte sie die Scherben in den Schritt des Kerls. Ein fahriges Grunzen drang unter dem Schleier hervor, zunächst löste sich seine Hand, die Klinge fiel klirrend in den Unrat. Die Beinkleider verfärbten sich dem Schwarzen ins rötliche. Mit schier unmenschlicher Überwindung riss er sich den Splitter heraus, sie trat jedoch nach. Jaulend ging er nieder, stürzte dabei allerdings wie ein bleiernes Gewicht auf sie. Seine vom fremden wie vom eigenen Blute schlüpfrigen Hände schlossen sich bebend vor Wut und Schmerz um ihren Hals und drückten zu, während er sie durch sein höheres Körpergewicht am Boden festnagelte. Sie wand sich unter seinem Griff, wühlte mit den Haken Sand auf, kratzte mit den bloßen Fingernägeln dorthin wo seine Augen sein mussten. Ihr wurde mulmig, schwindlig und schlecht. Atemluft, belebende, frische Atemluft, sie rang wie eine Bestie nach allem was diesem geraubten Element gleich kam, vermochte jedoch nichts davon zu erhaschen solange da die Hände waren.

Überleben. Nur Überleben. Heil. Der Daumen Fingernägel waren es, welche sich bis tief ins Augenlicht des Schwarzen bohrten, während sie sich mit den restlichen Fingern irgendwie an dessen Schläfen hielt und den Druck erhöhte. Trommeln, irgendjemand hämmerte scheinbar weit entfernt auf mächtige, eherne Trommeln. Der nervöse Takt verdichtete sich je tiefer ihre Nägel in dieses verborgene Gesicht eindrangen, schon merkte sie wie wärmendes Blut ihre Finger umspielte, wie sich sein eiserner Griff um ihre Kehle löste. Irgendwie gurgelnd aufschreiend wischte er ihre Hände hinweg, während er sich seine ins Antlitz stütze und wie ein verletztes Carnak röhrte. Mit aller Kraft stieß sie ihn fort. Sich auf seinem Rücken windend gleich einem Wurm, entstiegen beinahe stumme Laute seinem Halse, gedämpft durch den merkwürdigen Schleier welcher seinen Schädel noch immer umgab. Keuchend erhob sie sich, presste die Handballen gegen die Schenkel, zog die warme, staubige Luft bis tief in die Lungen. Blut quoll unter dem Schleier hervor, abermals trachtete sich der nunmehr geblendete Schwarze zu erheben. Dieses Ansinnen verwehrte sie ihm, verpasste ihm einige reichlich brutale Tritte in die Seiten, stöhnen, gurgeln. Sie trat weiter auf ihn ein, er wand sich wie eine Viper zusammen, zischte unverständlich. Sie zielte auf seinen Kopf, einmal, zweimal, dreimal. Er schirmte sich mit seinen Unterarmen ab, sinnierte dann wohl über eine aggressive Verteidigung, schnappte nach ihrem Fuß. Sie verlor das Gleichgewicht, stieß ihm dann allerdings wuchtig die Ferse in die Visage. Kam wieder hoch. Krachend barst etwas in seinem Gesicht als sie ihm mitten hinein stampfte. Aufheulen, Blut an ihren Absätzen. Überleben, nur Überleben. Die Trommeln im Stakkato. Die wütende Sonne versengte den gesamten Vorhof, von allen Seiten Klatschen. Hände. Im Takt der Trommeln. Hastigen, nervösen Blickes überflog sie den Sand, nahm den Shamshir in die eine Hand. Überleben. Um jeden Preis.

Der schwarze Mann hatte sich wie betend auf die Knie erhoben, gleich einem unsteten Wasserfall tropften schwere, rote Perlen auf sein zerrissenes Wams. Flehend erhob er seine linke Hand, sie schloss die Augen noch während sie zu hieb. Dumpfes Geräusch. Stille. Unheimliche, widerliche Stille. Das eigentümliche Fließen menschlichen Blutes. Sein regloser Leib sackte vornüber, die mörderische Klinge entglitt ihren kraftlos gewordenen Fingergliedern. Sie ging in die Knie. Der abgetrennte Schädel kullerte beinahe schon theatralisch zwischen ihre Schenkel, während sie sich mit den Händen im Staub abstützte und nach Atem rang. Sie riss die Augen auf. Fragmente einer durchschnittenen Wirbelsäule baumelten widerlich an diesem deformierten Ding, ein Zipfel des Schleier hatte sich gelöst. Eine nahezu hautlose Fratze entblößte sich darunter. Sie konnte schlichtweg nicht mehr. Es war zu viel. In einem ekelhaft bitterem Aufstoßen von Galle übergab sie sich auf das Antlitz ihres Feindes und brach zusammen.


- Vàs Medina - 03-01-2013

Tag.... unbekannt? Zeit... ungewiss. Wie viele Stunden waren wohl schon verstrichen, seit jenem verhängnisvollen Überlebenskampf? Sie vermochte es nicht zu sagen, vermochte nicht einmal mehr festzustellen wo sie nun war. Wie sie hierher gekommen war.

War es der Schlaftrunkenheit zu verschulden, dass weiß-graue Fähnlein aus goldenen, irgendwie chimärenartigen Urnen emporstiegen? Das sich der hohe Saal von innen heraus erfüllte mit etwas das irgendwo zwischen Zimt, Kardamon und weißem Salbei bewegte? Das es süßlich emporstieg von einem mit violettem Samt bespannten Diwan, geschnitzt aus Sandelholz? Nein, nicht die trügerische Trunkenheit war es, sondern wahrhaftige Realität. Gerade dies war das eigentlich erschreckende. Barock, der gesamte Saal war im barocken, feingliedrigen Stil ausgebaut. Angesichts dessen das es sich hierbei nicht um den Kulturträger der Region handeln konnte, war sie vermutlich nicht mehr innerhalb der schroffen Stadtmauern oder aber jemand besaß einen exzentrischen Kunstgeschmack. Wände wie goldgetränktes Sandpapier, weiße, marmorne Verzierungen wie falsche Torbogen und architektonisch korrekt angebrachte bodenlange Fenster, aber auch zahlreiche Bildnisse zwischen den Rippen welche das Firmament bildeten. Dazwischen in nachtblauer Farbe ein klarer Sternenhimmel, ebenfalls nur vorgetäuscht, gleichfalls eine Illusion, raffiniert, dennoch erkennbar. In weiter Entfernung schließlich, umgeben von weißen Nebelschwaden, dass was einstmals Ursprung der Expansion gewesen war, das schlagende Herz, Terra. Noch immer Zentrum jeglicher Verehrung, doch hier, auf dieser Karte, auf diesem Sternenatlas kaum mehr als eine unendlich ferne Erinnerung. Machtlos. Drei Pforten verließen den trapezförmigen Raum an seiner schmaleren Seite, sozusagen auf der Seite c, während ihr gegenüber durch hohe Fenster ausgemacht wurde, die aber von außerhalb verdunkelt wurden. Das schwere Rascheln der samtenen Vorhänge, die winzigen glitzernden Partikel darin, gaben der Szenerie etwas bedrohlich theatralisches. Das zugrunde liegende Fließenwerk glich polierten Spiegeln, der aufgerissene, künstliche Himmel widerspiegelte sich selbst darin, ebenso wie sie sich selbst in die Augen starren konnte. Hellgrün, wie zwei sich windende Vipern.

Orientierungslos stolperte sie durch diese überragende Kulisse, betatschte wie ein argloses Kleinkind die unterschiedlichen Wölbungen und Formen, welche das Kunsthandwerk hier und dort produziert hatte. Besah sich manches eingelassene Gemälde eines möglichen früheren Ahnherren des Besitzers dieser Stätte. Genoss den aufsteigenden Dunst der goldenen Urnen und schwelgte in phantatstischen Gedanken. Bücher waren hier keine zu finden. Nichts außer zwei Räuchergefäßen, sowie einem Diwan war innerhalb dieser großen Halle. Echos. Jeder Schritt multiplizierte sich viele Male, jedes amüsierte oder interessierte Summen kehrte wieder. Diese eigenartige Welt war erfüllt von listigen Trugbildern. Sie beanspruchten jeglichen Sinn, denn selbst der Flur auf welchem sie scharwenzelte war von fremdartiger Beschaffenheit, war weich und nicht hart. War warm und nicht kalt, wie die metallische Oberfläche es hätte erwarten lassen. Alles besaß eine eigene Note. Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, erwies sie sich des Lustwandelns überdrüssig. Am liebsten hätten sie sich einige Notizen angefertigt, besann sich dann jedoch darauf das sie weder Tornister mit Schreibzeug, noch sonstige Habe am Leibe trug. Ein verstörendes Fehlen von etwaigen blauen Flecken, von Schnitten und Stichen wurde ihr gewahr, sie trug auch keinerlei Bandagen wie es zumindest eine der vormaligen Verletzungen erfordert hätte. Selbst die Ringe waren ihr genommen. Sie schritt wie durch einen von Menschenhand geschaffenen Garten Eden und erlebte die Genesis von Neuem. Dieser Raum war dazu ausgelegt die eigene Unvollkommenheit im Widerspruch zur Perfektion der allumfassenden Galaxie zu erahnen, so schien es ihr zumindest begreiflich. Nur war selbst in dieser mächtigen Sternenkarte ein Makel, ein großer, weißer Fleck etwa dort wo sich das Segmentum Obscurus befand. Sie machte sich Vorstellungen darüber welcher politischen oder religiösen Fraktion der Eigentümer nun angehören mochte, war dieses bedeutende Detail schlicht aus Ehrfurcht oder aber aus Angst entfallen? Aus Hass oder aus Liebe? Ungeachtet dessen Schritt sie weiter durch die Halle. Die rechte Pforte wurde durch einen entfremdeten Cherubin gekrönt, ein zierliches, filigranes Wesen, welches zwar gleichfalls weiße Schwingen besaß, nicht jedoch kindliche Erscheinung. Der Mund glich mehr jenem eines Aals, mit dornenbesetzten, winzigen Zahnreihen, sowie ein drittes und viertes Auge an dessen Stirn prangerten. Aus seinen Händchen heraus entrollte sich eine Pergamentrolle bis zur halben Höhe der verspiegelten Pforte, die Zeichen welche darauf abgebildet waren entstammten keinem ihr bekannten Dialekt. Es waren krude, meist ziemlich kunstvoll verschnörkelte Runen oder unvollkommene Piktographien einer antiken Keilschrift, welche sich irgendwie feinmaschig ineinander verwoben. Jede der gravierten Zeilen gab auf merkwürdige Art Sinn, war sogar relativ leicht verständlich, sie vermochte sich nur nicht darauf zu konzentrieren. Sobald sie jedoch der flüchtigen Quintessenz des Geschriebenen etwas tatsächlich begreifliches entrissen hatte, schien sich eben dies in wohlwollende Nichtigkeit zu verflüchtigen. Je länger und desto intensiver sie versuchte sich die Zeichenfolge, den Schwung und die grammatikalischen Grundsätze heraus zu extrahieren, ebenso wie sie es in den archäologischen Fakultäten gelernt hatte, desto erdrückender wurde der allgemeine Eindruck. Nach einigen Minuten schließlich griff sie sich an die Stirn, ihr schwindelte irgendwie, gleichsam war ihr wohl eines der dünneren Gefäße innerhalb der Nase geplatzt, den ein sachtes Rinnsal hellroten Blutes mäandrierte daraus hervor.

Der dahinterliegende Raum erwies sich als eine Mischung verschiedener kultureller Aspekte. Es war ein Zwischenstil, deutliche imperiale aber auch orientalische Einflüsse, dazu war der Raum in hellem Opalglas gekachelt. Auf den ersten Blick quadratisch und deutlich höher als der vorherige Saal musste es sich wohl um eine Art Turm handeln, der Dachstuhl, geschweige den die Decke war in Schwärze verhangen. Entlang dreier Wände fielen Gobelins mit verschiedenen rituellen Szenen herab, wohl die Eroberung einer Stadt oder die Vertreibung früherer Einwohner. Es waren grausige, meist blutige Ikonen, welche keiner ihr bekannten Zivilisation zugeordnet werden konnten, folglich also wohl einem einheimischen Kunsthandwerk entsprangen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand sich eine Art Kerbe, von gut zwei Metern Durchmesser und einer Länge von drei Metern. Diese war etwa knöcheltief mit rotem Wein gefüllt, zumindest verriet dies der eigentümliche Geruch, darüber spannte sich ein verblichener Baldachin. Innerhalb der Wand befand sich ein Gewölbe, eine gleichfalls grotesque Kreatur war gewissermaßen als Opferstatue oder als Objekt der Huldigung darin eingebettet, zu ihren Füßen lagen geöffnete Schmuckschatullen, randvoll mit allerlei Silber- und Goldschmuck. Darunter mindestens einer von ihren Ringen. Neben Perlen, Amethysten und eigroßen Rubinen. Auch zu Strängen gebundene silberne Plättchen lagen rund um den Götzen verstreut. Vor der Kerbe nun befand sich ein niederer Marmorsockel, auf welchem sich ein goldener Pokal, sowie einige ebenfalls goldene Teller befanden. Gehäuftes, ihr unbekanntes Obst wurde darauf angeboten, ebenso wie ein Stück leicht angebratenes, saftiges Fleisch – dessen Ursprung sie nicht ermitteln konnte – sowie einige Schälchen mit unterschiedlichen Gewürzen und hauchdünn ausgerollten Broten. Sie wagte es nicht auch nur ein Stückchen von alledem anzurühren. Stattdessen ging sie vor dem Marmorsockel in eine leichte Hocke, dann überschlug sie die Beine zu einem Lotussitz. Aufmerksam betrachtete sie die unnatürliche Umgebung, vermerkte das es bestenfalls in seitlichen Nischen etwas wie Lichtquellen gab, der Raum allerdings unterhalb der Hälfte dennoch deutlich beleuchtet war. Irgendetwas...

Es war nicht der einlullende Geruch des vermutlich gewürzten Weins, nicht das seichte Plätschern des Bassins, nicht das sanfte Brechen der wenigen Lichtstrahlen. Es war dieser seltsame, befremdliche Blick des Götzen. Ein „eher“ menschliches Antlitz, ein kahlgeschorener Jüngling oder war es eine Frau? Es besaß eine Reihe von nunmehr acht Brüsten, irgendwie androgyn, ein goldenes Geflecht verband die dazugehörigen Brustwarzen – von welchen jede durch einen goldenen Ring durchbohrt war. Ab der Gürtellinie verschwand der Oberleib innerhalb des Gemäuers, darunter trat einige Zentimeter tiefer ein mehrfacher Schlangenleib hervor. Zwischen den einzelnen Schwänzen befanden sich besagte Schatullen und Opfergaben. Die Kreatur hielt die Arme in huldigender Pose angehoben, als würde sie selbst abermals einer höheren Macht eine Gabe darbringen. Milch tröpfelte aus den Brüsten, verdichtete sich auf den Schlangenleibern zu einem kleinen See, jetzt erst wurde ihr gewahr das es sich dabei ebenfalls um eine Art „Opfergrube“ handelte, aus welcher wiederum ein Rinnsal hinab in die Weinkerbe führte. Dort wo sich Rot und Weiß vereinten entstanden seltsame Wirbel, tauchten animierte Wirbel hervor und kräuselte sich die glatte Oberfläche. Fasziniert, ja wohl eher hypnotisiert beobachtete sie dieses eigentümliche Schauspiel der Muster und Farben. Schatten und Licht. Dazwischen blinzelnden zwei zarte Augenlider hervor, unter deren beschützenden Vorhang sich zwei violette Iriden offenbarten. Goldene und silberne Äderchen durchzogen diesen imaginären Augapfel, beschwichtigend und ruhig war es, in deren Abgründen ins Antlitz der Welt selbst schauen zu können. Es ging eine atemberaubende, frohlockende Leichtfertigkeit davon aus, eine simple Reflexion dessen was jenseits aller Etikette gedieh. Und es zog sie näher. Aus diesem Gedanken hochgeschreckt verschloss sie zunächst selbst die Augen, warf sich alsbald gar zurück. Das Schauspiel endete, die milchig-rötliche Substanz erschlaffte. Echos, Zurufe und dieser seltsame Duft von Zimt und Salbei ebbten ab. Jemand war in den Raum getreten, vernehmlich spürte sie den plötzlich erkaltenden Lufthauch welcher sich in ihrem Rücken gebildet hatte.

Eine nachtschwarze Gestalt, ganz und gar. Wie es schien waren allein die strahlenden Linsen der Augen nicht in unnachgiebige Finsternis verfallen. Diese waren kupfern angehaucht, überaus lebendig und wurden von einem darunter verborgenen Flammenmeer erhellt. Dies war der Anblick eines Schmelztiegels, in welchem Ströme von unterschiedlichen, flüssigen Erzen konkurrierten. Die Artikulation verzagte ihr regelrecht bei diesem Anblick, zu sehr wurde sie an eine vormalige Vision gemahnt. War jegliches Lebewesen dieser Stadt von eigentümlicher Schönheit und gleichzeitig einem dunklen Willen erfüllt? Sie entsann sich mit einem Male wie sie noch zuvor durch schäbige Sklavenjäger übertölpelt worden waren... Wie sie getrennt wurden... Der „Viehmarkt“ auf welchem sich unterschiedliche Gefangene zu beweisen hatten. Ihren Wert zeigen. Und das archaische Opferritual dieses Schreins mit seinen sechs Pfeilern. Dies war anders, es war hier, es war jetzt. Das andere war trotz allem Vergangenheit. Antike Geschichte. Beinahe lautlos überbrückte der Eindringling die Kacheln, es schien als würden seine Füße nicht einmal mehr die Gnade der Mutter Erde berühren. Kein Lufthauch umzog seine rapiden Bewegungen, nichts wies auf eine körperliche Existenz dessen hin, dennoch befand er sich etwa zwei Meter groß unmittelbar im Raum. Und er sprach – sie sprach – was auch immer es war, es benützte eine raue, gutturale Sprache. Verstörend genug das sie es nicht vollbrachte diesem „Ding“ ein Geschlecht zuzuordnen, nun war da noch diese Stimme, welche doch von überall gleichzeitig zu kommen schien. Zweifellos war dies eine architektonische Spielerei, wie bei einem Amphitheater. Das lange Gewand klebte wie ein zweiter Schatten an den Proportionen der Kreatur, wie dunkle Fledermausschwingen hing der Umhang über die Schultern drapiert, hielt ein vor Mund und Nase gehaltenes Tuch das restliche Gesicht verborgen. Sie verstand die Rede nicht, erahnte nicht einmal was es wollte oder verlangte, was einzig zählte war dieser pochende Schmerz welcher mit jeder Silbe ihr gesamtes Sein beanspruchte. Wie das geschriebene Wort des Dämonen-Cherubins. Es schüttelte den Kopf, darin war weder Abneigung, noch Hass oder Zorn zu erkennen, allein die Augen schienen eine gewisse Form des Verständnisses auszudrücken. Eine hochmütige, arrogante Form dieser Emotion. Als das „Erdreich“ die nunmehr nackten Fußsohlen wieder in Empfang nahm, wandelte sich der Leib.

Die hochgewachsene Silhouette eines Mittdreißigers, eines durchtrainierten, makellos proportionierten Mannes. Ausgeprägte Muskulatur an sämtliche Extremitäten, beinahe durchsichtige Haut, unter welcher sich bläulich jede Vene abzeichnete, schmale, dennoch kräftige Finger. Allein was einer „himmlischen“ Erscheinung entgegen sprach, war das sonderbare Fehlen jeglicher Körperbehaarung. So stand er also inmitten des Raums, hielt seine Arme von sich gestreckt als würde er auf irgendetwas balancieren und erhob sie alsbald zu einem pathetischen Gruß, sowie eine das Gemach umfassende Gestik.

„Schatten und Wasser.“, Worte von geradezu messerscharfer Präzision gesprochen, keinerlei abweichender Tonfall, geschweige denn ein spezifischer Akzent war vernehmbar, „Der Segen der sich windende Schlange des Chaos, des Schwarzen Drachen. Veränderung bedeutet Leben, nicht wahr? Dies ist das Haus des Ar-Rashid, des Rechtschaffenen.“, seinem immer wieder entflammenden Augenmerk haftete etwas durchdringend forschendes an, „Wie ich sehe, versteht ihr nicht die Sprache des Lebens. Versteckt euch im goldenen Schein, huldigt die Sonne, welche doch soviel Elend und Zerstörung über jede Welt bringt. Darum bin ich gezwungen, diese mindere Gemeinsprache anzuwenden, muss ich meine Zunge beschmutzen mit dem was Ungläubige ersonnen haben. Worte vermögen in dieser Sprache nicht auszudrücken welchen Ungemach mir dies bereitet.“

Der schattenhafte Inhumane wich majestätisch schwebend von der vormaligen Position, glitt nicht minder lautlos über das weingefüllte Bassin und glotzte in die abermals kokettierenden Pupillen. Seine Fingerspitzen vollführten eine eigentümliche Drehung, während sich das Augenmerk nun abermals auf sie richtete. Eisig ergoss es sich über ihre Wirbelrücken herab.

„Das Schicksal ist mannigfaltig, zahlreiche Pfade führen an einen Punkt, allein derjenige Knecht am Webstuhl vermag die Streben zu deuten. Seltsam genug das diese schwache Hülle das Ritual der Sechs Säulen überwand und nicht der Gehäutete. Nun verhält es sich so das Ar-Raschid drei silberne Kordeln für deinen Leib entrichten musste. Ein hoher Preis für etwas dessen Wert ungewiss ist. Aber man versicherte mir, dass du wenigstens lesen könntest, womöglich gar schreiben, zumindest wollen die Salatiriki entsprechende Güter in deiner Habe gefunden haben. Selbst die Ringe welche du getragen hattest, wiesen auf einen gewissen Intellekt hin. Wer also bist du?“, seine Hand senkte sich herab, griff sie am Kinn und drückte dieses mittels eines einzigen Fingers soweit nach oben, dass sie gezwungen war ihm in die Augen zu sehen, „Deine Augen verraten mir soviel mehr als deine Worte es jemals tun würden. Du weist, ich kann dir bis auf den Grund deiner erbärmlichen kleinen Seele blicken Kindchen. Gerade noch zermarterst du dir deinen Schädel darüber, wie du wohl in eine derartige Situation geraten konntest. Nun sinnierst du über Möglichkeiten der Hypnose, sowie der Gedankenkontrolle nach. Du hältst es für Humbug, du denkst über Astropathen nach. Über unsanktionierte Psioniker? Lächerlich. Wie Kinder spielen sie. Glaub mir, wahre Schöpfungsmacht entsteht nicht durch Wissenschaft, nicht durch dieses oberflächliche Berühren der Mächte, wie es eure Psioniker machen, nein, man erhält sie indem man sich öffnet. Zu einer Pforte wird. Genug davon. Dies ist das Haus von Ar-Raschid.“

Er ergriff sie unvorbereitet an den Schultern, erhob sie gleich einer Spielzeugpuppe mehrere Zentimeter über den Flur. Zwar fähig irgendwie mit den Beinen zu zappeln, war es ihr ansonsten aber offenbar psychologisch unmöglich Widerstand zu leisten.

„Dies ist das Haus des Rechtschaffenen. Wir dienen dem Schwarzen Drachen, wir dienen der Nacht und dem Meer. Mutter und Vater. Wir dienen dem Wandel, der Wiedergeburt und dem Überleben. Alles ist vereint in der Herrlichkeit der Veränderung. Du mein Kind stehst nackt vor der Schöpfung selbst, stehst nackt vor einem Quell, aus welchem sich ungezählte Leben erhoben haben. Erhoben aus der Taufe, erhoben aus dem Blut der stolzen Krieger und der Milch des Jenseits. Dies sind die Wunder unserer Stadt, du magst deren teilhaftig werden. Wenn du dich nur anstrengst, magst du gar Teil dieser wunderbaren neuen Weltordnung werden. Aber das bedeutet Überleben. Kampf. Krieg. Vernichtung. Der Zyklus der Asche aus welcher wir geboren werden. So bedeutet also der Tod die Unsterblichkeit. Was also wärst du bereit zu opfern, für einen Hauch Unsterblichkeit? Für einen Hauch Freiheit, nun da du Ar-Raschid gehörst?“

Die Frage war rhetorischer Natur, sie war weder gezielt noch besonders hypothetisch. Allein die seltsame Mimik, sowie die spezifische Gestik machte überdeutlich das sie sich nun auf Gedeih und Verderb in den Händen der Kreatur sowie ihres Meisters befand. Konnte sie frei denken? Handeln? Oder unterlag dies gleichfalls einem Zwang? War dies freies Sinnieren oder gleichfalls Suggestion? Allein die prächtige Farbenwelt ihrer eigenen entströmenden Gedanken erwies sich als überwältigend, eine philosophische Herausforderung welche ihresgleichen suchte. Nein, dieses verdammte Ding spielte mit ihr, nein, es konnte nicht ihre Gedanken lesen, es suggerierte nur. Es las offensichtliche Details, machte naheliegende Schlüsse. Sie beruhigte sich, doch im selben Augenblick erregten, weiteten sich die Pupillen ihres Gegenübers.

„Seltsam. Du verströmst nicht diese Angst. Du denkst. Handelst nicht emotional. Womöglich ist dein Haupt doch mehr wert als das einer gewöhnlichen Konkubine. Womöglich magst du doch nicht ausschließlich als Zeitvertreib Ar-Raschids dienen. Schade. Dein Fleisch wäre sicher köstlich gerissen. Wie also nennst du dich, Kindchen?“
„Juliette Cornelia vàs Medina.“, welch abgründige Verachtung sie doch in ihren eigenen Namen einzuweben im Stande war, betrachtete sie nur diese glühenden Essen eingehend genug.
„Der Name deines Hauses weist auf eine bestimmte Abstammung hin. Möglicherweise schlummert in deinem Blut etwas verborgenes aus dem Erbe unseres Volkes? Sag mir, wo wurdest du geboren?“
„Auf Koron III....“, sie unterdrückte den praktischen Fakt der genaueren Umgebung, spürte dadurch aber alsbald wie sich etwas wie Ranken um ihr geistiges Selbst wand, „... was?“
„Beachtlich.“, es leckte sich scheints belustigt über die Lippen, „Warum Schmerz wenn man sanfte Erlösung haben kann?“
„Warum sollte ich mein Wissen einem Diener preisgeben?“, was auch immer es war, es schloss sich immer schmerzhafter um sie, blähte sich nahe ihres Gehirns auf, zerrte mit eiskalten Tendrillen an der zarten Faserung ihres Herzens, kroch in ihren Adern.
„Wie lange vermeinst du mir Widerstand leisten zu können, ehedem ich erfahre was ich will? Du bist nur eine Puppe, eine von vielen. Hübsch, aber nicht stark genug. Erfülle mir mein Ansinnen, dann werde ich dich dafür entlohnen. Tust du es nicht, so wird allein Demut dein Lohn sein.“

Ihr bisheriges Leben war meistens physisch recht anspruchslos gewesen, nun aber kostete sie eine der simpelsten Bewegungen ein überwältigendes Maß an Überwindung. Das wiederholte Drehen des Kopfes von links nach rechts. Was darauf folgte war ein kaum erträglicher Schmerz, gepaart mit einem bodenlosen Sturz und einem gellenden Schrei welcher wohl die Grundfesten ihrer Realität zerreißen mochte.


- Vàs Medina - 03-06-2013

Vergänglichkeit. In der Ewigkeit waren sie alle nur vergängliche, kleine, unbedeutende Menschen. Jeder einzelne Mann, jede Frau, jedes Kind. Ihre unzulängliche Begrifflichkeit des temporalen Zustandes war es, welche sie alle hier gefangen hielt. In dieser Existenz. Mit einem einzigen, zaghaften Blinzeln ihrer Augenlider vermochte sie tiefer in das Weltengeschehen hineinzublicken als sie es noch vor Tagen oder Wochen jemals für möglich gehalten hätte. Wie eine nackte, beinahe gehäutete Fledermaus hing sie kopfüber in diesem seltsamen Glockenturm des Anwesens. Die morgendliche Sonne geißelte ihren aufgescheuerten Leib, das nachtschwarze Haar hing ihr wie ein Trauerschleier vor Augen, verklebt, schmutzig und stellenweise gar von Blut durchtränkt. Blut welches ihr vormals aus den Nasenlöchern geflossen war. Nun nicht mehr. Es herrschte eine bedrückende Stille, keinerlei Echo, selbst ihre intimsten Gedanken waren verstummt. Leere. Nur die langsam aufsteigende Sonne dort hinten am fernen Horizont. Nur das leise, kaum vernehmbare Summen eines morgendlichen Windhauchs, welcher über verstaubte Kanten hinwegglitt, welcher die schmalen, farbigen Wimpel dort an der Balustrade zum tänzeln brachte. Ausdruckslos starrten bestialische Wasserspeier dort in die Untiefen hinab, verwehrten jedoch dem kostbarsten Nass seinen gerechten Pfad. Stille und schwärzester Abgrund. Es war geradewegs so als würde sie über einer persönlichen Hölle schlummern, als würde ihr eine böswillige Macht dort unten im Schlund auflauern. Und sie kannte diese Macht, deren Namen. Ar-Raschid. Der Rechtschaffene. Aber wer er, sie oder es war, woher es stammte... diese Antworten blieb sie sich selbst schuldig. Ein weiterer Lidschlag. Vor ihr ausgestreckt, wie eine topographische Reliefkarte erstreckte sich diese erwachende Stadt vor ihren Augen. Bluttropfen in die Tiefe. Leises Platschen. Widerhall. Nichts.

Leben, überall sprießte Leben. Dies war eine Wüste, eine verdorrte, einsame Einöde und dennoch keimte zwischen den kristallinen Gewebeschichten überschwängliches Leben. Pulsierende, pumpende, schwemmende Macht, wie durch ein verborgenes Herz angetrieben. Die durch die chemischen Vorgänge der Existenz angereicherte Luft quoll förmlich vor Vitalität, wurde durch unsichtbare Lungen ins Innerste der Metropole gesogen um sich dort explosionsartig auszubreiten. Alles vibrierte in einem dynamischen Gleichklang, das dahinter schwelgende Echo – war wie ein sanfter Ruf. Etwas unschuldig kindliches. Etwas kürzlich aus tiefstem Schlafe erwachtes, etwas das sich mütterlich an den Busen schmiegte, das sich nach Zuwendung sehnte und diese einforderte. Doch dies wirkte umso befremdlicher. Nicht bittend, sondern eben fordernd. Trotzig, beinahe schon aggressiv. Was es auch war, es wagte sich nicht aus dem Schatten hervor, sondern vermied tunlichst jegliches illuminierende Licht, jeglichen Quell menschlicher Sicherheit. Es verbarg sich vor der goldenen Korona der Sonne, ganz tief dort unten, an den Wurzeln der Welt selbst. Von ihrer absonderlichen Warte aus vermochte sie an eben dieses Versteck zu spähen. Kein Mensch, aber auch kein Ding, nichts was nicht etwa unbeschreiblich gewesen wäre. Dennoch besaß es über wesentlich mehr Komplexität als jegliches gewöhnliche Ding jemals hätte besitzen dürfen. Es streifte an die Grenzen einer bewussten Realität, existierte aber gleichzeitig im nicht-existenten Raum der mythischen Einbildung, es glich einem friedvollen Einhorn und war dennoch dessen Widerspiegel. Es war kein weißes, zahmes Ross, sondern ein tosender schwarzer Drachen. Und aus seinen Nüstern entstieg die schwärzeste aller Unterwelten höchst selbst, Schwefel, Rauch und der Gestank verbrannten Fleisches. Nein, sie würde sich nun nicht dem anschwellenden Wahnsinn hingeben, sie würde sich nun nicht brechen lassen, durch was auch immer ihren Verstand derart zusetzte. Kreischender Hass wand sich in einer phantastischen Spirale empor und umschlängelte den gleichfalls serpentinen Leib der Chaosbestie, Blitze grellsten Purpurs entflammten an jenen Stellen wo sich Schuppen rieben, geballter Zorn hieb auf Schwingen beiderlei Ursprung ein, während im etherischen Zwischenraum beider Kreaturen eine flammende Welt empor züngelte und alles Leben in einem einzelnen, gewaltigen Mahlstrom dahin gerafft wurde.

Sie keuchte erschrocken auf, prustete halbflüssiges, halbklumpiges Blut empor, würgen. Sie erbrach sich regelrechte, bereits zum dritten Male in relativ kurzer Zeit. Doch dieses Mal war kaum noch Flüssigkeit mit ihm Spiel, es war mehr ein trockenes Röcheln, ein unerfülltes, gnadenloses Schütteln wie von Frost durchfuhr ihren gesamten Körper während sie sich noch damit abmühte sich wenigstens auf die Handballen zu erheben. Beinahe schon glitt sie auf der eigenen hochgewürgten Essenz aus, schaffte dann aber dennoch sich selbst auf wackelige Knie zu erheben. Um sie herum entfaltete sich eine Welt wie aus überfüllten Träumen, aus bisher ungekannten Verlangen. Es war eine Sphäre nackter Sehnsüchte, der gesamte Prunksaal war gefüllt mit goldenen Urnen, welche wiederum Edelsteine und ähnliche Kostbarkeiten enthielten, die Luft war geradezu geschwängert von dargebotenen Räucheropfern. Aus einem Winkel, genauer gesagt einer höher gelegenen Loge ertönten die zierlichen Töne einer sanft gestrichenen Harfe, von einer anderen her erklang Flötenmusik. Heller Trommelschlag konkurrierte mit einer vorzüglich gestimmten Geige. Alles vermittelte den Eindruck gehobener Eleganz, selbst der schwere Stor vor den Ölgemälden früherer Aristokraten – zumindest ließen sie sich in der spezifischen Pose abbilden – war sorgfältigst mit goldenen Schnallen befestigt worden. Aus engelsgleichen Marmorstatuen plätscherte fröhlich rubinroter Traubensaft in Bassins deren Grund gleichfalls mit allerlei Perlen und anderen Kleinodien ausstaffiert waren. Wie lustvolle Schlangen krochen unter seidenen Stoffen fahle Gestalten herum, von oben herab ertönte frivoles Gekichere. Sie schritt als nackte Wandererin durch diese hochherrschaftlichen Gefilde und empfand dabei nicht einmal den leisesten Hauch einer natürlichen Scham. Der Körper war ein Tempel. Dies alles war nur ein Tempel. Ein Illusion, ein künstlich erzeugtes Trugbild welches sich mit vehementer Verbissenheit immer tiefer in ihr geistiges Selbstbewusstsein drängte. Nein, dies war nicht real, dies alles existierte nur in ihrer Traumwelt. Sie war hier nicht materiell. Sie kämpfte wie besessen dagegen an. Und letztendlich erschütterte eine heftige, dröhnende Spalte den gesamten Raum. Alles zersprang gleich einem gestürzten Spiegel, zehntausend winzige Facetten zerbarsten zeitgleich beim Aufprall. Ein gellender Schrei durchdrang ihre Seele und ließ ihr das Mark in den Knochen erstarren. Der violette Sandelholzdiwan kroch ihr wieder ins Bewusstsein.

Sie krallte sich mit gespreizten Fingern in den samtenen Violettstich. Sie spuckte aus was sich an seltsamen Überresten in ihrem Munde zusammengefunden hatte. Eine raue Mischung aus Sand, Asche, Staub und Speichel. Der Raum war wie zuvor, allein die rechte Pforte stand nun sperrangelweit geöffnet. Ein abflauender Windhauch drang durch die linke Pforte, diese war allenfalls angelehnt. Auf den nackten Knien dahin rutschend erreichte sie die Schwelle, durchschritt sie gar. Dahinter eröffnete sich ein verwunderlich anzusehender Garten aus alabasterweißen Büsten und Statuetten, ein geschlängelter Pfad wand sich über einen erhöhten Hügel hinab in Richtung des nahen Ritualplatzes. Sie konnte die sechs Pfeiler schemenhaft in der Ferne erkennen. Eben als sie sich entlang des Pfostens empor hangelte um in die Freiheit hinaus zustürzen realisierte sie die fremde Umgebung. Sie war in dieser seltsamen wiederauferstandenen Stadt gefangen, nicht nur Gefangen, jemand hatte sie als Sklavin käuflich erworben. Doch als sie sich die meisten Stellen begutachtete, zumindest jene die in ihrer absonderlichen Nacktheit erkenntlich waren, trug sie keinerlei Brandmale oder andere Anzeichen irgendeines Besitzers. Doch sie würde auffallen, allein ob ihrer äußerlichen „Reinheit“, sie wies keinerlei Mutationen auf und besaß auch nicht die dunkle Hautfarbe der gewöhnlichen Beduinen oder welches Volk auch immer hier beheimatet war. Nein, nicht nur aus pietätvollen Gründen heraus, sondern auch um ihr Inkognito zu wahren musste sie sich schnellstmöglich eine Tarnung besorgen. Der nächste Stor schien ihr das geeignetste Opfer darzustellen, kurzerhand wurde er heruntergerissen und wie ein Sari um die Taille geschlungen. Ein weiteres Stück Stoffes wurde an der Hälfte zerrissen und als Dreiecktuch gefaltet wie ein Turban getragen, wobei sie sich einen Zipfel des Kunstwerks als Schutz vor Mund und Nase schob. Hände und Füße bedeckte sie sich mit Staub, Sand und etwas Erde, genug jedenfalls um ihre Haut wenigstens Oberflächlich dunkler Erscheinen zu lassen. Derart „gerüstet“ lief sie geschwinden Schrittes den Hügel des Anwesens hinab.

Was sich da unweit ihrer eigenen Position erhob, so inmitten herrschaftlicher Anwesen und prächtiger Paläste, war eine massive Festungsanlage, kreisrund und von unzähligen Portalen ringsum gesäumt. Davor tummelte sich ein vielfarbiges Volk, einzelne Gestalten waren schwer auszumachen, somit also ein beinahe idealer Ort um in der Masse zu verschwinden. Sie ließ sich regelrecht zwischen den meist übelriechenden Leibern treiben. Der eigenwillige Strom führte vorüber an aufgebahrten Ständen von allerlei absonderlichem Obst, handgeschmiedetem Schmuck, Waffen, Geschirr, Bronzeware... kurzum das gesammelte Reigen eines einzelnen, gewaltigen Suqs welcher sich zwischen Arena und Mauern der einzelnen Prachtbauten aufspannte. Der vorherrschende Eindruck war jener eines minder zivilisierten Umgangs untereinander, Ordnungsorgane, falls überhaupt vorhanden, trugen wohl weder besonders auffällige „Rüstungen“ noch schienen sie ihre Sache allzu ernst zu nehmen. Doch dies war zweifellos einer militaristischen Oberherrschaft zu verschulden. Krieger genossen vermutlich einen geeignet hohen Stellenwert um sich nicht mit Formalitäten wie Strafverfolgung oder anderem juristischen Unsinn herumschlagen zu müssen. Auch wurden sie wohl kaum beraubt. Beinahe jeder hier war gerüstet, trug wenigstens eine wuchtige Klinge, einen langen, vorne gekrümmten Dolch oder ein ähnliches Mordinstrument am Hosenbund, Gürtel oder auf dem Rücken. Gerade darum fiel sie wohl abermals besonders auf... oder auch nicht. Manche schienen sie schlicht auch nur für irgendeine gewöhnliche Haussklavin zu halten, wiederum andere ignorierten sie schlichtweg ganz und überrannten sie regelrecht. Jeder Schritt in diesem staubigen, ungepflasterten Markt eröffnete neue Perspektiven, hatte man sich nur weit genug voran drängeln können, erhielt man einen köstlichen Ausblick auf das umgebende Massiv, sowie den zentralen Angelpunkt der gesamten Stadt, den massiven Zikkurat welcher wohl dem Herrscher als Residenz diente, umgeben von hängenden Gärten welche bereits aus der Ferne an das Paradies denken ließen. Vermutlich war das also der Anreiz der ihnen geboten wurde, das „Himmelsreich“ auf Koron. Doch wozu all dieser kriegerische Pathos? Wozu die aufstrebende Nation, der Rebellion wider das Imperium willen? Oder waren hier andere Mächte am Werk, wie sie es bereits in Ar-Raschids Heim vermuten konnte?

Als die emporgestiegene Sonne den mittäglichen Zenit erreicht hatte, passierte sie eben erst eine Stelle an welcher eine Art Schrein errichtet worden war. Die verwendete Inschrift war archaischer Natur, sie war in einem Stil gehalten welcher dieser Tage kaum noch auf Koron verwendet wurde, sie war sich sogar ziemlich sicher das diese Dialektik offiziell als ausgestorben galt. Was bedeutete, man vermochte zwar die Zeichen grundsätzlich zu deuten, auch bis zu einem gewissen Grad zu lesen, jedoch nicht sie phonetisch wiederzugeben. Möglicherweise befanden sich innerhalb dieser Stadtmauern gar Menschen welche in der Lage waren sie gar zu sprechen. Der Gedanke verzückte sie über alle Maßen, ja, wenn sie zurückkehren würde an die geistige Fakultät Gohmors, würde sie diesen verstauben Grauhaaren lehren was wahre wissenschaftliche Arbeit war und ihnen gleich noch den Beweis für diese Schriftsprache im aktuellen Jahrtausend abliefern. Die Brust schwoll ihr ja schon vor herbeigewünschtem Stolz, vor zukünftigen Lorbeeren und allerlei akademischer Auszeichnungen. Wiederentdeckerin verlorengeglaubten Wissens, so würde es dann heißen, eine Heldin der Sprachwissenschaften, eine Heldin der Ethnologen. Die unterschiedlichen Lehrstühle würden sich um Vorrechte prügeln, von allen Seiten würde man sie beknien, betteln Vorträge über diese phantastische Reise zu halten. Doch... dies lag alles in der Zukunft. Nicht im Hier und Jetzt.

Diese Inschrift bezog sich offenbar auf einen glorreichen Sieg der herrschenden Dynastie gegen einen „Emporkömmling“, einen anderen Fürsten von weit jenseits der Berge. Sehr kryptisch gehalten, nicht auszuschließen das sie auch nur schlicht einen Fehler in der Translation machte. Einerlei. Sie strich mit den glatten Fingerspitzen über die rau gravierten Schriftzeichen, diese waren wohl keine zwei Monate alt, darüber hinaus befand sich am Sockel des Schreins – auf welchem sich eine gerüstete Männergestalt befand – eine kleine Einkerbung, in welche wiederum ein eisernes Gefäß eingelassen worden war. Darin befand sich eine klebrige, rote Substanz. Ein schlichtes Blutopfer an einem Wegschrein, resümierte sie kurzerhand. Es handelte sich hierbei eindeutig um prä-imperiale Religionsausübungen, derartige Opfer waren ja schon seit geraumer Ewigkeit durch die Zentralregierung verboten worden, zum Wohle aller reinen Geister, wie man stets betonte. Zahlreiche zerbrochene Krüge zu Füßen des Götzen deuteten darüber hinaus auf legere Trankopfer hin, während abgenagte Knochen wohl schlicht dem Hunger irgendwelcher Aasfresser zuzuordnen waren. Ohne sich diese Kultstätte noch weiter zu begutachten, offenbar hatte ihr übermäßiges Interesse an der Schrift abermals eine gewisse Aufmerksamkeit erregt, zog sie weiter die Hauptstraße entlang. Hunger, geschweige denn Durst, machten sich allmählich bemerkbar. Was zunächst nur ein laues, milde drängendes Gefühl in der Magengegend gewesen war, entpuppte sich mit fortschreitender Tageszeit immer mehr zum lästigen Drängen. Alsbald würde sie sich wohl etwas überlegen müssen um an essbare Nahrung zu kommen. Doch aufgrund von Ortsunkenntnis, sowie allgemeiner Unkenntnis der vorherrschenden Sitten, mochte sich dies zu einer recht großen Herausforderung entwickeln. Die allgemeine Möglichkeit einem Halbwüchsigen Nahrung zu entreißen blieb natürlich immer obligatorisch, fügte sich aber nicht recht in ihre Welterkenntnis, geschweige denn ihre Philosophie an sich.

„In welch eine absonderliche Stadt bin ich hier nur gestolpert...“, murmelte sie halblaut vor sich her, während sie barfuß den staubigen Pfad verfolgte welcher gen ein zentrales Tor der inneren Wehranlage Richtung großer Palast führte, „... alles scheint mir in der Zeit festgefroren zu sein, die vergangenen Epochen sind nahezu spurlos an all diesen Menschen vorüber gegangen. Sie leben wohl immer noch in einem finsteren Zeitalter, glauben noch an Götzen und erlösende Könige. Bringen sterblichen Fürsten Opfer dar als wären sie auserkorene Götter während sie selbst im Dreck um ihr tägliches Überleben kämpfen. Wahrlich, absonderlich...“


- Abscheulich - 03-13-2013

Die Zeit soll gemäß einem Sprichwort alle Wunden heilen. Nichts weiter als eine lapidar dahergeworfene Redewendung ohne weitere Bewandtnis, als letzter verbaler Ausweg die unglücklichen Zustände anderer zu verharmlosen. Gleichgültigkeit und fehlender Rat sind die wahren Ursachen für jene Distanzierung, die einem von anderen entgegengebracht wird. Der eigene Schmerz, die eigenen Wunden sind nur Ballast, emotionaler Müll, wie ein Klotz am Bein, der all jene Heuchler aus dem Umfeld nur daran hindert weiter voran zu schreiten. Stillstand, Rückstand bis hin gar zum Rückschritt, als dessen Verursacher man selbst verurteilt wird, während andere an einem unbeirrt vorbeispringen und in der Ferne letztlich irgendwann verblassen. Erst wenn man selbst wieder das Laufen beginnt stehen einzelne von ihnen plötzlich wieder vor einem und strecken ihre Extremitäten für eine nicht ernst gemeinte Umarmung entgegen. Natürlich könnte man dies durchschauen und einfach einen anderen Weg einschlagen, doch wer ist dann noch für einen da? Brauch man denn nicht diese Zuwendung, egal wie platonisch sie auch sein möchte? Friert es uns denn nicht da draußen, allein in der all umgebenden Schwärze? Wärme, nur etwas Wärme als kleine Belohnung dafür durch Leid und Elend gegangen zu sein und nur ein Mal geliebt und geachtet zu werden. Lug und Betrug! Sie wurden wieder verlassen. Aus dem tiefen Schacht des Brunnens gezogen, nur um danach nackt und blind wieder über den Rand gestoßen zu werden. Dunkelheit, Kälte, Nässe und der ersehnte Aufschlag auf dem Grund. Wille und Hoffnung gebrochen, der zaghaft entsprießende Keimling rausgerissen und zermalmt. Was blieb war nur wieder die Zeit, Feind und Freund zugleich. Doch noch war Zeit alles was sie hatten und wieder klammerten sie sich an jenen Stein, Zuflucht und Gefängnis zugleich, um sich daran empor zum entfernten Licht der Oberfläche zu ziehen. Eine Silhouette stand dort oben, verbunden mit Schmerz und doch liebevoll vertraut. Dies war nicht immer so gewesen. In den Überresten einer verdorrten Wiese wollte einst eine Blume blühen, nur um über die Zeit das Schicksal ihrer Umgebung zu teilen und zu verwelken. Doch nun roch es nach warmen Sommerregen und eine einzelne Knospe reckte ihren Kopf der Sonne entgegen.

Menschen. Ihre Schicksale so unterschiedlich wie die Beschaffenheit eines Sandkorns und ihre Zahl so vielfältig wie in der Wüste. All jene tummelten sich dort unten geschäftig durch die Straßen, wie sie es auch in der halben Nacht zuvor getan hatten. Abermals regte sich der Drachen mehr denn je im Sand, getrieben durch das Verlangen Tot und Feuersbrunst unter all jenen zu verbreiten, die sich seiner Dynastie verwehren wollten. Es trieb jene Seele zu noch mehr Ansporn und ließ sie sogar die Schrecken der Dunkelheit vergessen, die in den äußeren Ringen viele ihrer Art für immer verschlangen. Die Masse glich einem breiten Fluss, der sich durch die Häuserschluchten bahnte. Immer wieder spielten kleine Verwirbelungen darin und zogen den Blick hypnotisch auf sich. Das Schauspiel war auf seine Art beruhigend und doch vermochte es heute ihre Umtriebigkeit nicht zu stillen. Es roch nach Sommerregen. Ein stetiger Hauch aus der nahen Vergangenheit, der verschwunden und nun wieder aufgetaucht war. Mit ihren Extremitäten an der Kuppel des Bauwerks haftend huschten die Pupillen unruhig hin und her. Es war da draußen, doch wo vormals fern, so legte es sich nun drückend auf ihre Schultern, als wäre es näher denn je. Wieder Verwirbelungen in der Masse. Aus einem Seitenarm löste sich eine einzelne Gestalt und verweilte an der Seite. Es arbeitete in ihren Köpfen. Die Sinne strafften sich, fokussierten jenes seltsame Objekt. Das Denkmal, von der kurzweiligen Bevölkerung bereits vergessen, fand neue Aufmerksamkeit. Es wurde studiert, mit den Sinnen regelrecht abgetastet. Kein tiefes Gebet, keine routinierte Abhandlung einer Zeremonie, nur das fast schon kindliche Gebaren bei der Entdeckung eines neuen Gegenstandes. Sie wurden unruhig. Die Krallen scharrten unkontrolliert über das Gestein, kanalisierten die innere Ungewissheit in ablenkende Zuckungen der Muskelpartien. Anziehend, so überaus anziehend war jenes Geschöpf dort unten, dass sie schließlich beschlossen ihren erhöhten Platz auf dem steinernen Dach zu verlassen. Mühelos fanden Krallen und Handflächen halt, den Körper dabei dicht nach unten pressend. Ein kurze Beschleunigung ihres leichten Körpers und was zuvor noch in Struktur und Farbton dem in der Sonne leuchtendem Stein entsprach, färbte sich augenblicklich dunkel und ließ im Schatten nur noch Konturen erahnen. Sie kannten viele Wege. Nicht die breiten Pflasterstraßen, sondern enge Seitengassen und Innenplätze, versteckte Ruinen und verborgene Eingänge in eine andere Welt unter der Oberfläche. Doch sie konnten nicht runter, noch nicht. Sie mussten ihr folgen. Sie beobachten. Sie melden. Behände katapultierte sich das Wesen durch die Luft, dann federten sie sich tief gebückt ab, ehe sie ihren Körper wieder dicht zwischen zwei eng zusammengebauten Häusern pressten. Sie war noch da, erhob sich aber gerade in diesem Moment, um wieder in den breiten Strom einzutauchen. Sie war ganz nah und schritt nur wenige Armlängen an ihnen vorbei, während die ausdruckslosen Pupillen jener Kreatur all ihre Bewegungen genaustens verfolgten. Es roch nach Sommerregen.

Ziellos. Fremd. Unbeholfen. Wie ein rohes Ei wackelig über eine glatte Oberfläche rollte, so schob sich der Körper dieser jungen Frau durch das Gedränge Rasankurs. Eine harte Schale, fast ein bloßes Gefäß, während das Innere frei rotierte und den Kurs beeinträchtigte. Die Bevölkerung sah sie nicht so wie die Kreatur. Bestenfalls akzeptierten sie sie, was nur hieß, dass sie nicht als Fremde oder gar Feind galt. Doch schenkte man ihr mehr Aufmerksamkeit, so durchschaute man die Anpassung an der Umgebung, die schauspielerische Darbietung. Die Schale war durchbrochen, überwunden um hinter die Kulisse blicken zu können. Jetzt mussten sie erkennen, dass sie nicht so fremd war wie sie erschien. Ob bewusst oder nicht, ein seltsam vertrautes Potenzial schlummerte in ihr. Weltliche Sinne verloren ihre Bedeutung, dennoch spürten sie etwas aus der Vergangenheit, was nicht an diesem Ort sein sollte. Mangels einer einleuchtenden Erklärung blieb es ein Rätsel, genau wie ihre Aufgabe, mit der sie erst den Abend zuvor betraut gemacht wurden. Der Schluss war abstrakt und doch naheliegend, blieb nur noch die Frage offen wie weiter verfahren werden sollte. Einer seltsamen Ironie gleich näherte sich die Frau jedoch stetig dem Herzen der Stadt, angezogen wie die Motte vom Licht, verfolgt von ihnen wie ein zweiter Schatten. Als sie schließlich eines der großen Tore passierten sahen sie die Zeit gekommen zu handeln. Die Kreatur eilte in eine vorausgelegene Seitengasse, platzierte davor offensichtlich einen Stein mit eingravierter Rune, um abermals ihre Neugier zu locken. Ein tiefer Strich nach oben, mündend in der Mitte eines spitzen Dreiecks, dessen rechte Ecke durch eine quer verlaufende Kerbe tangiert wurde. Die Vertiefungen waren offensichtlich durch eine Flüssigkeit dunkelrot verfärbt, was zu dem alabasterweißen Stein einen wahren Kontrast bildete. Sie müsste ihn bemerken und dann würde sie sie sehen - die Kreatur die nun zurück in den Schatten huschte, doch die Tarnung ihrer dunklen Haut aufgab und wohl im Wettstreit mit der Rune nun dessen Farbe imitierte.


- Vàs Medina - 03-24-2013

Es war wie das Erwachen inmitten einer langanhaltenden Finsternis. Kratzende, vom Staub schwere Tränen in den Augen, ein dünner, salziger Film welcher sich wie ein gesprungenes Netz über die Lippen zog. Der stets vorhandene Einfluss einer unleugbaren Kälte, expandierend von Innen heraus. Etwas beinahe schon unmenschliches haftete diesen Sinneseindrücken von Sehen, Geschmack und Empfinden an. Diese Welt mochte nicht steril sein, doch bei weitem war sie nicht so kontaminiert wie es stets gepredigt worden war. Welch Widerspruch doch diese denkenden, handelnden Menschenwesen waren zu den sabbernden, unvollkommenen Wüstenmutanten von welchen stets die Rede ging. Nichts, aber auch gar nichts wagte sich noch zu halten. Sie besaßen eine ausgeprägte, offenbar vollkommen Eigenständige Schrift, sie besaßen eine zentralistische Theokratie, damit einhergehend logischerweise ein Religionssystem welches ein gleiches suchte. Sie besaßen eine doch recht gutturale Sprache, aber immerhin, sie besaßen eine eigenständige, nicht vom Gotischen inspirierte. All dies waren markante Hinweise auf eine „fremdländische“ Leitkultur. Etwas das es in dieser Form innerhalb der, nunja, gewöhnlichen Makropolen Koron IIIs nicht gab. Und mit jedem noch so unbedeutenden Quadratzentimeter welche sie erkundete erlangte sie neue, unumstößliche Beweise für eine derartige These. Je näher man dem Stadtkern kam, desto eindeutiger wurden die Fresken, desto höher wurden kleinere „Paläste“ und Schreine errichtet, desto abwegiger wurde die Architektur. Bögen und Hufeisenöffnungen, Arkaden und lange Alleen ebenso wie Gebetsnischen, Springbrunnen mit einer wasserähnlichen Substanz. Doch es gab Zeichen, Zeichen der Verwitterung, des Alters. Nicht immer war dies ein krönendes Juwel des Tals gewesen. Nein, hier musste eine lange Abwesenheit geherrscht haben, die gesamte Stadt war wohl in Vergessenheit geraten und erst kürzlich wieder aus dem Nimbus emporgestiegen.

In den Schatten, unterhalb der Fassaden und Statuenkolonnen, unter den Erkern und Fenstern sammelte sich das Volk. Mit Tüchern überzogene Straßen garantierten Schutz vor den schädlichen Strahlen der Sonne, Kühle, Geborgenheit. In den schmalen Korridoren wurde dem täglichen Streben nach Existenz nachgegangen, wurde erprobt wer stärker und wer schwächer war. Es herrschte ein reger Darwinismus, selbst die niedersten Bestien zankten um schon glatt polierte Viehknochen, Kinder rauften stellenweise gar mit Holzprügeln. Mütter welche sorglos wachten, während von Vätern meist keinerlei Anzeichen war. Deformierte und ansehnliche Kreaturen gleichermaßen wälzten sich hindurch, vorbei an ihr, der nur neugierig glotzenden Passantin. Nein, sie musste darauf achten nicht zu viel Interesse an allem zu bekunden, durfte nicht aussehen wie eine Fremde innerhalb einer fremden Stadt... und dennoch. Als wäre man hineingetreten in eine vollkommen neue, jungfräuliche Welt. Kein Anzeichen der imperialen Verweichlichung, wie es manche Gelehrte der Zivilisation so untrefflich benannten, keine uniformierten Arbites und keine Truppen der PVS. Ja, selbst von jenem Kreuzzug welcher dieser Tage alle Blätter beherrschte war hier nichts mehr zu merken.

Und doch war da... Nur ein kurzer, unbedeutender Blick. Ein verstrebtes, purpurleuchtendes Symbol. Etwas wie aus kreischendem Blut heraus extrahiert, was sich wie aalglatte Fangarme nach ihrer physischen, aber auch ihrer geistigen Wahrnehmung streckte. Nichts weiter als ein flaches Stück geschliffenen Alabasters, ein kurzer, jedoch bedeutungsschwangerer Abstrich. Geformt gleich einem einzackigen, kurzen Pfeil, jedoch ausgehöhlt durch eine deutliche Kerbe, dies inmitten einer der finstersten Passagen dieser Siedlung. Sie wog die seltsame Scherbe abschätzend in der linken Hand, während sie mit der anderen die Vertiefungen studierte. Diese waren wenig kunstvoll graviert worden, vermutlich archaische Werkzeuge wie ein Faustkeil waren zum Einsatz gekommen, der Stein selbst wies eine klare Bruchstelle auf, wirkte dadurch wie von einem größeren Scheibe abgetrennt. Oder zerbrochen.


- Abscheulich - 04-03-2013

Wie zur Säule erstarrt verblieb die Kreatur in ihrer Position und beobachtete die Frau in ihren Untersuchungen des ausgelegten Bruchstücks. Der fehlenden Pupillen geschuldet konnte man äußerlich nicht erkennen wie der Blick in Wahrheit unruhig über ihre Gestalt glitt und kurz aber intensiv in sich aufzog. Nur noch wenige in der Stadt beschäftigten sich mit solch einer Interesse mit jenen alten Relikten, geborgen aus tief unter der Erde liegenden Kammern und Gängen, die erst seit jüngster Zeit wieder vom Schutt der Zeit befreit und zum erneuten Leben erweckt wurden. Nein, ihr Gefühl konnte sie nicht täuschen. Wenn es... wenn es SIE ist? Still... Still! Wir wissen was zu tun, ja wir wissen... Ja ja ja! Sehnen spannten die dünne Haut und das Geschöpf kauerte sich wieder weiter in den Schatten. Nur einen Wimpernschlag später war der Körper regelrecht mit der Umgebung verschmolzen und wie ein Schatten huschten sie zur nächstgelegenen Wand. Steinchen bröckelten zu Boden, verrieten Bewegungen die aus dem hinteren Teil der Gasse drangen. Absichtlich hinterließ die flinke und geschickte Kreatur ihre Spuren und legte an der nächsten entscheidenden Stelle einen weiteren Teil des „Köders“ aus. Dieses Bruchstück war kleiner, zeigte nur einen Teil eines Kreises, vielleicht ein Drittel, ehe dieser durch die Bruchkante unterbrochen wurde. Dieses Teil wurde in einen bis dato unscheinbaren Durchgang platziert, der durch die Wand wohl in den Kellerbereich eines nahestehenden Hauses führen musste. Nur wenige Sonnenstrahlen erhellten jenes Relikt aus Alabaster und man musste schon gute zwei Schritt in jenes Gewölbe hinabsteigen um dies zu erreichen. Sie musste nur hier hin kommen, in Neugier weiter dieser Spur aus kleinen Brotkrumen zu folgen, in Erwartung dieses Puzzle zu komplettieren.